Heute Nachmittag um 15 Uhr endet die Frist - dann wird die "Initiative für Genuss" die ihr vorliegenden Unterstützungsunterschriften beim Wahlleiter von Berlin einreichen. Etwa 400.000 Unterschriftsbögen sowie 15.000 Poster waren in den vergangenen vier Monaten in der Stadt verteilt worden, um ein Volksbegehren gegen das vom Senat erlassende Rauchverbot anzustrengen. Bereits gestern ließ die Initiative jedoch verlauten, dass das Ziel, während dieser Zeit 170 000 Unterschriften zu sammeln, nicht erreicht wurde.
"Ich gehe davon aus, dass wir deutlich unter 100.000 Unterschriften liegen werden", sagte Thoma Michel von der "Genussinitiative". Allerdings stehe die genaue Zahl noch nicht fest, da die Bögen immer monatlich abgegeben und ausgezählt würden. Die eine Hälfte habe bei insgesamt 43 öffentlichen Stellen in den Bürgerämtern der Bezirksämter ausgelegen, die andere habe die Initiative selbst in etwa 6000 Gaststätten verteilt. Deshalb forderte Detlef Petereit, ebenfalls Mitglied des Vereins und Betreiber der "Altberliner Stube & Küche" in Spandau, weitere Befürworter des Volksbegehrens auf, diese Listen noch abzugeben. "Auch in den Bürgerämtern kann noch unterschrieben werden."
Zu geringe finanzielle Ausstattung
Dass es am Ende wohl trotzdem nicht reichen wird, begründen die Rauchverbotsgegner auch mit dem zurückgegangenen Medieninteresse. "Es ist schade, dass wir nicht alle erreicht haben, schließlich kämpfen wir nicht erst seit vier Monaten", so Michel, der zu einem "Kernteam" von sieben Personen zählt, das von rund 100 "Sammelhelfern" unterstützt wurde. Bereits 2008 habe man die erste Stufe auf dem Weg zum Volksentscheid gemeistert und 20 000 Unterschriften innerhalb von sechs Monaten zusammenbekommen.
Auch Michael Efler, Vorstandsmitglied des Vereins "Mehr Demokratie", der Initiativen bei Volksbegehren berät und begleitet, weiß, dass die Anzahl der Unterschriften, die in der zweiten Stufe zusammengebracht werden müssten, problematisch ist. "170 000, also sieben Prozent der Wahlberechtigten, binnen vier Monaten zur Unterschrift zu bewegen, bedeutet eine vierstellige Zahl pro Tag", sagte Efler. "Initiativen, die nicht gut aufgestellt sind und über wenig Geld verfügen, bekommen damit Schwierigkeiten." In Hamburg liege diese Quote nur bei fünf, in Brandenburg sogar nur bei vier Prozent.
Problem: Sieben-Prozent-Hürde
Efler befürchtet, dass die Berliner Sieben-Prozent-Hürde Initiativen davon abhalten könne, überhaupt ein Volksbegehren in Angriff zu nehmen. "Generell nehmen diese Bemühungen ab. Nachdem die Rauchverbots-Initiative jetzt aufgegeben hat, läuft nur noch ein einziges solches Verfahren in Berlin", sagte Efler. Diese Initiative wolle den Flughafen Tempelhof zum Weltkulturerbe erklären lassen. Um die Bürgerentscheide zu stärken, fordert "Mehr Demokratie", die Abstimmungen, wenn möglich, an Wahltermine zu koppeln: "Das Gesetz sieht die Möglichkeit vor, den Abstimmungstermin bis zu neun Monate hinauszuschieben."
Die Berliner Praxis für basisdemokratische Entscheidungen sieht Efler dennoch grundsätzlich positiv. "Seit 1995 sind insgesamt 25 Anträge auf Volksbegehren gestellt worden, vier haben die Stufe zum Volksbegehren geschafft. Nach der Gesetzesänderung 2006 kamen immerhin zwei bis zum Volksentscheid, nämlich zur Schließung des Flughafens Tempelhof 2008 und kürzlich über Pro Reli."
Die Initiative für Genuss moniert, dass die "Anforderungen im Berliner Abstimmungsgesetz unrealistisch hoch erscheinen". "Ein Volksbegehren ist nicht unmöglich, aber ohne Geld geht es nicht. Das haben wir schmerzhaft lernen müssen", sagte auch Thoma Michel. Eine basisdemokratische Bürgerbewegung funktioniere so nicht, nur eine massive Werbekampagne hätte helfen können. Finanziert habe man sich durch Kleinspenden, Unterstützung aus der Tabakindustrie habe es nicht gegeben.
Als gescheitert sehen die Rauchverbotsgegner ihr Projekt trotzdem nicht an. "Ohne die Genussinitiative und das Volksbegehren hätten wir heute wahrscheinlich ein absolutes Rauchverbot", sagte Detlef Petereit mit Blick auf die ersten Gesetzesvorhaben von Gesundheitssenatorin Katrin Lompscher (Linke). Man habe ein Zeichen gesetzt und zu Diskussionen angeregt. Sogar zahlreiche Nichtraucher hätten unterschrieben, weil sie sich in ihrer Freiheit beschnitten gefühlt hätten. Mit dem geänderten Nichtraucherschutzgesetz, das das Abgeordnetenhaus unlängst beschlossen hatte, sei man nicht zufrieden.
Kern des novellierten Gesetzes ist eine Ausnahmeregelung für kleine Gaststätten vom Rauchverbot: In den sogenannten Einraumkneipen darf geraucht werden, wenn sie als Raucherlokal ausgewiesen sind. Bedingung ist jedoch, dass sie nicht über einen abgetrennten Nebenraum verfügen und nicht größer sind als 75 Quadratmeter. Außerdem dürften keine vor Ort zubereiteten Speisen verkauft werden. "Das ist doch eine halbe Lösung", sagte Michel. "In manchen Kneipen werden jetzt schon Speisen von einem benachbarten Restaurant verzehrt, weil man so den gesetzlichen Auflagen genügt."
Dagegen wollte die Initiative mit dem Volksbegehren die volle Entscheidungsfreiheit für Gaststättenbetreiber erreichen, ob und in welchem Umfang sie in ihren Räumen das Rauchen gestatten. "Wir werden erst einmal alle Bögen auswerten und dann die Diskussion mit Politikern suchen", sagte Petereit. Er rechne mit einer Reihe von Klagen, die in Zukunft bewältigt werden müssten. Dabei gehe es etwa um das Servierverbot in Raucherräumen: "Wir ziehen erst mal einen Schlussstrich, aber unsere Arbeit ist bei Weitem nicht beendet."