Nachnutzungskonzept

Flughafen Tempelhof soll Berliner Hollywood werden

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Joachim Fahrun

Für die ratlose Berliner Politik hat die Idee immensen Charme: Die riesigen Hangars im stillgelegten Flughafen Tempelhof bieten Platz für aufwendige Kino- und Fernsehproduktionen. Während die Babelsberger Filmstudios begeistert sind, reagiert die Konkurrenz abwehrend: Zu viele Studios in Berlin verderben die Preise.

Die riesigen Hangars im Flughafen Tempelhof bieten künftig als Herzstück eines Zentrums der Kreativ- und Medienwirtschaft Raum für aufwendige Film- und Fernsehproduktionen. Auf dem Rollfeld schieben Techniker Kulissen für Hollywoods Kinohelden. Was als Vision der Betreiber der Babelsberger Filmstudios für die Nutzung des riesigen Terminalgebäudes erst einmal gut klingt, weckt bei der Konkurrenz Abwehrreflexe.

Die "Studio Hamburg"-Gruppe, die Muttergesellschaft von Studio Berlin in Adlershof, hat eigens die Unternehmensberater von McKinsey die Kapazitäten in der Region untersuchen lassen. Das Fazit: In der Region gibt es genug Studios. Eine Meinung, die auch das Medienboard Berlin-Brandenburg im Grundsatz teilt.

Warnung vor Dumping-Wettbewerb

"Berlin hat eine optimale Ausgangslage", sagte am Dienstag "Studio Hamburg"-Chef Martin Willich: "Die darf man nicht aufs Spiel setzen". Schaden befürchtet der Boss der NDR-Tochter, falls der Senat sich hinreißen lassen sollte, mit Steuergeldern zu helfen, in Tempelhof oder andernorts neue Studios einzurichten. Schlechtes Vorbild sei Köln, wo das Land Nordrhein-Westfalen mit Millioneneinsatz Kapazitäten aufgebaut habe. "Köln hat heute mehr Studios als der Rest der Republik. Die Folge ist ein Dumping-Wettlauf", sagte Willich.

Auch deswegen behaupte Köln eine starke Position im TV-Markt. So produzieren die Domstädter 24.000 Minuten Comedy im Jahr, Berlin nur 3000. Bei Quiz und Gameshows liegt das Verhältnis von fast null in Berlin zu 13 000 Minuten. Geringer ist der Rückstand bei Talksendungen (18 000 zu 29.000 Minuten) und Serien (18 000 zu 53 000 Minuten).

Aber Studio Hamburg verweist mit Stolz darauf, als einer der wenigen Anbieter von Räumen und Service für Film- und vor allem TV-Drehs seit Jahren ununterbrochen schwarze Zahlen zu schreiben. Seit 1994 investierte die Gruppe 110 Millionen Euro auf dem ehemaligen Gelände des DDR-Fernsehens am Rande des Technologieparks Adlershof und schaffte dort fast 200 neue Jobs. Im Jahr 2009 sollen nochmals elf Millionen in neue Technik und Übertragungswagen fließen. Im Februar 2009 geht das neue Großraumstudio H in Betrieb. Dann sei bei der Studio-Kapazität "der Sättigungsgrad erreicht".

Ein weiterer Ausbau würde zu ruinösem Preiswettbewerb führen und den Medienstandort Berlin-Brandenburg nachhaltig schwächen. Wobei Martin Willich, einst Präsident der Hamburger Bürgerschaft, so weit Marktwirtschaftler ist, dass er nichts sagen würde, wenn Konkurrenten sich mit eigenem Geld für Investitionen entscheiden würden. "Aber dagegen spricht die wirtschaftliche Vernunft", sagte Willich. Vor allem sei es unrentabel, Hangars in moderne Studios umzubauen. "Wir haben jedenfalls keine Idee für Tempelhof."

Keine weiteren Studios in Adlershof

Für ganz Deutschland haben die McKinsey-Berater eher ein Schrumpfen des Studio-Angebots festgestellt. In Westdeutschland sank die Fläche in den letzten Jahren um sieben Prozent auf 84 000 Quadratmeter, im Osten wuchs das Angebot vor allem durch den Ausbau von Studio Berlin auf 27 000 Quadratmeter. Adlershof verfüge damit über "die beste Studio-Infrastruktur in Deutschland", so McKinsey. Der gestiegenen Nachfrage aus Unterhaltung, Show und Film könne Rechnung getragen werden. Wer mehr Studios in Berlin und Umgebung wolle, müsse auch für mehr Nachfrage der Produzenten sorgen, sagte Willich. Weitere Studioneubauten sind deshalb "nach derzeitigem Wissen" für Studio Hamburg kein Thema.

