Madame Tussauds

Berliner muss nach Attentat auf Wachs-Hitler zahlen

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Michael Mielke

Kaum war das Wachsfiguren-Kabinett von Madame Tussauds 2008 eröffnet, da ging Frank L. auf die Figur von Adolf Hitler zu und riss ihr den Kopf ab. Ein Gericht verurteilte den Berliner nun zu einer Geldstrafe wegen Körperverletzung und Sachbeschädigung.

Frank L. steht nicht gern im Mittelpunkt. Und den Saal 370 des Moabiter Kriminalgerichts, wo der 42-Jährige am Dienstag zu einer Geldstrafe von 900 Euro verurteilt wurde, hätte der kräftige Mann am liebsten vermummt betreten.

Dieses Verhalten wollte nicht so recht zu seinem ja doch sehr öffentlichkeitswirksamen Auftritt am 5. Juli vergangenen Jahres passen. An diesem Tag sprang er in der Filiale von Madame Tussauds an der Straße Unter den Linden gegen 10.15 Uhr unvermittelt auf den Schreibtisch vor der Wachsfigur von Adolf Hitler. Er riss sie um und enthauptete sie mit einem Fußtritt; zu Bruch ging auch die linke Hand. Dabei schrie er „Nie wieder Krieg“, „Kampf dem Faschismus“ und „Tod dem Führer“.

Frank L. hatte bei dieser Aktion nach Meinung der Staatsanwaltschaft gleich zwei Straftatbestände erfüllt. Zum einen Sachbeschädigung: Das Management von Madame Tussauds bezifferte den Schaden an der 200.000 Euro teuren Wachsfigur auf 6250 Euro. Zudem hatte der arbeitslose Altenpfleger, der auch schon einige Zeit als Polizist arbeitete, beim Gerangel mit dem Personal eine Person leicht verletzt. Ein Wachmann erlitt Schürfwunden am Arm – Juristen nennen das Körperverletzung.

Frank L. erhielt dafür zunächst einen Strafbefehl. Der Hartz-IV-Empfänger sollte 60 Tagessätze á 30 Euro, also unterm Strich 1800 Euro zahlen. Gegen diesen Strafbefehl hatte er Einspruch eingelegt. So kam es zu dem Prozess vor dem Amtsgericht.

Ausgerechnet neben Willy Brandt

Es wurde ein kurzer Prozess. Frank L. verlas zunächst mit unsicherer Stimme eine Erklärung zu seiner Motivation: Er sei „ein Mensch mit politischem Bewusstsein“, sagte er, der sich schon immer sehr für die Geschichte des 20. Jahrhunderts interessiert habe. „Ich habe es für schwer verkraftbar gehalten, den Massenmörder Adolf Hitler nur 500 Meter entfernt vom Mahnmal für die ermordeten Juden zu zeigen.“ Zudem habe ihn empört, dass Hitler ausgerechnet zusammen mit dem Alt-Bundeskanzler Willy Brandt „den Mittelpunkt der neu eröffneten Ausstellung bildete“.

Auf die Idee für diesen Anschlag war Frank L. nach eigener Beschreibung am Abend zuvor in seiner Kreuzberger Stammkneipe „Schlawinchen“ gekommen. Mehrere Besucher des Lokals hätten ihren Unmut über die Hitler-Figur geäußert. Und im Laufe des Abends habe er dann die Absicht verkündet, am Eröffnungstag aktiv zu werden. Anschließend gab es für ihn offenbar kein Zurück. „Ich habe mich gewissermaßen einschwören lassen“, sagte er. Die Meinung der Freunde sei ihm sehr wichtig. „Ich habe mich dafür verbürgt, dass ich den Hitler zerstöre.“

Die Euphorie verflog jedoch schnell. Auf dem Weg von der Kneipe nach Hause folgte die Ernüchterung. Er sei ins Grübeln gekommen, sagte der Angeklagte. Und am nächsten Tag, während der langen Zeit in der Warteschlange vor dem Wachsfigurenkabinett, seien die Zweifel noch gewachsen. Der Gedanke an seine Mutter habe ihm aber neue Kraft gegeben. Das Bild, wie sie in der Berliner Trümmerlandschaft aufgewachsen sei.

Wiederholen, so Frank L., würde er diese Tat jedoch nicht. Und es tue ihm auch sehr leid, dass ein Wachmann zu Schaden gekommen sei. „Ich habe mich schon vor Monaten dafür bei ihm entschuldigt.“

Diese Einsicht machte es der Strafrichterin leicht, die Strafe zu halbieren. Statt 1800 Euro soll Frank L. jetzt 900 Euro zahlen. Es sei im Moabiter Kriminalgericht so üblich, dass Hartz-IV-Empfänger als Tagessatz nur 15 Euro zahlen, begründete sie das Urteil.

Frank L. eilte nach dem Urteilsspruch durch das Blitzlichtgewitter der Fotografen. Fragen der Reporter beantwortete er mit: „Kein Kommentar.“ Sein Verteidiger zeigte sich mit dem Ausgang des Prozesses sehr zufrieden. Nicht zuletzt, weil das Management des Wachsfigurenkabinetts nach dem Anschlag auf die Hitler-Figur reagiert habe. Vorher war es eine Figur, die der faschistischen Ideologie entsprochen habe: „Ein energiegeladener Hitler mit dämonischem Blick.“ Jetzt werde „Hitler als gebrochener Mann gezeigt“.

Offen ist noch, wie der Sachschaden geregelt wird. Nach Auskunft des Verteidigers wird es vermutlich einen weiteren Prozess geben. Aber diesmal vor einem Zivilgericht.