Morgenpost Online: Herr Wolf, die SPD lehnt Ihre Pläne für die Neuorganisation der Wirtschaftsförderung zur Verbesserung der Bestandspflege ab. Ist das eine Retourkutsche für die Linke wegen des „Nein“ zu Europa?
Harald Wolf: Ich weiß nicht, was die Sozialdemokraten umtreibt. Die Wirtschaftspolitiker der Koalitionsfraktionen haben mein Konzept im Grundsatz unterstützt.
Morgenpost Online: In der SPD herrscht Nervosität im Umgang mit der Linken. Wo sehen Sie Konfliktstoff?
Wolf: Wir haben da sicherlich ein paar Punkte. Erstmal das Thema öffentlicher Dienst. Mit der Einmalzahlung an die Beschäftigten ist der Senat aufgrund der Haltung der SPD unter seinen Möglichkeiten geblieben. Dass wir keinen Tarifabschluss haben, liegt nicht nur an der unklaren Strategie der Gewerkschaften, sondern auch an der SPD. Mit einer höheren Einmalzahlung wäre der Senat in einer besseren Position gewesen und es hätte anderen Druck auf die Gewerkschaften ausgeübt, sich zu bewegen.
Morgenpost Online: Wird das Thema denn politisch weiter bearbeitet?
Wolf: Das wird von der Strategie der Gewerkschaften abhängen. Aber die Grundsatzprobleme, wie es nach 2010 weitergeht, wie wir das Tarifniveau des Bundes erreichen und in den Tarifvertrag der Länder hineinkommen, müssen gelöst werden.
Morgenpost Online: Mit der mittelfristigen Finanzplanung ist weiterer Personalabbau verbunden. Der Finanzsenator peilt als Zielgröße 93.500 Stellen an. Die Linke hatte immer eine andere Vorstellung.
Wolf: Der Koalitionsvertrag legt ein klares Szenario fest. Darüber hinaus haben wir eine genaue Prüfung vereinbart, wie sich die Altersfluktuation in den nächsten Jahren entwickelt. Es gehen größere Alterskohorten in den Ruhestand. Da stellt sich die Frage, ob der Einstellungskorridor ausgeweitet werden muss.
"Ich halte es für vernünftig, Energie verbilligt zur Verfügung zu stellen"
Morgenpost Online: Ihr Fraktionschef im Bundestag Gregor Gysi befürchtet Kältetote, wenn es keine Heizkostenzuschüsse gibt. Sind Sie für Zuschüsse?
Wolf: Ich halte es für vernünftig, die Energieversorgungsunternehmen mit einer bundesrechtlichen Regulierung zu verpflichten, bis zu einer bestimmten Abgabemenge Energie verbilligt oder kostenfrei zur Verfügung zu stellen. Dieser Vorschlag verbindet eine soziale und eine ökologische Komponente. Die Verbilligung bei der Anfangsmenge wird umgelegt auf die Preise für die übrigen Abgabemengen. Das böte oberhalb der Mindestmenge einen Ansporn, Energie zu sparen.
Morgenpost Online: In das Energiesparen in öffentlichen Gebäuden muss mehr investiert werden. Aber in der Planung bleiben die Investitionen konstant. Muss man da nicht nachlegen?
Wolf: Der Finanzsenator hat den Auftrag, ein Finanzierungskonzept für die Sanierung der landeseigenen Liegenschaften vorzulegen. Solche Investitionen ins Energiesparen müssen ja nicht zwangsläufig über den Haushalt laufen. Die Gesellschaften, die unsere Immobilien verwalten, könnten eine eigene wirtschaftliche Kalkulation aufstellen. Deshalb sollten sie künftig anders als bisher auch Kredite nutzen dürfen, um mit Investitionen Einsparungen in der Zukunft vorzufinanzieren, die sich in einem überschaubaren Zeitraum amortisieren. Auf diese Weise kann Berlin noch ein enormes Einsparpotenzial heben.
