Als ich aus der Schule in der Köpenicker Straße gegen Mittag nach Hause trottete, traf ich meinen Freund Helmut. Jovial sagte er: ,Heute ist alles umsonst, die Judenläden sind aufgekloppt worden, da kannste Dir rausholen, was Du willst.' Kein Schupo griff ein, als Helmut und ich in einem Tabakladen verschwanden.
Wir stolperten über herausgerissene Schubladen, Glassplitter knirschten unter den Schuhsohlen. Es roch intensiv nach Tabakwaren. Helmut war vor Stunden schon einmal hier gewesen und kannte sich aus. Zielstrebig wollte er jetzt die Kasse knacken. Nach hinten war der Raum durch einen dicken Vorhang getrennt. Ich erschrak, als ich den Vorhang weiter öffnete und auf einem Stuhl einen älteren Mann wie versteinert sitzen sah.
Apathisch starrte er vor sich hin, es muss der Inhaber des Ladens gewesen sein. Helmut versuchte, mit einem Schraubenzieher die Kasse zu öffnen. Das Gesicht des Mannes war von stillem Jammer gezeichnet. Abwesend von dieser Welt, brachte er aus seiner Westentasche einen kleinen Schlüssel zum Vorschein und reichte ihn mir: ,Damit geht es besser.' Ich konnte den Schlüssel nicht nehmen, drehte mich weg. ,Komm, wir hauen ab, da hinten ist ja noch jemand drin.'
Helmut sagte: ,Der Alte, der hat doch heute morgen schon da gesessen, der tut uns doch nichts.' Neben der Eingangstür klemmte ich mir ein paar Kisten Zigarren unter den Arm, verließ den Laden und hörte Helmut noch rufen: ,Geh doch nach Hause zur Mami, Du feiger Hund!' Opa Chiepluch in Börnicke rauchte in den nächsten Wochen teure Zigarren. Immer wenn er sich eine Zigarre anzündete, plagte mich mein Gewissen. Aber die meisten Erwachsenen fanden es richtig, „dass denen mal gezeigt wird, wo es lang geht, und ihnen Feuer unter dem Arsch gemacht wird.“