Polizisten bringen sich abends vor einer Kirche in Position und warten auf einen jungen Mann, um ihn festzunehmen. Diese Szene spielte sich Montagabend mitten in Berlin ab. Ein Tschetschene, der abgeschoben werden soll, hat bei einer Kirchengemeinde Asyl gefunden.

Die Berliner Galiläa-Samariter Kirchengemeinde gewährt, wie sie erst jetzt öffentlich machte, seit 12. Februar einem 26-jährigen Tschetschenen Kirchenasyl. Dem mehrfach in seinem Heimatland festgenommenen und gefolterten jungen Mann werde aus humanitären Gründen der Schutzraum der Kirche zur Verfügung gestellt, teilte die evangelische Gemeinde mit. Der Mann befinde sich derzeit wegen einer verfolgungsspezifischen Traumatisierung und anderer Krankheiten in ärztlicher Behandlung.

Die Friedrichshainer Kirchengemeinde hat nach eigenen Angaben in den vergangenen Wochen mehrfach vergeblich versucht, im Gespräch mit der Senatsinnenverwaltung eine humanitäre Lösung zu erreichen. Die Polizei unternahm hingegen bereits mehrere Versuche, den Tschetschenen festzunehmen. Allerdings sei bislang der Schutzraum der Gemeinderäume respektiert worden, hieß es. Zuletzt hatten sich am Montagabend mehrere Polizisten während eines Gottesdienstes vor der Samariterkirche versammelt. Daraufhin habe man sich entschlossen, die Öffentlichkeit über den Fall zu informieren, hieß es weiter.

Die Kirchengemeinde rief die Senatsinnenverwaltung in einer Pressemitteilung auf, den Schutzraum der Kirche auch weiterhin zu respektieren und keinen gewaltsamen Zugriff auf den Tschetschenen zu versuchen. Auch die Berliner Kirchenleitung unter Bischof Wolfgang Huber, den die Gemeinde mittlerweile ebenfalls über den Fall informiert hat, hat die Senatsinnenverwaltung auf, den Schutzraum der Kirche weiterhin zu respektieren und keinen gewaltsamen Zugriff auf den Tschetschenen zu versuchen.

Der Mann ist der Sohn eines ermordeten Oppositionellen

Die Berliner Ausländerbehörde will nach Angaben von Rechtsanwältin Antonia von der Behrens ihren kranken Mandanten bis spätestens 10. März nach Polen abschieben, da sonst Deutschland für das Asylverfahren zuständig wird.

Der Tschetschene hatte laut seiner Rechtsanwältin im November 2007 seine Heimat verlassen. Als Sohn eines inzwischen ermordeten Oppositionellen sei er selbst der Verfolgung durch die Russland-treue Regierung in Tschetschenien ausgesetzt. Zusammen mit seiner Mutter und Schwester sei er daher zunächst nach Polen geflohen. Im Juni 2008 sei er dann alleine nach Deutschland weitergereist, aus mangelndem Schutz vor Übergriffen tschetschenischer Sicherheitskräfte und unzureichender ärztlicher Versorgung, wie es hieß. Am 7. Juli 2008 beantragte er Asyl in Berlin. Die Ausländerbehörde will den Tschetschenen abschieben, da Polen als sogenanntes Ersteinreiseland für das Asylverfahren zuständig ist.

Asylrecht-Experten sprechen von einem auffällig hohen Druck, den die Innenbehörden in diesem Fall ausüben, „ungewöhnlich für die Berliner Szene“, wie es hieß. Einen gewaltsamen Bruch eines Kirchenasyls habe es in der Bundeshauptstadt bisher noch nie gegeben.

Die Senatsinnenverwaltung bestätigte, von dem Fall Kenntnis zu haben. Man wolle die „Verhältnismäßigkeit der Mittel wahren“, sagte die Sprecherin von Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD), Nicola Rothermel. Die Polizei werde sicher auch in diesem Fall mit dem notwendigen Fingerspitzengefühl vorgehen.