Affront

Obama besucht Deutschland - aber nicht Berlin

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Michaela Menschner

Der US-Präsident kommt wieder nach Deutschland und auch Kanzlerin Merkel hofft auf einen Besuch. Doch nach Obamas Willen soll es eine ganz private Reise werden. Dresden und das KZ-Buchenwald stehen auf dem Programm. Berlin lässt Obama jedoch aus - und das könnte durchaus Absicht sein.

US-Präsident Barack Obama will erneut Deutschland besuchen. Es gebe derzeit "erste Überlegungen, dass Obama im Frühsommer zu Besuch nach Deutschland kommt“, sagte Regierungssprecher Ulrich Wilhelm. "Zur Vorbereitung sind wir mit dem Weißen Haus im Gespräch.“ Zu Einzelheiten gebe es derzeit noch keine Entscheidungen. Bundeskanzlerin Angela Merkel „würde sich über einen erneuten Besuch Obamas freuen“, erklärte Wilhelm.

Doch den will ihr der US-Präsident offensichtlich nicht abstatten. Ein Treffen im Kanzleramt in Berlin steht bisher nicht auf Obamas Programm - und das könnte durchaus Absicht sein. Der US-Präsident will sich offenbar aus dem Wahlkampf zur Bundestagswahl am 27. September heraushalten. Ein gemeinsamer Auftritt könnte als Wahlkampfhilfe für Merkel ausgelegt werden.

Vizeregierungssprecher Thomas Steg wies solche Überlegungen am Mittwoch zurück. In welchem Bundesland auch immer der Besuch stattfinde, er werde "keine Wahl beeinflussen". Außerdem versicherte der Steg: "Der US-Präsident hegt keine Aversionen gegen Berlin." Im Gegenteil, so Steg, Obama habe Berlin in "allerbester Erinnerung".

Die Berliner hatten Obama im letzten Juli - und mitten im US-Wahlkampf - einen begeisterten Empfang bereitet. Damals hatte der Besuch des damaligen Präsidentschaftskandidaten der Demokraten für eine wahre "Obamania" gesorgt. Rund 200.000 Menschen strömten an die Berliner Siegessäule, um die Rede Obamas live mitzuerleben. Auf der Straße des 17. Juni drängten sich die Menschen schon Stunden vor dem eigentlichen Auftritt wie einst nur zur Fußball-WM oder zur Love Parade. Das Areal rund um die Siegssäule herum war nahezu vollständig gefüllt, vor den Sicherheitsschleusen bildeten sich lange Schlangen.

Obama hatte damals im Vorfeld erklärt, seine Rede an der Siegessäule sei keine US-Wahlkampfveranstaltung. Vielmehr wolle er Kernaussagen über die künftigen Beziehungen zwischen Europa und den USA treffen. Doch ganz so blauäugig geriet die Visite dann doch nicht. Obama hielt sich damals nur kurz im Kanzleramt bei Kanzlerin Merkel auf. Auch stellte er sich nur widerwillig den wartenden Fotografen. Medienwirksamer waren da schon die Bilder des charismatischen Präsidentschaftskandidaten an der Siegessäule vor Tausenden jubelnden Fans, die um die Welt gingen.

Obamas Wahlkampfteam hatte zunächst das Brandenburger Tor als Kulisse für die Rede des US-Politikers bevorzugt. Doch Merkel hatte diesen Wünschen einen Riegel vorgeschoben, weil Obama noch nicht als Präsident, sondern nur als Präsidentschaftskandidat nach Berlin gekommen war.

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier wie auch Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (beide SPD) befürworteten hingegen einen Auftritt Obamas an diesem symbolträchtigen Ort. Nach dem „Nein“ der Kanzlerin hatte die Delegation des damaligen US-Senators mehrere mögliche Auftrittsorte in Berlin angesehen. Dabei war unter anderen auch der Gendarmenmarkt im Gespräch gewesen.

Obamas erster Deutschland-Besuch vor einem Jahr war Teil seiner umfangreichen Reise durch Europa und den Nahen Osten gewesen. Mitten im US-Wahlkampf setzte Obama darauf, so an außenpolitischem Profil zu gewinnen. In den USA hatte er bis dahin vor allem auf innenpolitische Themen gesetzt. Verstärkung von der US-Botschaft in Deutschland bekam Obama damals nicht. Laut US-Bestimmungen dürfen Botschaften Wahlkämpfer in Ausland nicht unterstützen.

