Autos angezündet

Brandopfer lässt sich nicht aus Friedrichshain vertreiben

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Axel Lier, Steffen Pletl und Peter Oldenburger

Foto: Steffen Pletl

In der Nacht zu Sonntag brannte an der Eldenaer Straße ein Porsche Cayenne aus. Unbekannte Täter hatten ihn angezündet. Der Besitzer Harald-Fritz Goile ist wütend - will aber trotz des Angriffs im Kiez bleiben. Das 22. Auto in diesem Jahr brannte indes in der Nacht zu Montag in Neukölln

In Berlin ist am Sonntagabend erneut ein Auto in Flammen aufgegangen. Wie die Polizei am Montag mitteilte, bemerkten Anwohner gegen 23 Uhr auf einem Mieterparkplatz in der Neuköllner Jahnstraße einen brennenden Smart und alarmierten Polizei und Feuerwehr. Die Feuerwehr löschte den Brand. Verletzt wurde niemand. Durch die Hitzeentwicklung wurden aber ein Renault und ein Mercedes ebenfalls beschädigt. Die Polizei kann nach bisherigem Ermittlungsstand einen politischer Hintergrund ausgeschlossen werden. Daher hat ein Brandkommissariat die Ermittlungen übernommen.

Auch in der Nacht zu Sonntag waren zuvor wieder zwei Autos in Friedrichshain angezündet und so zerstört worden - wahrscheinlich aus politischen Motiven. Von den Straftätern fehlen wieder einmal verwertbare Spuren. An der Thaerstraße brannte gegen 1 Uhr zum dritten Mal in kurzer Folge ein DHL-Kurierwagen. In der Eldenaer Straße wurde zur selben Zeit ein Porsche Cayenne ein Raub der Flammen. Das Heck eines davor stehenden VW-Golf wurde beschädigt.

Einer der betroffenen Fahrzeugbesitzer ist der Immobilienkaufmann Harald-Fritz Goile aus der Eldenaer Straße. Der 43-jährige Familienvater schilderte Morgenpost Online, wie er die nächtliche Attacke auf seinen Porsche Cayenne erlebte, und wie er und seine Familie sich nach dem Anschlag nun fühlen. „Ich bin traurig, total sauer und erbost auf die feigen Brandstifter, die vielleicht glauben, sie hätten einem Bonzen weh getan“, sagt Goile. Doch der Immobilienkaufmann berichtet, dass er selbst aus einfachen Verhältnissen stamme und sich bestimmt nicht als „Kapitalist“ sehe. Die wirklich Reichen würden doch bekanntlich in anderen Stadtteilen leben – und nicht in Friedrichshain oder in anderen von Anschlägen betroffenen Innenstadtbezirken. Goile empfindet den Anschlag auf sein Auto als persönlichen Angriff.

Der 43-Jährige berichtet weiter, dass er mit sechs Geschwistern aufgewachsen ist und kurz nach dem Mauerfall aus dem Bergischen Land nach Berlin kam. Bald begann er, heruntergekommene Altbausubstanz klimafreundlich zu sanieren: Moderne Heizungsanlagen und verbesserten Dämmschutz installieren, um den CO 2 -Ausstoß zu verringern. Auch sein ab Werk nicht so klimafreundliches Auto hatte er mit einem Gastank ausgestattet. Der Tank überstand übrigens den Brandanschlag.

Luxuswagen hart erarbeitet

„Ich habe für alles, was ich habe, schwer gearbeitet“, so der 43-Jährige. Das könne man von den Tätern höchstwahrscheinlich nicht behaupten. Als geradezu „anstößig“ empfindet der selbstständige Kaufmann, dass der Wagen zerstört wurde, obwohl sich unübersehbar ein Babysitz und ein Kinderwagen darin befanden, was auch den Brandstiftern aufgefallen sein müsste, ergänzt Goile, der erst vor zwei Wochen das erste Mal Vater einer kleinen Tochter geworden ist. „Als meine Frau mitbekam, dass unser Auto brennt, hat sie bitterlich geweint. Ich musste sie erst mal beruhigen, bevor ich raus zu den Feuerwehrleuten ging.“

Ein lauter Knall hatte ihn und seine Frau kurz nach 1 Uhr aus dem Schlaf gerissen. Zunächst glaubte er, dass sei wieder so ein Feuerwerk, dass von den hier im Kiez wohnenden Autonomen veranstaltet wird. Doch beim Blick aus dem Schlafzimmerfenster sah Goile im Fenster eines gegenüberliegenden Hauses einen Feuerschein. „Ich hatte gleich befürchtet, dass mein weißer Porsche Cayenne brennen könnte. Dann klingelte schon die Polizei an der Wohnungstür“, schildert Goile die dramatischen Augenblicke der Nacht. Die Feuerwehr war zu diesem Zeitpunkt bereits alarmiert.

Der Immobilienkaufmann, der seinen vier Jahre alten Porsche immer an der Eldenaer Straße gegenüber dem ehemaligen Schlachthofgelände parkte, hatte bereits im Vorjahr schlechte Erfahrungen mit Kriminellen gemacht. „Einmal wurde eine Scheibe des Wagens mit einem Pflasterstein eingeworfen und meine Sporttasche gestohlen. Ein anderes Mal hatte jemand einen Außenspiegel einfach abgetreten. Man fühlt sich schon bedroht. Aber dennoch werde ich mich deswegen nicht aus Friedrichshain vertreiben lassen.“

Beratungen im Parlament

Die nicht enden wollende Serie der politisch motivierten Brandanschläge auf Autos in Berlin ist am Montag auch Thema im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses. Insbesondere Vertreter der Oppositionsparteien kritisieren seit längerer Zeit, dass die Bemühungen der Polizei, die Täter zu ermitteln, weitgehend ins Leere laufen.

Innensenator Ehrhart Körting (SPD) hatte vergangene Woche angekündigt, bei der Aufklärung notfalls auch die Telefonüberwachung einzusetzen. Man müsse alles Mögliche tun, um die Anschlagsserie zu beenden, dazu gehöre im äußersten Fall auch das Mittel der Telefonüberwachung, sagte Körting Morgenpost Online.

Harald-Fritz Goile glaubt nicht, dass die telefonische Überwachung Verdächtiger hilfreich wäre: „Die Leute, die diese Autos abfackeln, haben vielleicht keine Handys.“ Und manchmal erinnere ihn das Ganze an die Anfänge der Roten Armee Fraktion.

Der Polizei macht der 43-Jährige im Übrigen keinen Vorwurf. Die Beamten seien ständig im Kiez unterwegs. Schließlich könnten sie ja nicht überall sein. Die Beamten hätten ihm nach dem Brandanschlag gesagt, dass sie den auffälligen Porsche bereits observiert hätten. Geholfen hat es offenbar nicht.