Mehr als jeder vierte Autofahrer in Berlin, der 2009 einen Unfall verursachte, versuchte unerkannt zu entkommen. Darunter waren mehr Männer als Frauen. Oft war Alkohol am Steuer der Grund. Mehr als die Hälfte der Unfallfahrer macht die Polizei in der Regel nicht ausfindig.

125.000 Unfälle gab es im vergangenen Jahr in Berlin, in 26.700 Fällen versuchte ein Fahrer unerkannt zu fliehen. Täter seien sowohl Jugendliche, als auch Erwachsene und Rentner, sagte Markus van Stegen, stellvertretender Sachbereichsleiter für Verkehr im Stab des Polizeipräsidenten. „Es zieht sich über die gesamte Bandbreite der Altersstruktur. Man kann aber sagen, dass Männer wohl häufiger Fahrerflucht begehen als Frauen, weil sie auch häufiger angetrunken oder betrunken Auto fahren.“

Alkohol sei eines von vielen Motiven der Täter. „Der eine will andere Verstöße oder Taten verdecken: Dass er betrunken war, keinen Führerschein hatte, das Auto gestohlen oder nicht versichert war“, sagte van Stegen. „Andere fürchten die Strafe, weil sie schon viele Punkte in Flensburg haben oder sie wollen nicht, dass ihre Versicherungsprämie steigt.“ Manche Autofahrer würden auch zu spontan, emotional und unüberlegt handeln, weil sie mit der Situation nicht umgehen könnten.

„Unfallflucht fängt nicht erst bei Horrorszenarien mit toten Kindern an. Man muss auch bei Blechschäden für den Schaden gerade stehen“, sagt der Hamburger Verkehrspsychologe Jörg-Michael Sohn. „Viele flüchten, weil sie unter Alkoholeinfluss einen Unfall bauen und die Trunkenheit vertuschen wollen. Dabei macht Abhauen eine schlimme Situation noch schlimmer“, sagt der Verkehrspsychologe Sohn. Andere hätten Angst vor Geldstrafe oder Führerscheinverlust.

Die Aufklärungsquote lag in den vergangenen Jahren zwischen 42 und 48 Prozent. 2006 etwa habe die Polizei in 30 Prozent der Fälle den Fahrer und in 18 Prozent das Autokennzeichen ermittelt, sagte van Stegen. Die Spurensicherung arbeite ähnlich wie bei der allgemeinen Kriminalität. „Da gibt es ein Riesenspektrum, etwa Datenbanken zu Glassplittern oder Lackspuren. Ideal für uns sind natürlich Zeugen.“

2009 waren in 53 Prozent der Fälle von Fahrerflucht Autofahrer beteiligt. In 10,5 Prozent der Fälle waren es Lastwagenfahrer, die Fahrradfahrer machten 2,5 Prozent aus. In 31 Prozent der Fälle blieb das Fahrzeug unbekannt. Am häufigsten geschieht Unfallflucht tagsüber in der Woche, wenn auch viele Menschen mit dem Auto unterwegs sind und es eng auf den Straßen ist.

Mehr Fluchten, weniger Verletzte

Das Polizeipräsidium Potsdam meldete 2009 7187 Fälle von Unfallflucht, das waren 3,4 Prozent mehr als 2008Umfrage. Bei den meisten waren lediglich Blechschäden zu beklagen. Allerdings wurden auch 415 Menschen leicht beziehungsweise schwer verletzt (minus 5 Prozent). Getötet wurde niemand, im Jahr 2008 verlor dagegen eine Person bei einem Unfall mit Fahrerflucht ihr Leben. Laut Statistik ist die Zahl der Fluchten seit 2005 gestiegen, gleichzeitig wurden im selben Zeitraum weniger Menschen dabei verletzt oder getötet.

Im Bereich des Polizeipräsidiums Frankfurt (Oder) verließen 2009 in 7435 Fällen Fahrer unerlaubt den Unfallort, im Vorjahr waren es 7025. In beiden Jahren konnte die Polizei nach eigenen Angaben jeweils knapp 3000 Flüchtige fassen – dabei stellte sich heraus, dass es meistens Männer waren, die einfach weggefahren waren.

Wer den Vorfall zu spät meldet, hat auch schlechte Karten: „Da denken einige, dass sie ihrem Nachbarn auch erst morgen von der Beule an dessen Wagen erzählen können“, sagt Verkehrspsychologe Sohn. In seltenen Fällen sei die Flucht unbewusst – wenn ein Fahrer den Unfall einfach nicht bemerkt habe.

Dabei gilt: Unabhängig von der Schuldfrage ist es Pflicht, das Geschehen sofort zu melden und für die Beweisaufnahme an Ort und Stelle zu bleiben. „Anderenfalls kann das Verhalten als Straftat mit Geldstrafen in individuellen Tagessätzen geahndet werden“, erläuterte Sohn.

Bei Verletzungen ist ein Attest notwendig

Wer aber erst einmal alleine mit dem Schaden dasteht, kann sich an die Verkehrsopferhilfe wenden. „Diese Einrichtung der deutschen Autohaftpflichtversicherer steht den Geschädigten in solchen Sonderfällen bei“, sagt Christian Lübke vom Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft in Berlin. „Falls ein Anspruch auf Hilfe besteht, wird der Fall an das Versicherungsunternehmen weitergeleitet.“ Wichtig sei, den Unfall genau zu dokumentieren.

„Am besten ist es, wenn man die Polizei ruft und den Unfall aufnehmen lässt.“ Es sollten möglichst auch Zeugen benannt werden. „Bei Körperschäden braucht man außerdem ein ärztliches Attest.“ Lübke ergänzte: „Je besser alle Details zum Unfallhergang festgehalten werden, desto schneller kann die Entschädigung für den Fahrzeug- oder Körperschaden ausgezahlt werden.“

Dass Flüchtige nicht nur Blechschäden hinterlassen, zeigen zwei Beispiele: Im April 2009 überschlug sich auf der Autobahn 24 ein Fahrer mit seinem Wagen, die drei Insassen wurden schwer verletzt. Der Unfallverursacher raste davon, konnte aber laut Polizei später gefasst werden. Die Folge: Strafanzeige. Erst am vergangenen Dienstag stieß ein Autofahrer in Tauche (Oder-Spree) mit einem 72 Jahre alten Radfahrer zusammen. Der Unbekannte hielt an, als er aber sah, dass sich der Rentner nach dem Sturz wieder aufrappelte, gab er Gas und entwischte. Das Opfer blieb mit Verletzungen an Hand und Knie zurück.