Während weltweit Panik die Finanzmärkte bestimmt, herrscht in den Labors und Büros in Berlin-Adlershof die übliche gelassene Betriebsamkeit. „Im Moment merken wir noch nichts von der Krise, außer dass die Banker, mit denen man zu tun hat, ziemlich angespannt sind“, sagte Albrecht Krüger, Chef des Spezial-Apparatebauers Sentech Instruments, am Dienstag.
Wie viele andere kleine Hochtechnologieunternehmen der Region kommt Krügers Firma ohne Fremdkapital aus. „Wir wachsen nicht um 200 Prozent im Jahr und fallen deshalb auch nicht so tief runter.“ Auch für den geplanten Neubau des eigenen Firmensitzes gebe es zwei Finanzierungsangebote von Banken. Ob diese Offerten noch stabil seien, wisse er im Moment jedoch nicht.
Die Einschätzung des Firmenchefs aus dem Technologiepark im Südosten der Stadt wird von den meisten Akteuren der Berliner Wirtschaft geteilt. Die internationale Finanzmarkt-Krise hat bisher noch kaum Auswirkungen auf die reale Ökonomie der Hauptstadtregion. Wobei niemand ausschließt, dass ein deutlicher Abschwung der Weltkonjunktur auch Berlin und Brandenburg hart treffen würde.
Die normalen Bankkunden reagieren bisher rational, von Panik an den Schaltern keine Spur. „Die Geldabhebungen bewegen sich im normalen Rahmen“, sagte eine Sprecherin der Berliner Sparkasse. Das Geldinstitut führt die Konten von jedem zweiten Hauptstädter. Ältere Kunden fragten zwar derzeit häufiger nach Gold, weil sie eine sichere Anlage suchten. Aber nach Beratung werde dieser Wunsch eher selten umgesetzt. Von Privatkunden wie auch von Geschäftsleuten registriert die Sparkasse die gleiche Nachfrage nach Krediten wie vor der Krise. „Wer die normalen Vergabekriterien erfüllt, bekommt den Kredit“; versicherte Sparkassen-Sprecherin Constanze Stempel. Aber ganz entspannt können die Banker vom Alexanderplatz nicht sein: Obwohl die Sparkassen-Mutter Landesbank Berlin AG von den amerikanischen Turbulenzen kaum berührt ist, zog der Absturz der Banken-Werte auch die LBB-Aktie in die Tiefe.
Noch gibt es Kredite für alle, die zahlen können
Ein Genossenschaftsinstitut wie die Berliner Volksbank hat es da besser, muss den Verfall seines Aktienwertes nicht fürchten. Die Geschäfte laufen normal, sagte Sprecherin Nancy Mönch: „Unsere Fähigkeit zur Kreditvergabe leidet nicht unter der Krise.“ Das gelte auch für Immobilienfinanzierungen, bei denen die Volksbank schon länger eine eher konservative Politik verfolgte und auf ausreichend Eigenkapital Wert legte. Änderungen der Konditionen stünden nicht an.
Die Volkswirte der Vereinigung der Unternehmensverbände Berlin und Brandenburg (UVB) haben nach den Worten des UVB-Sprechers Thorsten Elsholtz noch keine Kunde von einer „krisenhaften Zuspitzung der Finanzierungssituation in den Unternehmen“ erhalten. Falls es aber dazu kommen sollte, sieht sich die landeseigene Förderbank IBB in der Lage, ihr Kredit-Angebot zu erweitern. Liquiditätsengpässe seien für eine staatliche Bank nicht zu erwarten, so die IBB.
Das Manko niedrige Exportquote wird zum Vorteil
Insgesamt hat die Berliner Wirtschaft nach Einschätzung der von Petra König, Volkswirtin der Industrie- und Handelskammer, die Chance, einigermaßen glimpflich durch eine Krise zu kommen. „Die Berliner Unternehmen sind sehr gut aufgestellt, deshalb hoffen wir, dass sich die Berliner Wirtschaft gut behauptet“, sagte sie. Die Stimmung sei zwar nicht mehr so gut wie zu Beginn des Jahres, jedoch auch nicht so schlecht, obwohl die Nachrichten über die Schieflage der deutschen Hypo Real Estate auch Berliner Managern zusätzlich Sorgen bereiten. Aber die vergleichsweise niedrige Exportquote, sonst ein Manko der Berliner Wirtschaftsstruktur, könne in der Krise ein Vorteil sein. Ein Exportboom wirke sich in Berlin weniger stark aus als anderswo. Aber ein Einbruch der Ausfuhren etwa in die USA treffe die Stadt eben auch nicht so hart. Die Prunkstücke der Berliner Metallindustrie wie das Gasturbinenwerk von Siemens sind auf Monate ausgelastet.
Viele Berliner Exporteure orientieren sich ohnehin eher nach Osten. So ist auch ein größeres Berliner Unternehmen wie das Software-Haus PSI AG mit 1000 Mitarbeitern bisher gut durchs Jahr gekommen. „Auch das dritte Quartal wird extrem stark ausfallen“, sagte PSI-Kommunikationschef Karsten Pierschke. Sogar die Auftragseingänge hätten zugelegt. Das liegt an den Kunden: PSI stellt Steuerungssoftware für Gaspipelines oder Stahlwerke her und verkauft sie mit wachsendem Erfolg auch nach Osteuropa und Asien. „Die Energieversorger haben keine Liquiditätsengpässe, sie investieren weiter stabil“, sagte Pierschke. Dennoch ist PSI trotz der guten Geschäftslage von der Finanzmarktkrise betroffen. Die Aktie verlor seit der letzten Woche 20 Prozent ihres Wertes. Die Kundennachfrage sei aber so stabil, dass man hoffe, durch die Krise zu rutschen und es vielleicht wieder bis in den nächsten Aufschwung zu schaffen.
Das US-Rettungspaket hilft auch Berlin
Andere Branchen sind nicht so optimistisch. „Die Entsorgungsbranche bekommt solche Krisen mit Zeitverzögerung zu spüren“, sagte Axel Bahr, Sprecher der Alba AG.
Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD)rechnet nicht damit, direkt zum Opfer der Finanzkrise zu werden. Zwar steht der Landeshaushalt mit 60 Millionen Euro im Risiko, weil die Messe Berlin mehrere Hallen an die amerikanische Versicherung AIG verkaufte und zurückleaste, um schnell an Geld zu kommen. Das gilt auch für die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG), die auf diesem Weg Hunderte Waggons für U-Bahn und Straßenbahn finanzierte. Zwar war die AIG fast pleite. Aber der Geldkonzern sei durch die Garantien der US-Regierung gerettet worden, so Sarrazins Sprecherin. „Wir gehen davon aus, dass unser Geld nicht gefährdet ist.“