Canisius-Kolleg

Bis zu 10.000 Euro für Missbrauchsopfer gefordert

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Regina Köhler
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Zahl der Opfer am Canisius-Kolleg steigt

Immer mehr Opfer und ehemalige Schüler des Canisius-Kollegs melden sich. Mittlerweile wird die Zahl der Missbrauchsopfer im dreistelligen Bereich vermutet.

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An katholischen Schulen wie dem Berliner Canisius-Kolleg gibt es mehr Missbrauchsopfer als bisher bekannt. Mehr als 100 ehemalige Schüler hätten sich bei ihr gemeldet, sagte die vom Jesuiten-Orden mit der Untersuchung der Vorwürfe beauftragte Berliner Rechtsanwältin Ursula Raue. Erstmals wurden jetzt Entschädigungssummen genannt.

Mehrere Opfer im Missbrauchskandal am Berliner Canisius-Kolleg verlangen jetzt eine Entschädigung. Die Berliner Anwältin Manuela Groll, die gegenwärtig neun Betroffene vertritt, sagte, dass es sich dabei um Summen zwischen 5000 und 10.000 Euro pro Fall handeln könnte. „Meine Mandanten sind mit einer Entschuldigung nicht zufrieden, sondern erwarten eine Entschädigung vom Orden“, so Groll. Zunächst werde man jedoch abwarten, was der Orden dazu sage. „Eine außergerichtliche Einigung in dieser Sache wäre jedenfalls das richtige Zeichen für die Opfer“, sagte Groll. Der Orden sollte eine Idee entwickeln, bevor eine Sache losgetreten werde, die nicht mehr zu beherrschen sei, betonte die Rechtsanwältin.

Pater Klaus Mertes, Rektor des Berliner Canisius-Kollegs, räumte ein, dass es Entschädigungen geben könnte. „Über diese Frage muss allerdings die Ordensleitung in München oder gar in Rom befinden“, sagte er. Er selbst habe im Augenblick keine Zeit, sich mit Entschädigungsforderungen zu befassen, betonte Mertes. Gegenwärtig gelte es, das Schiff durch die stürmische See zu steuern. „Es ist nicht entscheidend, ob diese Frage jetzt oder in zwei Monaten beantwortet wird“, so Mertes.

Misstrauen gegenüber der Beauftragten des Ordens

Rechtsanwältin Groll betonte überdies, dass etliche Betroffene die Missbrauchsbeauftragte des Ordens nicht für die richtige Ansprechpartnerin hielten. „Frau Raue scheint noch immer davon auszugehen, dass es sich hier um Einzelfälle handelt“, so Groll. Mandanten hätten ihr berichtet, dass sie sich von der Missbrauchsbeauftragten nicht angemessen behandelt fühlten. Viele hielten die Missbrauchsbeauftragte des Jesuitenordens, Ursula Raue, zudem für befangen, weil sie vom Orden bezahlt werde.

Pater Klaus Mertes, Rektor des Canisius-Kollegs, brachte am Montag erneut sein volles Vertrauen gegenüber Ursula Raue zum Ausdruck. „Frau Raue ist eine unabhängige Beauftragte des Ordens“, sagte er. Als Gründerin und Präsidentin des Vereins „innocence in danger“, der seit Jahren gegen Kinderpornografie vorgehe, sei sie genau die Richtige für diese Aufgabe. „Die Opfer können sich natürlich wenden, an wen sie wollen. Frau Raue aber ist das Angebot des Ordens für all jene, die mit dem Orden sprechen wollen“, betonte Mertes. Das Canisius-Kolleg sei die einzige Schule in Berlin, die bereits seit einigen Jahren eine unabhängige Anlaufstelle für die Meldung von Missbrauchsfällen habe.

Mertes zeigte sich äußerst betroffen darüber, dass sich bundesweit inzwischen mehr als 100 Betroffene gemeldet haben. „Ich bin aber von Anfang an davon ausgegangen, dass es derart viele Opfer sein könnten“, betonte er. Dieser schrecklichen Wahrheit gelte es jetzt ins Gesicht zu sehen. „Der Jesuitenorden muss diese Wahrheit anhören, alles andere wäre Verrat am Evangelium.“

Gegenwärtig laufen am Canisius-Kolleg die Aufnahmeverfahren

Rektor Mertes hatte Berichte über sexuelle Übergriffe zweier Patres am Canisius-Kolleg in den 70er- und 80er-Jahren öffentlich gemacht. In einem Brief entschuldigte er sich bei ehemaligen Schülern der betroffenen Jahrgänge und rief dazu auf, „das Schweigen zu brechen“. Die Taten sind mittlerweile verjährt. Seit Bekanntwerden der sexuellen Übergriffe am Gymnasium in Berlin meldeten sich auch Absolventen anderer Jesuitenschulen etwa in Bonn und Hamburg.

Gegenwärtig laufen am Canisius-Kolleg die Aufnahmeverfahren für Schüler, die die fünften oder siebten Klassen des Gymnasiums besuchen wollen. Es gibt Tests und Eignungsgespräche. Auf 90 Plätze haben sich laut Schulleiterin Gabriele Hüdepohl 300 interessierte Schüler beworben. Niemand habe nach Bekanntwerden der Missbrauchsfälle seine Bewerbung zurückgezogen, betonte die Schulleiterin. Die Vorkommnisse seien aber durchaus ein Thema im Schulalltag. „Wir wollen das Vorgefallene aufarbeiten.“