Zahlreiche Bezirksämter fühlen sich beim Kampf gegen das Abfallproblem vom Senat im Stich gelassen und fordern eine konzertierte Aktion für die gesamte Stadt. Joachim Zeller (CDU), Stadtrat und stellvertretender Bürgermeister in Mitte, will Innensenator Ehrhart Körting (SPD) in die Pflicht nehmen: „Es kann nicht sein, dass dieses wiederkehrende Chaos allein den Ordnungs- und Grünflächenämtern überlassen bleibt.“ Allein aus personellen Gründen sei das Ermitteln von Umweltsündern durch die Bezirksämter nicht realistisch.
Stadtrat Zeller fordert eine bessere personelle Ausstattung der Ordnungsämter oder die Einbeziehung von Polizeikräften bei der Fahndung nach Grillsündern. „Als es um die Einführung der Kfz-Umweltplaketten ging, marschierte der Senat bundesweit vorneweg. Warum nicht beim Müllproblem?“
Gesetzlich klar geregelt
Die Reaktion von Innensenator Ehrhart Körting (SPD) ließ nicht lange auf sich warten. Dem Vorwurf „mangelnder Unterstützung“ durch den Senat wurde entschieden widersprochen. „Die Zuständigkeiten sind gesetzlich klar geregelt. Wenn es um vermüllte Parks geht, sind originär die Bezirke und ihre Ordnungsämter zuständig und nicht etwa die Polizei“, stellte Körtings Sprecherin Nicola Rothermel klar. Dennoch würde die Polizei auf entsprechendes Ersuchen der Bezirke unterstützend tätig.
Ostern scheint das offensichtlich nicht geklappt zu haben, denn auf eine entsprechende Anfrage von Morgenpost Online zum Oster-Müll-Wochenende ließ Polizeipräsident Dieter Glietsch erklären: „Dem Bezirksamt wurde am 7. April (eine Woche vor Ostern, die Red.) mitgeteilt, dass am Osterwochenende aufgrund der Einsatzlage und Kurzfristigkeit ... keine Mitarbeiter für Maßnahmen zur Bekämpfung des verbotswidrigen Grillens zur Verfügung stehen“.
Neben Stadtrat Zeller vermisst auch sein Kollege Klaus-Dieter Gröhler (CDU, Charlottenburg-Wilmersdorf) die Unterstützung durch den Senat. So sieht er es als „erschwerend für die Aufklärung“ an, dass die Mitarbeiter des Ordnungsamtes ihren Dienst nur in Uniform versehen dürfen. Sobald sie auftauchen, werden die Hundehaufen beseitigt, und Radler benutzen die vorgeschriebenen Wege. Selbst Grills verschwinden plötzlich in großen Taschen. Deshalb hatte beispielsweise Charlottenburg-Wilmersdorf bereits 2005 die Senatsinnenverwaltung gebeten, dass die Kräfte auch in Zivil arbeiten dürfen.
Das Thema wurde damals im Fachausschuss des Rates der Bürgermeister besprochen. „Die Körting-Behörde entschied aber, dass es aufgrund der Rechtsordnung unzulässig wäre, wenn die Mitarbeiter in Zivil-Kleidung arbeiten würden. Aus politischen Gründen sollte es aber auch nicht geändert werden“, erinnert sich Gröhler. Er würde es für sehr viel effektiver halten, wenn die Außendienst-Mitarbeiter von Mal zu Mal in Zivil unterwegs sein könnten: „Das wäre dann wie bei den Kontrolleuren der BVG, die ihre Dienstausweise zeigen.“
Selbst Gröhlers Nachfolger als Chef des Ordnungsamtes, SPD-Stadtrat Marc Schulte, fragte Anfang 2008 in der Senats-Innenbehörde noch einmal nach, ob Zivilkleidung nicht doch möglich sei. Doch auch er erhielt wieder die gleiche abschlägige Antwort: Es sei nicht die vordringliche Aufgabe der Ordnungsämter Strafen zu verhängen, sondern durch Präsenz im Stadtbild Ansprechpartner und Dienstleister für die Bürger zu sein. Aufklärung und Prävention seien die Hauptaufgabengebiete.
Grillplätze mit Zaun sperren
Zum Problem des Großen Tiergartens sieht Joachim Zeller im Gegensatz zu Neuköllns Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky (SPD) den beliebten Park nicht „als verloren“ an. „Wenn gar nichts hilft, müssen die voll gemüllten Grünflächen für drei, vier Wochen gesperrt werden“, regt er als Sofortmaßnahme an. Vielleicht würde diese „Erziehungsmaßnahme“ den erwünschten Erfolg bringen und jeder nimmt seinen Müll wieder mit. Auch Stephan von Dassel (Grüne), Stadtrat für Bürgerdienste und Soziales in Mitte, kann sich eine derartige Lösung vorstellen: „Mit einem Zaun könnte man die zentralen Grünflächen nach einem Müll-Wochenende für zwei Wochen absperren.“ Vielleicht könne so mehr Sauberkeit erzwungen werden. Er nennt als positives Beispiel den Volkspark Rehberge in Wedding: „Hier entsorgen die Griller und Picknickfreunde ihren Müll selbst. Da achtet jeder auf den anderen.“
Als eine weitere Möglichkeit könnten auch – so Mittes Stadträte – Grillgebühren erhoben werden. „Man hätte so zwangsläufig eine bessere Kontrolle, da unsere Mitarbeiter unmittelbaren Kontakt mit den Betroffenen haben“, meinen sie. Allerdings würde man wieder die Berliner zur Kasse bitten. „Eigentlich wollen wir das vermeiden“, versichert Zeller.
Häftlinge beseitigen Müll
Im Kampf gegen den Müll setzen vier der zwölf Bezirke auf den Einsatz von Häftlingen. Rund 120 sogenannte Freigänger aus Gefängnissen der Hauptstadt seien momentan in Marzahn-Hellersdorf, Reinickendorf, Steglitz-Zehlendorf und Lichtenberg-Hohenschönhausen im Einsatz, teilte die Justizverwaltung gestern mit. Sie können von den Natur- und Grünflächenämtern zum Rasenmähen, Müllsammeln oder auf Friedhöfen eingesetzt werden.
Die Arbeitstrupps kosteten die Bezirke nichts, sagte ein Sprecher. Die Hilfskräfte kommen aus den Anstalten des offenen Vollzugs in Düppel, Hakenfelde und Plötzensee. Die dort Inhaftierten können die Anstalt tagsüber für eine Arbeit verlassen, zum Schlafen müssen sie zurückkehren.