War Hassan bei dem Juwelen-Coup im KaDeWe, oder Abbas? Oder hatten beide die bis heute verschwundene Beute aus dem Nobelkaufhaus geschafft? An dieser Frage sind die Strafverfolgungsbehörden jetzt gescheitert. Wie befürchtet, konnte die bei dem Millionen-Raub gesicherte DNS-Spur keinem der Zwillingsbrüder eindeutig zugewiesen werden. Genau fünf Wochen nach der Festnahme der 27-Jährigen wurde die Untersuchungshaft aufgehoben.
Aber ist das – vorläufige – Glück der polizeibekannten Brüder einfach Zufall, oder hat nicht eher der Kopf der Bande die Chancen von eineiigen Straftätern vorausschauend rational einkalkulier? Nach dem Motto: Wenn schon Spuren entdeckt werden, dann bitte keine verwertbaren. Ohnehin glauben Kriminalexperten nicht unbedingt, dass die beiden relativ schnell gefassten Tatverdächtigen in der Lage gewesen wären, den Plan für den hochprofessionell erdachten und militärisch präzise ausgeführten Einbruch zu entwickeln. Bis heute ungelöst ist die Frage, wie es den Tätern gelingen konnte, die Sicherheitsvorkehrungen im KaDeWe zu umgehen und beispielsweise die Bewegungsmelder zu manipulieren.
Wahrscheinlicher erscheint, dass Hassan und Abbas O. zuunterst in der Hierarchie innerhalb der Bande standen. Dass sie lediglich die Schmuckstücke und Uhren aus dem Kaufhaus zu schaffen hatten, die einer ihrer höherrangigen Komplizen im Christ-Juweliershop zuvor ausgewählt hatte. Dabei und beim Aufbrechen der Vitrinen und zusammenraffen der Beute, dürfte die größte Gefahr bestanden haben, Spuren jedweder Art zu hinterlassen. Dem Hirn der Einbrecherbande sollte dieser Umstand kaum entgangen sein.
Die Überwachungskameras im Kaufhaus hatten am 25. Januar drei vermummte Personen bei dem Beutezug festgehalten. Vermutlich mindestens ein Komplize, eher zwei weitere Täter blieben außerhalb der Reichweite der Kameras. Außerhalb des Gebäudes am Wittenbergplatz, beziehungsweise weiter abseits im Hintergrund. Die Ermittler des Landeskriminalamtes gehen von mindestens drei Tatbeteiligten aus.
Erst im Alter werden Zwillinge unterscheidbar
Hassan und Abbas O. waren am 11. Februar festgenommen worden. Beamte eines Mobilen Einsatzkommandos (MEK) aus Berlin hatten die Brüder bei Rotenburg in Niedersachsen ausfindig gemacht. Über Stunden hatte der MEK-Trupp eine Spielhalle auf einem Autohof bei Bockel direkt neben der Autobahn A1 im Visier. In einem günstigen Moment schlugen die Polizisten zu und überrumpelten die 27-Jährigen. Doch auch die Tatortspuren und die bei den Durchsuchungen sichergestellten Beweismittel können die Zwillinge nicht überführen.
Die DNS, die die Polizei am Tatort gefunden hat, kann weder Abbas noch Hamas O. mit Sicherheit zugewiesen werden. Die im KaDeWe hinterlassenen Körperzellen der Täter beweisen nach Angaben der Staatsanwaltschaft Berlin nur, dass einer der beiden am Einbruch beteiligt war – aber leider nicht welcher. „Eineinige Zwillinge entstammen der gleichen Eizelle, deshalb unterscheiden sich ihre genetischen Merkmale nicht“, sagt Karl Sperling, Leiter des Instituts für Humangenetik der Charité Berlin. Erst mit dem Alter würden sich Unterschiede entwickeln. Zellen können spontan mutieren, im schlimmsten Falle zu einem Tumor. Auch die chemische Zusammensetzung verändert sich im Lauf des Lebens und eineiige Zwillinge sind dann nicht mehr zu verwechseln. Diese feinen Unterschiede können bereits ermittelt werden. Doch was in den Laboren der Genetik-Forscher bereits eine gängige Methode ist, darf vor Gericht nicht verwendet werden. „Das Verfahren ist sehr kompliziert und noch nicht so alt, dass es als sicherer Beweis vor Gericht gilt“, sagt Sperling. Der Gen-Experte vermutet außerdem, dass in den Spuren am Tatort - möglicherweise Schweiß, Blut oder Speichel - nicht genügend Körperzellen vorhanden waren, um die Zellchemie genauer bestimmen zu können.
Genetische Merkmale der Männer waren bereits gespeichert
Bei einer Analyse des genetischen Erbguts werden bislang 16 Bereiche aus zwei Proben verglichen. „Bis auf eineiige Zwillinge hat jeder Mensch eine einmalige DNS“, sagt Sperling. Normalerweise würde das gängige Verfahren ausreichen, um die Täter zu überführen.
Ironie des Schicksals: Die DNS-Spur hatte die Ermittler vom Landeskriminalamt ursprünglich auf die Fährte der libanesischen Zwillinge gebracht – die genetischen Merkmale der beiden hatte die Polizei bereits bei früheren Verhaftungen registriert.
Von den erbeuteten Uhren und Juwelen konnte die Kripo noch nichts auffinden. Auch zu den Drahtziehern liegt noch keine heiße Spur vor. Hassan und Abbas O. verließen am Mittwoch – abgeschirmt durch Anwälte – das Untersuchungsgefängnis Moabit. Sie würden umgehend nach Rotenburg abreisen, so ein Verwandter. Die Zwillinge ließen ausrichten, dass sie „stolz sind auf den deutschen Rechtsstaat und ihm danken“.