Nach Informationen der Zeitung Bild geht der kommende Besuch ausdrücklich auf Obamas persönliche Initiative zurück. Die Reise soll einen ausgesprochen privaten Charakter tragen und kein offizieller Staatsbesuch sein. Ob es sich bei dem Nein für Berlin wirklich um eine Retourkutsche in Richtung Bundeskanzlerin handelt, bleibt dabei nur Spekulation.

Als Orte der Visite sind nämlich Dresden sowie die NS-Gedenkstätte Buchenwald bei Weimar im Gespräch. Thüringens Ministerpräsident Dieter Althaus (CDU) bestätigte am Mittwoch Obamas geplanten Besuch des Lagers am 5. Juni.

Obama will in Dresden historische Eindrücke aus der zeit des Zweiten Weltkrieges in Deutschland gewinnen, sagte ein Diplomat dem Internetportal Spiegel Online. Doch seien auch noch andere Orte im Gespräch. Ein Beraterteam des Weißen Hauses sei laut Bild bereits nach Dresden gereist sein, um mögliche Übernachtungsstandorte und notwendige Sicherheitsvorkehrungen zu prüfen.

Nach einem Bericht der Dresdner Neuesten Nachrichten haben sich Vertreter der US-amerikanischen und der Bundesregierung am Mittwoch in Dresden getroffen. Die amerikanischen Gäste seien bereits am Dienstagabend aus Erfurt angereist, in einer weißen Boeing 737-700 ohne Aufschrift, nur mit einer US-Flagge am Heck, berichtete die Zeitung unter Berufung auf den Flughafen. Am Mittwochnachmittag sei das Flugzeug wieder gestartet.

Die sächsische Landesregierung hielt sich jedoch noch bedeckt. Es habe in den vergangenen Tagen Gespräche mit der amerikanischen Seite über Planungen geben, sagte Regierungssprecher Peter Zimmermann. „Es gibt aber noch kein Programm, keine Details, keine Inhalte.“

Zum ehemaligen Konzentrationslager Buchenwald hat der US-Präsident ein ganz persönliche Beziehung: Ein Großonkel Obamas, Charlie Payne, war als Soldat an der Befreiung von Häftlingen eines Außenlagers von Buchenwald beteiligt gewesen. Die Nazis hatten von 1937 bis 1945 mehr als 250.000 Menschen aus ganz Europa in das Konzentrationslager Buchenwald verschleppt. Etwa 56.000 Häftlinge starben an den unmenschlichen Bedingungen, bei der Zwangsarbeit oder wurden getötet.

Der Direktor der KZ-Gedenkstätte Buchenwald, Volkhard Knigge, sieht in dem Besuch Obamas ein wichtiges Signal für die Überlebenden des NS-Terrorlagers. Die hochbetagten ehemaligen Häftlinge hätten sich im April darauf verständigt, Obama zu bitten, sich für ein Treffen der überlebenden Kinder von Buchenwald und ihren US-Befreiern im Jahr 2010 einzusetzen. „Die Rettung der 903 Kinder von Buchenwald war nicht nur ein großes Zeichen der Solidarität und der Menschlichkeit der Lagerinsassen, sondern auch der US-Soldaten“, sagte der Historiker

Thematische passt die Visite auch in das weitere Programm Obamas: Anlässlich der Feierlichkeiten zum 65. Jahrestag der Landung amerikanischer Truppen in der Normandie, will er am 6. Juni einen US-Soldatenfriedhof in der Normandie besuchen.

Angela Merkel hätte sicherlich einen Staatsbesuch Obamas in Berlin vorgezogen, als dessen Stippvisite in Ostdeutschland - fällt der Termin doch mitten in den bundesdeutschen Wahlkampf. Trotzdem bereitet sie sich darauf vor, bei Obamas Besuch in Deutschland an dessen Seite zu sein. Man könne "gesichert voraussetzen, dass die Bundeskanzlerin ihn begleiten wird bei seinen Stationen, ob in Berlin oder anderswo in Deutschland", sagte Vizeregierungssprecher Steg.

Die Kanzlerin kann sich damit trösten, dass sich auch andere europäische Staaten bisher erfolglos um einen Staatsbesuch des US-Präsidenten bemüht haben. Und auch Merkels selbst hat dem Weißen Haus noch keinen offiziellen Antrittsbesuch abgestattet. mit dpa/AP

( mit dpa/AP )