Das Jahr 2008 ist für Studio Hamburg ordentlich verlaufen. Der Umsatz, der 2007 bei 385 Millionen Euro lag und etwa zu gleichen Teilen in Hamburg und in Berlin erwirtschaftet wurde, werde leicht sinken, weil zwei TV-Serien ausgefallen seien und die Gruppe zwei Tochterfirmen abgegeben habe. Der Gewinn werde aber höher als im vergangenen Jahr (7,65 Millionen Euro) liegen. "Es gab ein paar kleine Durchhänger", sagt der Chef, "aber im Moment sind wir voll ausgelastet und könnten keine Aufträge mehr hereinnehmen."

Neben dem von Studio Berlin in Babelsberg produzierten Dauerbrenner "Gute Zeiten, schlechte Zeiten" sowie der wöchentlichen "Anne Will"-Talkrunde und dem "Akte 08"-Magazin sind die Studios in Adlershof derzeit gerade für "Deutschlands größten Gedächtnistest" mit Tom Bartels und "Pilawas großes Märchenquiz" gebucht. Kürzlich entstanden in Adlershof "Die Lego-Show" und "Fröhliche Weihnachten mit Frank", die mit Frank Schöbel am Heiligabend in die Wohnstuben flimmert.

Für 2009 sind die Aussichten nur mittelmäßig. Die drohenden Einbrüche in der Werbung in Folge der Wirtschaftskrise machen Studio Berlin zwar Sorgen, aber es gebe auch Chancen, dass die TV- und Filmbranche, die mehr als 30 000 Menschen in der Region beschäftigt, sogar von den schrumpfenden Budgets der Produzenten profitiere. Langfristig werde die Nachfrage eher steigen als sinken, wenn die Folgen der Krise überwunden sein werden.

TV-Werbeerlöse schrumpfen

Um 3,5 Prozent soll nach einer Prognose der zur Publicis-Gruppe gehörenden ZenithOptimedia der Werbeeinsatz der Wirtschaft in deutschen TV-Sendern sinken. Willich rechnet entsprechend mit bis zu 200 Millionen Euro weniger in der Kasse der Sender. Hinzu kämen Einbußen für die öffentlich-rechtlichen Sender. Wenn mehr Leute ihren Job verlieren und keine Rundfunkgebühren mehr zu zahlen haben, drohen RBB, NDR, ZDF & Co entsprechende Verluste.

Jedoch könnte Berlin gerade in der Krise Attraktivität entfalten. Das Angebot erstklassiger Schauspieler sei einzigartig. Der Einsatz junger Talente könnte auch dazu beitragen, Honorarkosten im Rahmen zu halten. Denn die Sender müssen noch strenger auf den Euro achten. Und in Berlin seien die Produktionskosten niedriger als in München, Hamburg oder Köln. Allein die Lohnkosten liegen in der Hauptstadt nach den Recherchen von McKinsey um zehn Prozent unter denen im übrigen Deutschland. Willich hält sogar eine Differenz von 20 Prozent für realistisch. Das seien Argumente, die eine "Umschichtung von Produktionen auch nach Berlin denkbar erscheinen lassen".

Der Wegzug von SAT.1 von Berlin-Mitte nach Unterföhring bei München wird nach Einschätzung des Studio-Chefs keine gravierenden Auswirkungen auf das Produktionsgeschäft in Berlin haben. Schon bisher ließ der Privatsender viele Serien und Shows an anderen Orten als an seinem Hauptsitz drehen. Mit den Unternehmen wie Grundy Ufa und Constantin Film, die auch für SAT.1 produzieren, arbeiten man als Atelier-Anbieter eng zusammen.

Mehr Filmförderung für Berlin

Große Filmproduktionen sollen für Studio Berlin nur ein Zubrot bleiben. Gegenüber den von Fonds finanzierten Produktionen lasse man Vorsicht walten und finanziere "konventioneller", sagte Willich. Er erwarte jedoch, dass die Politik unter dem Eindruck der Finanzkrise auch die Filmförderung "auf den Prüfstand" stellen werde.

Das Medienboard Berlin-Brandenburg rechnet hingegen für 2009 nicht mit sinkenden Fördermitteln. Berlin und Brandenburg hätten fest in ihren Haushalten eine Zunahme von zwei Millionen Euro für die Filmförderung verankert, sagte Kathrin Steinbrenner, Sprecherin des Medienboards.

Wichtiger ist der Deutsche Filmförderfonds, der rund die Hälfte seiner 60 Millionen Euro pro Jahr in der Region ausgibt. Kulturstaatsminister Bernd Neumann kündigte an, dieses Finanzierungsinstrument bis 2012 zu verlängern. "Wir hatten schon immer viele Anträge, aber es werden immer mehr", sagte Steinbrenner über die rege Nachfrage nach Förderung für Drehs in der Region. Viele Studios berichteten deshalb wie Studio Berlin von guter Auslastung. Ob das so bleiben wird, darauf will man sich in Potsdam noch nicht festlegen. Die Finanzierung von Filmen sei ohnehin nicht einfach, auch ohne Krise.