Die Besetzung des Bethanienhauses in Kreuzberg geht weiter. Aber es sind nicht mehr die linken Aktivisten, mit ihnen hat der Bezirk einen Vertrag abgeschlossen. Jetzt rebelliert der renommierteste Mieter, das Künstlerhaus Bethanien. Er verweigert sich einer deutlichen Erhöhung der Miete.

Vor dreieinhalb Jahren waren linken Aktivisten in den Südflügel des ehemaligen Krankenhauses am Mariannenplatz eingestiegen und seither nutzen sie die Räume. Lange zahlten die Besetzer nichts oder wenig dafür. Nun hat der Bezirk einen Mietvertrag mit ihnen abgeschlossen. Für 1500 Quadratmeter soll der Verein Druschba, der die Besetzer vertritt, 8900 Euro monatlich aufbringen.

Doch jetzt hat der renommierteste Mieter, das Künstlerhaus Bethanien, "Mietboykott" angekündigt. "Wir machen es wie die Besetzer", sagte Künstlerhaus-Geschäftsführer Christoph Tannert: "Wir werden nicht bezahlen."

Damit eskaliert der Streit zwischen dem Bezirksamt Kreuzberg und der Kultureinrichtung, die internationalen Künstlern Ateliers bietet und anspruchsvolle Ausstellungen zeigt. Denn der Bezirk hat dem Künstlerhaus zum Jahresanfang die Miete nahezu verdoppelt. Statt 16.000 Euro warm soll Tannert nun 31.000 Euro bezahlen. "Das können wir nicht, wir sind Zuwendungsempfänger des Senats", so der Geschäftsführer. Tannert nennt die neue Forderung des Bezirks den "Höhepunkt in 30 Jahren Vernachlässigung" für die Kultureinrichtung, die sich auch im grün-alternativen Kiez nicht scheut, sich zur Begabtenförderung zu bekennen.

Der aktuelle Streit begann mit der Besetzung des Südflügels im Sommer 2005 durch die ehemaligen Bewohner des Hausprojektes Yorckstraße 59, die vom Eigentümer aus ihrem Objekt geworfen worden waren. Tannert und seine Künstler fühlten sich von den neuen Nachbarn drangsaliert, während vor allem die Grünen und die Linken im Bezirk sich tolerant gegenüber den Besetzern verhielten und eine Räumung ablehnten. Tannert fürchtete um den Ruf seiner angesehenen Institution, wenn sie in einem Atemzug mit einem soziokulturellen Zentrum für die Nachbarschaft genannt würde. Er kokettierte öffentlich damit, den Stammsitz zu verlassen, der nach den Vorstellungen des Bezirksamtes von der Gesellschaft für Stadterneuerung (GSE) betrieben werden soll.

Das Bezirksamt bemühte sich halbherzig, das Künstlerhaus in dem Gebäude zu halten. "Herr Tannert hat alle Angebote für einen neuen Mietvertrag abgelehnt", sagte die von den Grünen gestellte Baustadträtin Jutta Kalepky (parteilos). Dadurch befinde sich das Künstlerhaus nun in einer besonders schlechten Verhandlungsposition. Die von der Stadträtin unterzeichnete Zahlungsaufforderung über eine "Nutzungsentschädigung" orientiert sich jetzt an der "ortsüblichen Vergleichsmiete" von sechs Euro netto kalt im Obergeschoss und 1,50 Euro in den Kellerräumen.

Bisher habe das Künstlerhaus wie andere Nutzer auch eine Miete bezahlt, die nichts mit der Realität zu tun gehabt habe, sagte Kalepky. Nun orientiere man sich an den Kosten. Schließlich könne man die GSE nicht sehenden Auges ins Defizit schicken.

Tannert fühlt sich gegenüber den Besetzern im Südflügel benachteiligt. Man habe ihm einen Mietvertrag mit Kosten von 25.000 Euro angeboten, auch das sei kurzfristig angesichts laufender Zuwendungsverträge nicht zu finanzieren. Zumal im Bethanien schlecht gereinigt werde und die Heizung immer wieder ausfalle. Sehnsüchtig wartet Tannert darauf, das Bethanienhaus verlassen zu können. Im Frühjahr beginnen die Umbauten im neuen Künstlerhaus Domizil an der Kohlfurter Ecke Kottbusser Straße in ein Objekt des Kunstsammlers Nicolas Berggruen. Ein Jahr später will Tannert den Umzug abgeschlossen haben. Mit dem Bezirk sei die Lage "völlig verfahren".