Alles bloß Marketing? Oder Protest gegen die Schließung von Tempelhof? Noch immer stehen drei Kleinflugzeuge auf dem Flughafen Tempelhof. Noch immer ist fraglich, ob sie tatsächlich auf dem Landweg abtransportiert werden müssen. Denn eine Ausnahmegenehmigung ist durchaus möglich.
Es wirkt wie ein Husarenstreich, den die drei Piloten planten, als sie einfach in Tempelhof auf dem Vorfeld blieben, statt den Flughafen rechtzeitig vor seiner endgültigen Schließung zu verlassen. Nach dem Motto: Damit schlagen wir dem Senat und der Flughafengesellschaft ein Schnippchen und stehlen ihnen die Schau, um dann tatsächlich als allerletzte Maschinen den Flughafen Tempelhof zu verlassen.
Und tatsächlich klingt es nach einer pfiffigen Marketingstrategie, um für die eigenen Rundflüge mit dem größten Doppeldecker der Welt zu werben.
Henning Lueg ist der Pilot und Eigentümer des roten Doppeldeckers Antonow AN II, der neben einer grünen AN II und einer kleinen Beechcraft als letzte flugtüchtige Maschinen noch auf dem Vorfeld stehen. Das ist nach dem offiziellen Ende Tempelhofs bereits eingezäunt. Lueg stand am Freitag vor verschlossenen Türen des General Aviation Terminals in Tempelhof und wollte eigentlich zu seinem Flugzeug. „Unverschämte Unterstellungen“, nennt er Behauptungen, er und seine beiden Kollegen Peter Liss (grüner Doppeldecker) und Dieter Korf (Beechcraft) hätten am Donnerstag den Start von Tempelhof bewusst verzögert, um gegen die Schließung Tempelhofs zu protestieren und als letzter den legendären Airport zu verlassen.
Dieser Vorwurf war in Kreisen der Flughafengesellschaft laut geworden. Flughafensprecher Ralf Kunkel sprach von „einer Provokation“. Allen Eignern und Piloten sei die Beendigung des Flugbetriebs zum 31. Oktober lange bekannt gewesen. Auch vermeintliche Wettereinflüsse könnten nicht als Entschuldigung herhalten.
Dementsprechend rigoros hatte Kunkel bereits am Donnerstagabend darauf verwiesen, dass die drei Maschinen Tempelhof nur noch auf dem Landweg verlassen dürften – zerlegt in Einzelteile und auf einem Tieflader verstaut. Das kommt für Lueg nicht in Frage. „Daran denke ich noch gar nicht“, sagt der große Mann in Jeans und Pilotenjacke. „Wir konnten wegen des schlechten Wetters nicht starten. Für uns Sichtflieger waren die Wetterbedingungen nicht gegeben. Ich habe der Luftfahrtbehörde einen Antrag auf Außenstartgenehmigung gefaxt und hoffe auf das Wohlwollen des Senats.“
Allerdings geht Lueg davon aus, dass er die Außenstarterlaubnis nicht rechtzeitig bekommt, um seine planmäßigen Rundflüge anzubieten, sind doch die Genehmigungen der Eigentümer des Geländes, Einwilligungen der Unteren Naturschutzbehörde und ein Geländegutachten einzuholen, wie Lueg sagt.
Ein Sprecher der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung sagt, dass er davon ausgehe, dass Berlin keine Erlaubnis erteilen werde. Zuständig aber ist die gemeinsame Obere Luftfahrtbehörde Berlin Brandenburg (LuBB) in Schönefeld. Und deren Leiter Wolfgang Fried zeigte sich in der Sache gelassener. Er sagte dieser Zeitung, dass so eine Außenstartgenehmigung theoretisch kurzfristig erteilt werden könne. Allerdings war am Freitag Feiertag in Brandenburg und Fried noch im Urlaub, so dass voraussichtlich erst Montag mit der Bearbeitung begonnen werden kann. Fried zeigte Verständnis für die Probleme der Piloten. „Ich kann mir gut vorstellen, dass die drei Maschinen wegen des schlechten Wetters nicht starten konnten. Die Konditionen waren zu schlecht für eine Starterlaubnis der Flugsicherung. Den ganzen Tag über musste mit Instrumentenflugsystem geflogen werden“, sagte Fried. Auch der Leiter der Obersten Luftfahrtbehörde Brandenburg, Michael Bayr, ging bereits am Donnerstagabend davon aus, dass die drei Maschinen relativ schnell Tempelhof auf dem Luftweg wieder verlassen könnten.
Nach Ansicht des Kölner Luftrechtsexperten Marius Boewe ist die Rechtslage klar. Die Maschinen dürfen den Flughafen auf dem Luftweg verlassen. Die Flugzeugbesitzer müssten sich zunächst an den Eigentümer des Flughafens wenden und dann eine Genehmigung der Luftfahrtbehörde einholen, so der Anwalt. Dann könnten die Flugzeuge den Flughafen mit einer Sondergenehmigung verlassen. Dabei spielt nach Angaben des Flugrechtsexperten keine Rolle, aus welchem Grund die Maschinen in Tempelhof geblieben sind. „Das Gesetz fragt nicht nach der Ursache“, sagte Boewe. Eine Verweigerung der Sondergenehmigung wäre eine „billige Polemik“.
„Ein Politikum“ nennt denn auch Tilo Schmidt die Querelen um die Starterlaubnis. Schmidt gehört zum Veranstalter „Last Chance Tempelhof“, für den Henning Lueg mit seinem Doppeldecker Rundflüge angeboten hatte.
Von Seiten der Berliner Immobilienmanagement GmbH (BIM), die am Freitag von der Flughafengesellschaft und im Auftrag des Landes Berlin und des Bundes, die Verwaltung des Gebäudes übernommen hat, heißt es, solange noch kein Antrag vorliege, „können wir auch noch nichts sagen“.
BIM-Sprecherin Katja Potzies sagte, die LuBB werde sich dann „mit uns in Verbindung setzen, und wir stimmen dann mit den Eigentümern des Areals, dem Land Berlin und dem Bund, ab, ob wir einer Genehmigung zustimmen.“ Die BIM versuche aber, eine Lösung zu finden. Da die Betriebsgenehmigung für den Flughafen Tempelhof aufgehoben wurde und der Flugbetrieb seit Donnerstag, 23.59 Uhr, eingestellt ist, ist der Flughafen kein betriebstüchtiger Verkehrsflughafen mehr. Daher ist für einen Start die sogenannte Außenstartgenehmigung notwendig.
Katrin Schoelkopf und Jens Anker