Ansiedlungsrekord

Berlin lockt Firmen an - ausgerechnet im Krisenjahr

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Joachim Fahrun

Die Wirtschaftsfördergesellschaft Berlin Partner war 2008 so erfolgreich wie noch nie. Durch Ansiedlungsprojekte konnten fast 6000 neue Jobs nach Berlin geholt werden - mehr als im Boomjahr 2000. Doch für das kommende Jahr sind die Aussichten weniger rosig.

Die Koalition aus SPD und Linkspartei wird sich dem dringenden Wunsch der Berliner Wirtschaft nach zusätzlichen Investitionen zur Bekämpfung der Wirtschaftskrise nicht verschließen. „Es wird vom Senat noch etwas kommen“, kündigte Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linke) bei der Vorstellung der Jahresbilanz der Wirtschaftsfördergesellschaft Berlin Partner an.

Die Industrie- und Handelskammer hatte wie berichtet mehr Anstrengungen vom Senat gefordert und ein Investitionsprogramm von 1,25 Milliarden Euro als Impuls gegen die Krise angeregt. Es geht darum, den Absturz abzufedern von einem ziemlich guten Jahr in eine Wirtschaftskrise, die Wolf erneut als die größte seit dem Zweiten Weltkrieg bezeichnete.

2008 endet aber noch einmal mit einer positiven Nachricht. Berlin-Partner-Chef René Gurka meldete für das ablaufende Jahr ein Rekordergebnis: 128 Ansiedlungsprojekte sorgen für Investitionen von 400 Millionen Euro in der Stadt und schaffen 5909 neue Jobs. 2004 waren es nur 1549 neue Jobs gewesen. Der bisherige Höchststand von 5473 neu angesiedelten Arbeitsplätzen stammt aus dem Boom-Jahr 2000.

Für 2009 sind die Aussichten weniger rosig als 2008. Gurka gab sich dennoch optimistisch. Man habe noch selten gehört, dass Projekte beerdigt worden seien. Eher würden Entscheidungen vertagt und Investitionen aufgeschoben. Und gerade in den vergangenen Tagen seien wieder „neue Projekte an uns herangetragen worden“, sagte Gurka.

Billige Zinsen für Sanierung

Wolf machte deutlich, dass der Staat für die zögerliche Privatwirtschaft in die Bresche springen müsse. Die Krise werde sich „auf die Binnennachfrage auswirken, wenn nicht energisch durch konjunkturpolitische Maßnahmen gegengesteuert wird“, sagte Wolf.

Anfang 2009 stehe im Senat der Beschluss über eine Offensive für energetische Gebäudesanierung auf der Tagesordnung, sagte der zweite Mann im Senat hinter dem Sozialdemokraten Klaus Wowereit. Die landeseigene Investitionsbank IBB arbeite an einem zinsgünstigen Kreditprogramm in dreistelliger Millionenhöhe, das die Wohnungswirtschaft für energetische Sanierungen nutzen könne. Das Land Berlin werde mit einem „unteren zweistelligen Millionenbetrag“ die Zinsen herunter subventionieren, sagte Wolf. Außerdem sei ein Konzept zur Sanierung landeseigener Gebäude in Arbeit.

Berlin bereite sich auch darauf vor, mögliche Bundes-Programme aus einem zweiten Investitionspaket des Bundes, das sich speziell an die Kommunen richten werde, kozufinanzieren. Ferner will Wolf Fördermittel des Bundes, die Unternehmen in der Krise nicht abrufen, in Infrastrukturprojekte umleiten.

Die Grünen verlangten ein Klima-Investitionsprogramm von 500 bis 600 Millionen Euro. Wolf hingegen ließ offen, wie viel Geld der Senat aus seiner Kasse zusätzlich zum Bund bereitstellen will.

Unternehmensservice startet als Modell

Der Standort Berlin hat nach Einschätzung des Wirtschaftssenators seine Wettbewerbsfähigkeit unter Beweis gestellt, das habe das Rekordergebnis der Berlin Partner für 2008 bewiesen.

Darum mache es auch keinen Sinn, wie von der Wirtschaft gefordert die Gewerbesteuer zu senken. Der Senat werde Unternehmen mit mehr Bürgschaften helfen, die IBB solle nicht mehr in erster Linie Investitionen von Unternehmen finanzieren, sondern auch Liquidität sichern.

2009 wird nicht das Jahr der großen Investitionsentscheidungen von Unternehmen, sagte Wolf voraus. Es könne aber Zusammenlegung von Standorten und Konsolidierungsentscheidungen geben. „Da ist es wichtig zu sehen, dass diese Entscheidungen zugunsten Berlins ausfallen“, umriss Senator Wolf als Aufsichtsratschef der Berlin Partner die Aufgabe der Wirtschaftsförderer in Zeiten der Krise.

Künftig soll Berlin Partner auch die bestehenden Unternehmen betreuen. Um die wichtigsten Berliner Firmen kümmert sich zentral eine Einheit im Ludwig-Erhard-Haus. Zudem sollen Berater die bezirklichen Wirtschaftsförderungen verstärken. Wolf erwartet, dass Widerstände in der SPD und einzelnen Bezirken gegen sein Konzept des Unternehmensservice überwunden werden. Notfalls werde er mit kooperationsbereiten Bezirken Modellprojekte starten.

Noch seien die Unternehmen in Berlin bestrebt, ihre Stammbelegschaften zu halten, sagte Wolf. Dafür sollen aber Arbeitnehmer, die von ihren Betrieben in Kurzarbeit geschickt werden, die Zeit sinnvoll für Weiterbildung und Qualifizierung nutzen: „Jetzt ist Luft dafür.“