Das war es: Die 85-jährige Geschichte des Flughafens Tempelhof ist beendet. Um 23.55 Uhr haben der Rosinenbomber und die Ju 52 die Startbahn des Airports verlassen. Damit ist die Schließung vollzogen – doch die Gemüter haben sich trotzdem nicht beruhigt. So wurde Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit von Demonstranten angefeindet und kassierte Buh-Rufe bei der Abschiedsfeier.
Begleitet von Protesten ist am Donnerstag mit einer Festveranstaltung vom Flughafen Tempelhof als Airport Abschied genommen worden. Die Demonstranten bildeten ein Spalier und pfiffen alle Gäste, die in das Gebäude schritten, lautstark aus. Die Protestierenden trugen Plakate mit Aufschriften wie „Skandal“ oder „Wird auch das Brandenburger Tor eingemottet?“.
Um Mitternacht sollte nach 85 Jahren die luftfahrtrechtliche Zulassung für den Zentralflughafen enden. Um diese Zeit wollte die Bürgerinitiative Flugfreies Tempelhof (BIFT) nach dem Start der letzten Maschinen beleuchtete Drachen als Ausdruck der Freude aufsteigen lassen.
Um 23.41 Uhr gingen die die DC 3, der sogenannte "Rosinenbomber", und die Ju-52 rollen auf ihre Startpositionen – unter dem Pfeifkonzert von Mitarbeitern einer Flugschule, die die Zeremonie vom Vorfeld aus beobachten. Der Sänger Ricardo Marinello und mit ihm der Flughafen Tempelhof verabschieden die letzten Flieger mit „Time to say good-bye“.
Um 22.17 Uhr war bereits die letzte Linienmaschine gestartet: Die Dornier 328 der Fluggesellschaft Cirrus Airlines flog zurück nach Mannheim. Auf dem Weg zum Rollfeld hatte sie die Flughafenfeuerwehr mit zwei Wasserfontänen verabschiedet. In der Haupthalle des Flughafens verfolgten rund 800 geladene Gäste einer Abschiedsfeier, wie die Maschine mit einer knappen halben Stunde Verspätung den Airport verließ.
Die Abschiedsrede von Berlins Regierendem Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) wurde von Buhrufen und Pfiffen begleitet. Wowereit sagte, diese auch noch am letzten Tag des Flughafens großen Emotionen könne er verstehen. Zugleich verwies er auf die wichtige Rolle des Areals während der Zeit des Nationalsozialismus. Der Flughafen sei Teil der Nazidiktatur gewesen. Mit seiner Rolle als Basis zu Zeiten der Luftbrücke habe sich der Airport jedoch die Herzen der Berliner für immer erobert. Nunmehr aber gehöre ein nicht ungefährlicher Flugbetrieb in der Stadt der Vergangenheit an.
Wowereit fügte hinzu, mit dem Ende des Flugbetriebs eröffneten sich für das Areal neue Perspektiven. Das Airportgebäude werde nicht leerstehen, sondern weiter genutzt werden. Auch auf dem großen Freigelände würden sich „neue Möglichkeiten einer zukunftsträchtigen, innenstadtnahen Stadtgestaltung ergeben“, betonte der Regierungschef.
Der Geschäftsführer der Berliner Flughäfen GmbH, Rainer Schwarz, nannte den Ort Tempelhof einen Mythos. Das Erbe Tempelhofs sei „grandios“ und werde es bleiben – „unabhängig davon, ob Flugzeuge starten oder nicht“. Mit dem Bau des künftigen Großflughafens Berlin-Brandenburg International (BBI) in Schönefeld ergreife Berlin seine größte Zukunftschance. Der BBI werde sich in die globalisierten Wirtschaftströme einklinken, sagte Schwarz.
Das Abschiedsfest im Hauptgebäude war eine Veranstaltung der Flughafen Berlin-Schönefeld GmbH als Betreiber der Berliner Flughäfen mit rund 850 geladenen Gästen. Die stillstehenden Gepäckbänder waren zum Buffet umfunktioniert. Es gab unter anderem Lachs in Orangen, französischen Hirschkeulenbraten in Calvados-Rahmsauce und Pariser Schokoladen-Tarte.
Mitglieder der Industrie- und Handelskammer Berlin blieben dem Event demonstrativ fern. Vor dem Gebäude demonstrierten rund 150 Menschen gegen die Schließung des Airports. Den Höhepunkt des Abends sollte der Abflug der beiden letzten Maschinen, ein sogenannter Rosinenbomber aus der Zeit der Berliner Luftbrücke 1948/49 und eine Junkers Ju 52, bilden.
Für Ärger beim Flughafenbetreiber sorgten 3 auf dem Flugfeld verbliebene überwiegend kleine Flugzeuge. Flughafensprecher Ralf Kunkel sprach von einer „Provokation“. Allen Eignern und Piloten sei seit Wochen, ja Monaten, die Beendigung des Flugbetriebs zum 31. Oktober bekannt gewesen. Auch vermeintliche Wettereinflüsse könnten nicht als Entschuldigung herhalten. Er verwies darauf, dass sämtliche Flugzeuge, die sich ab 31. Oktober in Tempelhof befinden, auf eigene Kosten und „ohne Ausnahmegenemigung“ entfernt werden müssten.
Die Schließung von Tempelhof wurde entschieden, weil der rot-rote Senat in dem Weiterbetrieb eine rechtliche Gefährdung für den neuen Flughafens BBI sah. Dieser soll im November 2011 seinen Betrieb aufnehmen. Gegner der Tempelhof-Schließung bestritten bis zuletzt eine solche Gefährdung.
Das denkmalgeschützte Tempelhofer Areal soll künftig als Themenpark für Luft- und Raumfahrt, als Freizeitanlage und als Medienstandort genutzt werden. Am Rand des Geländes ist die Entwicklung von fünf neuen Stadtquartieren geplant.
dpa/hed