Nach einem Unfall im Affenhaus liegt Zoo-Direktor Bernhard Blaszkiewitz in einem Krankenhaus. Ein Schimpanse hat dem 56-jährigen Berliner gestern Morgen fast vollständig den rechten Zeigefinger abgebissen. Der 55 Jahre alte Zoo- und Tierpark Direktor wurde sofort in ein Krankenhaus gebracht. Die Ärzte versuchten, den Finger wieder anzunähen.
Der Unfall ereignete sich, während Blaszkiewitz das Schimpansen-Männchen Pedro im Affenhaus mit Walnüssen fütterte. Blaszkiewitz behielt trotz der Schmerzen einen kühlen Kopf: Er rief seine Sekretärin Regine Damm persönlich an und bat sie, einen Rettungswagen zu rufen. „Es war kurz vor zwölf Uhr, als der Direktor mich aus dem Affenhaus hier im Verwaltungsgebäude erreicht hat. Ich hielt das Ganze für einen Witz - er hatte eine so klare, ruhige Stimme -, bis er sagte, mit so etwas scherze er nicht“, sagt Regine Damm. Um 11.53 Uhr ruft sie den Notarzt, der Rettungswagen bringt Blaszkiewitz ins Unfallkrankenhaus Berlin (UKB) in Marzahn. „Von dort hat der Direktor mich bereits zurückgerufen und gesagt, er solle noch am Tage operiert werden. Die Ärzte hofften, seinen Finger wieder annähen zu können.“
Bis wann Blaszkiewitz in der Klinik bleibt, und ob er am Mittwoch wie geplant zur Tagung der deutschsprachigen Zoo-Direktoren nach Augsburg fahren kann, bleibt offen. „Wie lange er ausfällt, ist unklar“, sagt Damm. Die Mitarbeiter seien alle „ziemlich erschrocken und drücken ihrem Chef für die OP die Daumen“, so die Sekretärin. Die „Beiß-Attacke“ soll sich im Pflegergang an der Tür zum Außengehege der Schimpansen ereignet haben. Blaszkiwietz hat einen Bekannten durch den Zoo geführt und dort Station gemacht. Bei Führungen hinter den Kulissen locken viele Zoo- und Tierpark-Mitarbeiter die Tiere mit ihrem Lieblingsfutter an, damit sie aus der Nähe betrachtet werden können; Schimpansen sind Vegetarier und bevorzugen Aprikosen und Bananen, lieben aber auch Walnüsse.
Blaszkiewitz wird zur Stunde im UKB operiert. „Es gibt eine Chance für den sehr zerstörten Finger, aber sie ist nicht sehr groß“, sagte der Chefarzt und Chirurg Andreas Eisenschenk in einer Operationspause. Zwar sei die Bisswunde recht glatt, aber es gebe eine sehr große Infektionsgefahr. „Durch den Schimpansen sind da Keime im Spiel, die wir teilweise gar nicht beherrschen können.“ Das Krankenhaus ist spezialisiert auf Brandopfer und schwierige Transplantationen von abgetrennten Gliedmaßen. Die Operation habe um 14.30 Uhr begonnen, berichtete Eisenschenk. „Aber bis 21 Uhr wird es sicher dauern. Es ist sehr schwierig und kompliziert, all die winzigen Gefäße und Nerven wieder zu verbinden.“ Das Chirurgenteam habe anfangs die Entscheidung zwischen dem Annähen und einer Versorgung als Stumpf treffen müssen und nach gründlicher Überlegung die erste Variante gewählt.
Mit einer Fütterung ohne Sicherheitsvorkehrungen hat Blaszkiewitz gegen die Sicherheitsregeln des Unternehmens verstoßen. „Er hat als erstes zu mir gesagt, dass er selber schuld sei“, sagt Damm. Die meisten Zoo-Tiere dürfen nicht aus der Hand gefüttert werden, sondern die Mitarbeiter bringen das Futter rein, während die Tiere in anderen Räumen abgesperrt sind.
Trotz des Unfalls blieb das Affenhaus dem Publikum zugänglich. Der „Übeltäter“ stromerte durch sein Gehege, der Vorgang hat keine Konsequenzen für das Tier. „Es gibt keinen Grund, ihn von seiner Gruppe zu trennen“, sagte gestern ein Mitarbeiter. Wenngleich Schimpansen noch als die am wenigsten harmlosen unter den Zoo-Menschenaffen gelten, so hat Pedro doch einen guten Ruf. Der – auf vier Beinen – 1,20 Meter hohe Schimpanse lebt schon ein Vierteljahrhundert im Zoo, ohne dass er Pfleger attackiert hätte.
Nur in der Eingewöhnungsphase war Pedro unleidlich gewesen, sagt ein Mitarbeiter. Vermutlich habe der Schimpanse zuvor schlechte Erfahrungen mit Menschen gemacht. Pedro ist am 7. Juni 1984 im Zoo angeliefert worden, Zollbeamte hatten ihn zuvor als Schmuggelware beschlagnahmt. Damals wurde sein Alter auf zweieinhalb Jahre geschätzt. Heute streitet sich Pedro nur intern mit dem Schimpansen Karl darum, wer bei den Weibchen Soko, Guste und Lily das Sagen hat – und damit das Begattungsrecht.
Derart schwere Unfälle mit Affen sind selten. Vor Jahren war der Tierpfleger Alexander G. im Affenhaus des Zoos von einem Orang Utan attackiert worden. Der Affe hatte einen defekten Schieber geöffnet und den Pfleger beim Säubern seines Käfigs überrascht.