Gescheiterte Finanzgeschäfte

US-Bank fordert von der BVG 112 Millionen Dollar

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Joachim Fahrun

Foto: Michael Brunner / Brunner

JP Morgan fordert von den Berliner Verkehrsbetrieben 112 Millionen US-Dollar (80 Mio. Euro) für Verluste aus Wertpapiergeschäften. Die amerikanische Bank strengt nun sogar eine Klage gegen die BVG an. Unternehmenschef Andreas Sturmowski hingegen fühlt sich von den Finanzexperten falsch beraten.

Die amerikanische Bank JP Morgan fordert von den Berliner Verkehrsbetrieben 112 Millionen US-Dollar (80 Mio. Euro) für Verluste aus Wertpapiergeschäften. Nach Informationen von Morgenpost Online wird der Royal High Court in London Ende Juni über die Zulassung einer Klage von JP Morgan gegen die BVG entscheiden und einen Termin festlegen.

Die BVG hatte stets bestritten, dass es eine konkrete Forderung der Banker über Ausfälle aus dem übernommenen Kreditportfolio gebe. Man hatte sogar die Hoffnung, die Bank würde darauf verzichten, mögliche Ansprüche durchzusetzen, um im Falle einer Niederlage vor Gericht nicht einen Präzedenzfall zu schaffen. Die Berliner Verkehrsbetriebe hatten im Juli 2007 auf Anraten von JP Morgan von ebendieser Bank ein sogenanntes CDO-Paket (Collateralized Debt Obligation) in einem Volumen von 157 Millionen Euro übernommen, um Verluste aus früheren US-Leasinggeschäften zu kompensieren, in denen die BVG Hunderte von Waggons an US-Investoren verkaufte und zurückmietete. Aus dieser Spekulation wollte die BVG einen Sondergewinn von 5,6 Millionen Euro erzielen und eine Kreditversicherung von 1,3 Millionen Euro geräuschlos begleichen.

In Folge der Finanzkrise sind jedoch bislang sieben der 150 im CDO-Paket versammelten Kreditnehmer ausgefallen, es droht der Totalverlust. Die BVG musste 2008 Rückstellungen in Höhe von 157 Millionen Euro bilden, die Bilanz wurde verhagelt. Die Verluste müssen entweder durch höhere Fahrpreise ausgeglichen oder letztlich vom Land Berlin übernommen werden.

Zunächst verlangt JP Morgan aber nur eine erste Teil-Summe zurück für Kredite, die bereits verloren sind. „Mit Schreiben vom 13. Januar 2009 wurde die BVG von JP Morgan aufgefordert US-$ 112190754,35 im Rahmen des bestehenden Kreditderivats zu begleichen“, schreiben die Wirtschaftsprüfer von PWC in ihrem Prüfbericht zum Jahresabschluss 2008.

BVG-Chef Andreas Sturmowski hat stets betont, noch sei kein Schaden entstanden und setzt darauf, dass das Landgericht Berlin das ganze CDO-Geschäft für ungültig erklärt. Die BVG fühlt sich von JP Morgan falsch beraten, sie habe deshalb die in dem Paket schlummernden Risiken unterschätzt. Die Berater von JP Morgan hätten den Kunden warnen müssen, was aber unterblieb. Die Verkehrsbetriebe aus Berlin sind aber in dem sich abzeichnenden Rechtsstreit zwei Schritte hinter den Angelsachsen zurück. Schon im Oktober vergangenen Jahres hat JP Morgan in London Feststellungsklage eingereicht, um grundsätzliche Ansprüche zu begründen und den Gerichtsstand London zu sichern. Die BVG reagierte erst, nachdem die Rechnung über 112 Millionen Dollar auf ihren Tisch flatterte und klagte im März 2009 in Berlin in der Hoffnung, hier die Ansprüche der Banker eher abwehren zu können.

Im Abgeordnetenhaus stößt der Umgang des BVG-Chefs mit dem missratenen Spekulationsgeschäft zunehmend auf Unwillen. Zumal in den jüngsten Unterlagen für das Parlament die konkrete Forderung gegen die städtische Anstalt keine Erwähnung findet, und Sturmowski gegenüber den fragenden Abgeordneten den Eindruck erweckte, die Banker könnten möglicherweise darauf verzichten, ihre Forderungen durchzusetzen.

Zu der Kritik wegen der Pleite mit dem CDO-Paket gesellt sich Unverständnis über den von Sturmowski betriebenen Umzug der BVG-Zentrale aus der Potsdamer Straße in die Trias-Hochhäuser in Mitte. Sturmowski habe im Beteiligungsausschuss des Abgeordnetenhauses nicht darstellen können, warum dieses Objekt ausgewählt worden sei. Sturmowski habe die Kritik des Rechnungshofes an diesem Umzug nicht entkräftet.

In Folge dieser beiden Vorgänge mehren sich die Stimmen, die Sturmowskis Vertrag an der Spitze des kommunalen Unternehmens nicht verlängern wollen. „Eine Verlängerung ist nicht sehr aussichtsreich“, sagte ein führender Sozialdemokrat. In Kreisen der Linken wird sogar erwogen, schon vorher die Reißleine zu ziehen. Das Vertrauensverhältnis zum Eigentümer Land Berlin sei zerrüttet, wie die Linken-Abgeordnete Jutta Matuschek sagte. Im September muss sich Sturmowski in einer Sondersitzung des Beteiligungsausschusses erneut erklären.