Riskante Finanzgeschäfte könnten die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) teuer zu stehen kommen. Sie hatten mit amerikanischen Investoren Verträge über U- und Straßenbahnwagen abgeschlossen. Für beide Seiten sollten sich die Deals lohnen. Doch dann kam die Finanzkrise.
Um Risiken früherer Kreditgeschäfte abzusichern, haben die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) jetzt 156 Millionen Euro zurückgelegt. Die BVG-Spitze rechnet damit, dass mindestens die Hälfte der Summe, also rund 80 Millionen Euro, noch in diesem Jahr als Forderung fällig wird. Die Rückstellung belastet aber schon jetzt das mit etwa 750 Millionen Euro hoch verschuldete landeseigene Unternehmen.
Hintergrund für die Millionen-Risiken sind umstrittene Cross-Border-Leasing-Geschäfte. Ende der 90-er Jahre galten sie als leichte Geldquelle. Auch die BVG verkaufte in 22 Transaktionen von 1997 bis 2002 insgesamt 427 U-Bahnwagen und 511 Straßenbahnwagen an amerikanische Investoren und leaste sie für Laufzeiten zwischen 12 und 30 Jahren zurück. Die Amerikaner konnten für ihre Pseudo-Investition Steuern sparen - den Ertrag teilten sie sich mit der BVG. So erlangte Berlins landeseigener Verkehrsbetrieb einen Vorteil von 69 Millionen Euro. Die US-Regierung stopfte dieses Steuer-Schlupfloch 2004. Noch immer laufen aber 15 Verträge für 377 U-Bahnen und 134 Straßenbahnwagen.
2007, bei „Restrukturierungen“ der überaus komplizierten Kreditgeschäfte, akzeptierte die BVG dann jedoch auch sogenannte CDO (Collateralized Debit Obligation) im Wert von 200 Millionen Dollar als Sicherheiten, also Wertpapiere, die inzwischen fast wertlos sind, sogenannte "Schrottpapiere".
„Damals wurde uns gesagt, dass wir erst dann finanziell haften, wenn alle 150 Unternehmen zahlungsunfähig werden“, hieß es bei der BVG. 2008 fanden Wirtschaftsprüfer heraus, dass sie bereits dann finanziell geradestehen müsse, wenn nur 5 bis 15 Unternehmen ausfallen. Aus internen Unterlagen gehe nun hervor, dass allein bis Anfang Dezember sieben Unternehmen aus dem „Kreditportfolio“ ausgefallen seien. Wie ein BVG-Sprecher sagte, seien bisher noch keine konkreten Ausfall-Forderungen gestellt worden.
Doch es sei nur noch eine „Frage der Zeit“, wann die Forderung geltend gemacht werde, sagte BVG-Vorstandschef Andreas Sturmowski. Er kündigte eine Klage gegen den Investor an, der das Unternehmen 2007 unzureichend beraten habe.
Grüne rechnen mit "unbeherrschbaren" Risiken
Der Finanzexperte der Grünen, Jochen Esser, rechnet damit, dass sich die Schuldenlast der BVG in absehbarer Zeit auf mehr als eine Milliarde Euro steigern wird. Die finanziellen Risiken drohen unbeherrschbar zu werden, befürchtet der Haushaltexperte der Berliner CDU, Florian Graf. Beide Abgeordnete sind sich einig: Die Folgen des Finanzdesasters werden die Steuerzahlen und die Fahrgäste tragen müssen. Ein BVG-Sprecher schloss zwar Forderungen nach einer sofortigen Erhöhung der Ticketpreise aus. Es sei aber klar, dass spätestens 2010 bei Verhandlungen mit dem Senat die Frage nach einer auskömmlichen Finanzierung neu gestellt werden müsse.
Der CDU-Haushaltexperte Graf forderte den Finanzsenator und BVG-Aufsichtratschef Thilo Sarrazin (SPD) auf, die Finanzrisiken der BVG offenzulegen. Es sei erklärungsbedürftig, weshalb die BVG im Sommer 2007 derartige Risiken von der Bankgesellschaft Berlin übernommen hat. Für den Grünen-Finanzexperten Esser ist unklar, warum die BVG diese Geschäfte zu einem Zeitpunkt tätigte, als Experten bereits vor den Folgen warnten. „Offenbar haben die Verantwortlichen das Wesen dieser Geschäfte nicht verstanden und sich auf die Berater verlassen.“ Die BVG hat bereits angekündigt, gegen diese Berater – sie sollen von der US-Bank J. P. Morgan kommen – bei möglichen finanziellen Forderungen auf Schadenersatz zu klagen. fü/jof/sei