Nur wenige bauliche Eingriffe sind nötig, damit aus einer schlichten Industriehalle aus den 60er-Jahren ein unverwechselbarer Libeskind wird. Am Dienstag stellten die Direktoren des Jüdischen Museums Berlin den Entwurf des amerikanischen Stararchitekten Daniel Libeskind zum Umbau der alten Blumengroßhalle in Kreuzberg vor. Nach diesen Plänen soll im August mit dem Umbau begonnen werden.
Statt Blumen soll das riesige Gebäude ab Herbst 2011 das Archiv, die Bibliothek sowie Veranstaltungs- und Arbeitsräume des Museums beherbergen. Ein gekippter und gespaltener Kubus, der sich in die Außenhaut der Halle bohrt, dient künftig als Empfangsgebäude an der Lindenstraße, durch den der Besucher die Halle betritt. Im Inneren finden sich zwei weitere gegeneinander gekippte und mit Holz verkleidete Würfel an einem begrünten Hof, die ein Auditorium sowie eine Bibliothek enthalten. Entlang der Außenwände werden zudem Büro- und Arbeitsräume entstehen. „Die Holzverkleidung der Kuben soll einerseits an Transportkisten, andererseits an die Arche Noah erinnern“, so Jochen Klein, Projektleiter von Daniel Libeskind. Die vielen spitzen Winkel in den Wänden, die schiefen Ebenen und die Titan-Zink-Verkleidung des Empfangs-Kubus sollen ganz bewusst Gestaltungselemente aufnehmen, die den Neubau des Jüdischen Museums auf der anderen Straßenseite so berühmt gemacht haben. „Daniel Libeskind sieht das Gebäude als einen Bestandteil des Gesamtensembles.“
Der Bauetat ist schmal
Dennoch habe man so weit wie möglich auf einen sensiblen Umgang mit dem Bestandsgebäude geachtet, so der Projektleiter. Denn der Zustand des Hauses sei erstaunlich gut, und auch der Architekt Bruno Grimmek habe mit seiner dreischiffigen Halle in Stahlbeton-Bauweise einen echten Nachkriegsklassiker geschaffen. „Wir werden die Halle weder beheizen noch dämmen“, betont Klein. Beheizt werden lediglich die Einbauten in der Halle.
Bebaut werden sollen zunächst nur 60 Prozent der rund 6400 Quadratmeter großen Hallenfläche. „Die restliche Fläche lässt Platz für temporäre Nutzungen mit potenzielle Kooperationspartnern“, so Cilly Kugelmann, Programmdirektorin des Jüdischen Museums. Bei dem schmalen Bauetat sei es nicht möglich gewesen, gleich die ganze Halle zu beplanen. Von den zehn Millionen Euro Baukosten übernimmt der Bund sechs Millionen, das Museum den Rest. Der US-Freundeskreis des Hauses steuert den Libeskind-Entwurf als Sachspende bei. Auch die Gestaltung des „Biblischen Gartens“ im Hof sei in diesem Kostenrahmen noch nicht enthalten, so der Geschäftsführende Direktor Börries von Notz. „Wir werden dazu später einen eigenen Wettbewerb veranstalten.“ Er sei optimistisch, dass die erforderlichen 400.000 Euro durch Spenden zusammenkommen werden.
Der Amerikaner Libeskind hatte bereits den ersten spektakulären zickzackförmigen und mit Zink verkleideten Neubau des Museums neben dem früheren barocken Kollegienhaus geplant. 2007 fügte er dem als Eingangsgebäude dienenden Altbau einen Glashof hinzu, in dem die Cafeteria untergebracht ist.
Die gegenüber dem Kollegienhaus gelegene Blumenhalle, auf der anderen Seite der Lindenstraße, ist somit bereits die dritte Erweiterungsstufe des Museums, das von seinem großen Publikumserfolg völlig überrascht wurde. Als das Haus im September 2001 eröffnet wurde, rechneten die Planer mit 300.000 Besuchern im Jahr. Bereits im ersten Jahr kamen mit 600.000 doppelt so viele Menschen wie erwartet. Heute sind es im Schnitt 750.000 Menschen pro Jahr. Die Folge: „Das Haus platzt aus allen Nähten“, sagt Cilly Kugelmann. Nicht die Ausstellungsfläche sei das Problem, sondern die Fläche, die man für die museumspädagogische Arbeit sowie Forschung und Archivbestände benötige.
Ein neuer Kiez entsteht
Die Umwidmung der alten Blumenhalle zu einer Kultureinrichtung, die weit über Berlin hinaus Interesse auf sich zieht, wird nicht nur für das Jüdische Museum eine neue Ära einleiten. Denn auf den großen Freiflächen, die sich rund um die Halle erstrecken, soll ein neues Viertel aus Wohn- und Geschäftshäusern sowie Bürobauten entstehen. Der landeseigene Berliner Liegenschaftsfonds wird im Herbst 2010 mit der Vermarktung von vier Baufeldern beginnen, ein weiteres befindet sich in Privatbesitz und soll ebenfalls bebaut werden. „Die Erweiterung des Jüdischen Museums sowie die Abfolge neuer Plätze, die durch diese Bebauung entstehen, werden das Gebiet der südlichen Friedrichstadt enorm aufwerten“, sagt Franz Schulz (Grüne), Bürgermeister von Friedrichshain-Kreuzberg.
Allerdings liegt die Halle auch in einer problematischen Nachbarschaft. „Das Viertel ist nach dem Mauerfall von der absoluten Mauerrandlage ins absolute Zentrum gerutscht“, so Schulz. Die Folge: „Die Verdrängung der angestammten, einkommensschwachen Bevölkerung ist hier besonders stark“, so Schulz. Nach dem Ende der Förderung des sozialen Wohnungsbaus seien gerade in diesem Viertel die Mieten enorm gestiegen.
„Natürlich wird das Neubauvorhaben diesen Prozess nicht stoppen“, so der Bürgermeister. Das sei eine Aufgabe, die politisch gelöst werden müsse. Man führe deshalb bereits Gespräche mit dem Liegenschaftsfonds, um zumindest der hier ansässigen Kreativwirtschaft auch künftig Raum geben zu können.