Kreuzberger Pfarrer

"Roma können nicht länger in Kirche bleiben"

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Eine Gruppe von Roma, die sich zuvor im Haus Bethanien einquartiert hatte, ist nun in die St. Marien-Liebfrauen-Kirche in Berlin-Kreuzberg gezogen. Die Menschen hätten ihn ziemlich überrumpelt, sagte der Pfarrer des katholischen Gotteshauses. Wie es mit den Familien weitergehen soll, darüber wird gestritten.

Die Roma-Familien in der St.-Marien-Liebfrauen-Kirche an der Kreuzberger Wrangelstraße können sich keine Hoffnung auf eine längerfristige Unterkunft in Räumen der Kirche machen. „Diese Alternative gibt es nicht“, sagte Pfarrer Olaf Polossek am Freitag. „Wir suchen aber eine Lösung für die Menschen.“ Die Polizei wolle er vorerst nicht einschalten. Innensenator Ehrhart Körting (SPD) hatte eine Räumung angekündigt, falls die Gemeinde Anzeige wegen Hausfriedensbruchs erstattet. Die rund 50 Roma hatten die Kirche am Donnerstag besetzt und dort in einem Gemeindesaal übernachtet. Zuvor hatten sie im Bethanien-Haus Quartier bezogen.

Die Menschen hätten ihn ziemlich überrumpelt, sagte Pfarrer Olaf Polossek. Er schätzte ihre Zahl auf etwa 50, darunter seien auch etliche Kinder. Sie wollten laut einem Schreiben auf die prekäre Situation der Sinti und Roma in Berlin und Europa aufmerksam machen und den Senat zur Einhaltung seiner Hilfszusagen bewegen. Wie das Erzbistum Berlin erklärte, versucht Gemeindepfarrer Olaf Polossek durch Gespräche mit den Besetzern zur Lösung des Konflikts beizutragen.

"Wir müssen jetzt überlegen, wie es weitergeht", sagte der Pfarrer. Er habe den Bischof und die für kirchliches Asyl zuständige Stelle um Hilfe gebeten. "Vielleicht können wir das Gespräch zwischen den Behörden, den Roma-Familien und den Bethanien-Gruppen moderieren", so Polossek.

Der Geistliche wollte sich zunächst mit seinen kirchlichen Gremien über das weitere Vorgehen beraten und „angemessen reagieren“. Eine Unterstützer-Initiative warf dem Senat sowie dem Bezirk vor, dass eine politische Lösung für die Roma gescheitert sei. Die linken Gruppen fordern für die Roma eine feste Wohnmöglichkeit, eine Meldeadresse, soziale und medizinische Versorgung, den Schul- und Kindergartenbesuch der Kinder und eine finanzielle Unterstützung im Rahmen der Hilfe für besondere Lebenslagen.

Ein Treffen endete erfolglos

Die Roma und ihre Unterstützer hatten bereits am vergangenen Freitag in der Berliner Senatssozialverwaltung gegen eine aus ihrer Sicht schikanösen Behandlung durch die Behörden protestiert. Am Donnerstagabend kamen Vertreter der Senatsverwaltung für Soziales und des Bezirksamtes Friedrichshain-Kreuzberg erneut zu einem Gespräch mit den Roma-Familien und den Bethanien-Initiativen zusammen. Am Treffen in den Gemeinderäumen nahmen auch Roma teil, die länger in Berlin leben. Das Treffen endete laut Senatsverwaltung ohne Ergebnis.

Die Familien waren zunächst im Bethanien-Haus untergekommen, nachdem sie zuvor im Görlitzer Park campiert hatten. Ihre Zahl wuchs auf bis zu 90 Personen an. Sie waren von ehemaligen Besetzern der Initiative „New Yorck“ aufgenommen worden und nutzten unter anderem frisch sanierte Räume, in die ab Anfang Juni eine Kita einziehen soll. Wie Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner auf eine mündliche Anfrage im Abgeordnetenhaus sagte, haben die Familien bei Gesprächen mit Vertretern von Land und Bezirk eine Unterbringung in Wohnheimen und Pensionen der Bezirke abgelehnt. Zuvor hatten sie sich bereits geweigert, in das Asylbewerberheim in Spandau zu ziehen. Offenbar weil sie die Abschiebung befürchteten.

Nach einem rbb-Bericht sieht der Sozialstadtrat von Friedrichshain-Kreuzberg, Knut Mildner-Spindler, keine Alternative zu der Unterbringung in dem Spandauer Heim. Die Roma seien als Touristen eingereist und hätten damit keine Ansprüche an den deutschen Staat.

Körting will notfalls abschieben lassen

Innensenator Körting kündigte an, dass die Ausländerbehörde die als Touristen eingereisten Rumänen gegebenenfalls nach Ablauf ihrer dreimonatigen Aufenthaltsfrist zum Verlassen Berlins und der Bundesrepublik auffordern werde. „Wir werden ganz genau nach dem Freizügigkeitsgesetz handeln und nach Ende der Frist entsprechende Maßnahmen ergreifen.“ Körting verwies zudem darauf, dass die Besetzung von Räumen im Bethanien strafrechtlich relevant sei.

Die Gesellschaft für Stadtentwicklung (GSE), die das Haus Bethanien im Auftrag des Bezirksamtes verwaltet, hatte am Mittwoch Strafanzeige wegen Hausfriedensbruches gegen die Rumänen gestellt.

Die GSE erwägt nun, die Anzeige zurückzuziehen. Nach dem Auszug der Roma-Familien hat die Gesellschaft Türen und Fenster in den zuvor besetzten Räumen sichern und das Schloss austauschen lassen. Durch den Aufenthalt der Rumänen seien nur geringe Sachschäden entstanden, die in den nächsten Wochen behoben werden, sagte eine GSE-Mitarbeiterin.

( ddp/dpa/sei/mim )