Wo einst in Karlshorst-Ost die Nazi-Wehrmacht ihre Festungspionierschule und der sowjetische Geheimdienst KGB seine größte Auslandsresidenz hatte, entsteht ein stilvoller Wohnpark. Auf dem Mega-Areal von 46 Hektar an der Zwieseler Straße sollen in sieben denkmalgeschützten ehemaligen Kasernen bis Mitte 2012 exakt 300 Eigentumswohnungen geschaffen werden. Dazu gesellen sich 40 Wohnungen in neuen Reihenhäusern. Jahrelang herrschte dort die beklemmende Atmosphäre einer verfallenen, grauen Geisterstadt.
Bereits im Frühjahr beginnen die Bauarbeiten für den ersten Wohnblock mit Maisonette-Wohnungen in ausgebauten Dachgeschossen. Ende des Jahres sollen die ersten 28 Eigentümer oder Mieter einziehen. Insgesamt werden bis zu 40 Millionen Euro von einer Investorengruppe namens „Projekt Rentenvorsorge“ investiert. Die reinen Baukosten betragen etwa 28 Millionen Euro.
Die Gruppe kaufte die Immobilie vom Bund, der auf dem Gelände nach dem Berlin-Umzug der Regierung ursprünglich 1200 Wohnungen für Bundesbedienstete aus Bonn errichten wollte, mit Golfplatz und Schwimmhalle im Umfeld. Doch die Bonner Beamten zeigten kein Interesse, auf den Spuren des KGB zu wandeln. Zur jetzigen Investorengruppe gehören die Firma Nordland Investment aus Langenhagen bei Hannover in Niedersachsen und die Wirtschaftscontor Mitteldeutschland GmbH aus Magdeburg.
Beide Unternehmen haben bereits alte preußische Festungskasernen in der sachsen-anhaltinischen Landeshauptstadt zum mondänen Wohnquartier mit 400 Wohnungen umgebaut. Für die Vermarktung der neuen Immobilien in Karlshorst ist die Berliner Desakon GmbH aus Wilmersdorf zuständig. Projektleiter Jörg Bohmfalk: „Wir sind gut im Rennen und haben binnen kurzer Zeit schon 60 Wohnungen in drei Häusern verkauft.“ Pro Quadratmeter Wohnraumfläche sind 2080 Euro zu bezahlen. Die Größen reichen vom 43-Quadratmeter-Single-Apartment bis zur 105-Quadratmeter-Fünfzimmerwohnung.
Lichtenbergs Baustadtrat Andreas Geisel (SPD) sagt: „Dass aus dem verwahrlosten, grauen Gelände an der Zwieseler Straße ein Wohnpark wird, bedeutet eine deutliche Aufwertung für Karlshorst.“ In dem Ortsteil gebe es schon lange eine große Nachfrage nach familiengerechten Wohnungen. Es fehlten gerade größere Wohnungen für Familien mit mehreren Kindern. Besonders deren Zuzug von Friedrichshain und Prenzlauer Berg nach Karlshorst nehme immer mehr zu.
Im Zuge der Sanierung würden alle Gebäude entkernt, klassizistische Fassaden blieben erhalten. Der Ausbau der Dachgeschosse und der Anbau von Terrassen oder Balkonen sei vom Denkmalschutz erlaubt worden. Neue Straßen und gepflegte Parks werden auf dem Gelände angelegt, so der Baustadtrat.
Bohmfalk kündigte an, dass historische Hinterlassenschaften aus der Nazi- und KGB-Zeit erhalten werden. Das Holzgestühl aus dem großen Hörsaal werde dem Berliner „Unterwelten“-Dokumentar-Theater für seine Vorstellungen in unterirdischen Bauten zur Verfügung gestellt, so im ehemaligen Bunker am Blochplatz in Gesundbrunnen. Andere Zeitzeugnisse der Vergangenheit wie abhörsichere Telefonanlagen, Panzerschränke, ein Billardtisch oder Wandgemälde mit sowjetischen Motiven solle das benachbarte Deutsch-Russische Museum erhalten. Es befindet sich im ehemaligen Offizierscasino der Pionierschule, wo am 8.Mai 1945 die bedingungslose Kapitulation Hitler-Deutschlands unterzeichnet und damit das Ende des Zweiten Weltkrieges besiegelt worden war.
Der Bau der Festungspionierschule für die Ausbildung von technischen Spezialtruppen der Wehrmacht hatte 1936 begonnen. Sie entstand als Mischung von Hochschule und Kaserne in den strengen Formen der NS-Architektur. Die Einrichtung diente auch der Vorbereitung des Zweiten Weltkrieges. Stabsoffiziere wurden im modernen Festungsbau ausgebildet. Es gab einen großen Sportplatz, eine Schwimm- und Reithalle, einen Schießplatz und viele Kraftfahrzeughallen.
Auch deshalb nahm 1945 auf dem Karlshorster Gelände die Sowjetische Militäradministration ihren Sitz, später zog das Oberkommando der Roten Armee ins brandenburgische Wünsdorf. Die Pionierschule wurde 1950 zur KGB-Spionagezentrale und zum Sitz des Auslandsmilitärgeheimdienstes. Von hier aus wurden die bedeutendsten Auslandsoperationen im „Kalten Krieg“ gesteuert. Zeitzeugen berichten, dass von diesem abgeschotteten Terrain aber auch sowjetische Panzer ausrückten, die im Juni 1953 den Arbeiteraufstand in Berlin niederschlugen. 1994 zogen die nunmehr russischen Streitkräfte ab.
Ängste der Anwohner vor einem Ausbau der Zwieseler Straße und damit verbundene zusätzliche Kosten zerstreute jetzt Stadtrat Geisel. Bei täglich zusätzlich erwarteten 250 bis 300 Pkws sei dies nicht erforderlich. Eine Ausschreibung für Eigenheimgrundstücke gebe es auch für andere Teile des früheren Militärgebietes Richtung Norden zur Robert-Siewert-Straße. Die künftigen Investoren planen auch den Bau einer Kita. Zur Nutzung ehemaliger Luftschiff- und Flugzeughallen aus dem Ersten Weltkrieg im Umfeld liegen noch keine konkreten Projekte vor. Südlich der S-Bahn-Trasse hinter der Trabrennbahn Karlshorst wächst die Eigenheimsiedlung „Carls Garten“.