Serie "Das ist Berlin"

Drei Seen sind der Stolz der Dörfer im Osten

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Michael Mielke

Mahlsdorf liegt in Marzahn, doch das geben die Mahlsdorfer nicht gern zu. Denn hier ist es so ruhig und idyllisch, so dörflich und naturnah, dass man an die benachbarten Plattenburgen nicht denken mag. Wald und Wasser liegen gleich um die Ecke, und Berlin scheint weit weg zu sein - und ist doch genau hier.

Wenn der Mahlsdorfer im Ausland gefragt wird, wo genau denn sein Wohnort in Berlin liege, dann wird er niemals sagen: im Bezirk Marzahn-Hellersdorf. Der Mahlsdorfer antwortet: Das ist gleich neben Köpenick. „Weil Köpenick bekannter ist und wir mit den Plattenbaubezirken ohnehin wenig zu tun haben“, sagt die 69-jährige Christel Maroke. Zudem sei das Siedlungsgebiet jahrelang hin und her geschoben worden. „Mal gehörten wir zu Lichtenberg, dann zu Marzahn, anschließend zu Hellersdorf und dann wieder zu Marzahn. Aber im Grunde waren wir immer eigenständig.“

Christel Maroke wohnt schon ihr ganzes Leben in dem Großsiedlungsgebiet, zu dem neben Mahlsdorf auch die Ortsteile Kaulsdorf und Biesdorf gehören. Alle drei waren ursprünglich selbstständige Dörfer, die 1920 nach Berlin eingemeindet wurden. Sie vergrößerten sich dann Stück für Stück, nachdem Bauern an Kleinsiedler und Häuslebauer Land verkauften. Einen besonders großen Zuzug gab es nach dem Fall der Berliner Mauer. Anfang der 90er-Jahre lebten hier noch etwa 42.000 Menschen, heute sind es mehr als 70.000. Darunter viele Familien aus den Plattenbauten. Aber auch aus Brandenburg, aus den Westbezirken Berlins und den alten Bundesländern sind Zuzügler gekommen.

Berliner, Ostdeutsche, Westdeutsche

„Wir haben Kaulsdorf regelrecht entdeckt“, erinnert sich Kerstin Paulsen-Modenbach. Die 41-Jährige und ihr fünf Jahre älterer Ehemann Bernd Modenbach stammen aus Dortmund. Das Paar wohnte schon im bayerischen Bad Reichenhall, einige Zeit auch in Moabit und zuletzt im brandenburgischen Leegebruch, bevor es vor zehn Jahren in Kaulsdorf direkt am Wald ein Grundstück kaufte und für sich und die beiden damals noch sehr kleinen Kinder ein Häuschen baute.

Jeden Herbst – in diesem Jahr ist es der 15. November – feiern die Inhaber eines Ingenieurbüros für Baugrundgutachten am Sonnabend nach Sankt Martin unter ihrem Carport ein Straßenfest. Sie sind angekommen, fühlen sich hier wohl. „Wir hatten uns vorher verschiedene Gebiete in Berlin angeschaut, auch sehr noble“, sagt Kerstin Paulsen-Modenbach. Ausschlaggebend sei am Ende „die idyllische Lage“ gewesen. „Es sind nur ein paar Schritte bis in den Wald. Und in ein paar Minuten sind wir am See.“

Einwohnerzahl seit der Wende fast verdoppelt

Auch in diesem Punkt gibt es Parallelen zu Köpenick. Wer auf der B 1 vom Alexanderplatz in Richtung Frankfurt (Oder) fährt und rechts aus dem Autofenster schaut, kann sehen, was das Siedlungsgebiet unter anderem so reizvoll macht: den Butzer See, dahinter den Habermannsee und ein paar Meter weiter den Elsensee. Die Einheimischen nennen sie „die Kaulsdorfer“; oder kurz „Kauli“. Sie sind ein Dorado für Angler, Jogger, Radfahrer, Spaziergänger, Hundebesitzer und nicht zuletzt Badelustige. Was von den Wasserbetrieben und vom Bezirksamt nicht gern gesehen wird. Die Seen liegen im Trinkwasserschutzgebiet.

Gleich nebenan steht das Wasserwerk Kaulsdorf. Und genau genommen – doch kaum einer schert sich drum – ist hier Baden verboten. Abhilfe soll nach Auskunft von Baustadtrat Norbert Lüdtke der Ausbau des Elsensees zu einem „ordentlich geführten Freibad“ schaffen. Doch die Sache hat einen Haken: Das Gewässer ist in Privatbesitz, und ein Freibad würde sich nach Meinung der Eigentümerin nur lohnen, wenn sie gleichzeitig auch eine elektrisch betriebene Wasserskianlage anbieten kann. Die wollen Anwohner jedoch verhindern. Sie wollen keinen Lärm. Seit acht Jahren schon schwelt der Streit. Es gibt eine Bürgerinitiative „Elsensee“, die von der örtlichen FDP und der CDU unterstützt wird. SPD und Linke wiederum – in der Bezirksverordneten-Versammlung die Mehrheit – sind für das Projekt.

Christel Maroke sieht das alles gelassen. Sie schwärmt aber schon von den Zeiten, „als hier nur ein Kohlenauto, ein Traktor und ein Krankentransporter“ – gelenkt von ihrem Vater – durch die Gegend fuhren. „Da herrschte eine himmlische Ruhe. Und wir haben als Kinder auf der Straße gesessen und gespielt.“ Heute haben hier fast alle jungen Leute ein Auto. Auch ihr Sohn, der sich wenige Meter entfernt das Haus ihrer Eltern ausgebaut hat. Er und seine Lebensgefährtin haben seit Heiligabend einen kleinen Sohn. „Wieder ein neuer Mahlsdorfer“, sagt Christel Maroke stolz.