"Man muss nicht alles verbieten, was rechtlich möglich ist"
Morgenpost Online: Kann Berlins Energieversorgung ohne ein neues Großkraftwerk gesichert werden?
Wolf: Natürlich. Die Alternative zu einem Berliner Kraftwerk kann aber nicht sein: mehr Strom aus Brandenburger Braunkohle oder Atomstrom aus dem Ausland. Bei dem geplanten neuen Kraftwerk in Klingenberg geht es ja auch gar nicht um die Stromversorgung. Die Kapazität ist deswegen so groß angelegt, weil Vattenfall seine Fernwärmeversorgung ausbauen und auf diesem Markt Anteile gewinnen will. Aber es gibt andere Möglichkeiten der ökologischen Wärmeversorgung: dezentrale Blockheizkraftwerke oder Kraft-Wärme-Koppelungsanlagen, die man in jedem Haus installieren und mit Gas betreiben kann. Den so gewonnenen Strom kann man ins Netz einspeisen. Das würde Vattenfall natürlich Marktanteile wegnehmen. Aber für eine Stadt wie Berlin sind solche dezentralen Konzepte eine hoch interessante Alternative zu diesen Megakraftwerken: Die brächte dem Handwerk in der Region Aufträge, würde den Wettbewerb beleben und entlastete die Berliner mittelfristig von Energiekosten.
Morgenpost Online: Im Streit um das Rauchen hat die Gesundheitssenatorin, die Ihrer Partei angehört, harte Verbote gefordert. Werden Sie dagegenhalten?
Wolf: Es ist klar, dass sich Gesundheitspolitiker für eine Lösung ohne irgendeine Ausnahme aussprechen. Rechtlich kann man so argumentieren. Aber man muss nicht alles verbieten, was rechtlich möglich ist. Es wäre die vernünftigste Lösung, das Thema bundeseinheitlich in der Arbeitsschutzgesetzgebung zu regeln. Jeder Beschäftigte muss das Recht haben auf einen rauchfreien Arbeitsplatz. Das hieße auch, dass Kneipen, die keine abhängig Beschäftigten haben, frei entscheiden könnten, ob sie das Rauchen zulassen oder nicht.
Morgenpost Online: Und wenn angestellte Tresenkräfte nichts gegen das Rauchen haben?
Wolf: Sie haben im Arbeitsschutz kein Recht, sich freiwillig vergiften zu lassen. Außerdem kann niemand überprüfen, ob ein Arbeitnehmer freiwillig im Rauch arbeiten möchte oder nicht.
"Die Spreeufer sind ein wichtiger Entwicklungsraum für Berlinn"
Morgenpost Online: Finanzsenator Sarrazin hat Sie jüngst überaus gelobt. Zusammen mit Wowereit könnten Sie drei sogar Hessen regieren. Hat Ihnen das Lob intern geschadet?
Wolf: In meiner Partei ist bekannt, dass ich seit sechs Jahren hier regiere. Und wer Berlin regieren kann, der kann auch jedes andere Bundesland regieren.
Morgenpost Online: Die Ablehnung des Projektes Mediaspree durch den Bürgerentscheid kam als wirtschaftsunfreundlicher Akt Berlins an. Muss da der Wirtschaftssenator nicht ein ernstes Wort sagen?
Wolf: Der Bezirk hat einen guten Bebauungsplan aufgestellt. Dieser ist rechtskräftig. Auf dieser Grundlage kann und wird investiert werden. Innerhalb dieses Rahmens muss man diskutieren, ob hier und da Modifikationen möglich sind. Wenn zum Beispiel ein Grundstück besser vermarktbar ist, wenn man den Wohnanteil erhöht und dafür die städtebauliche Dichte reduziert, kann das sinnvoll sein. Aber ein 50 Meter breiter, freier Uferstreifen geht nicht. Die Spreeufer sind ein wichtiger Entwicklungsraum für Berlin, von dem wirtschaftliche Impulse ausgehen. Das darf nicht gefährdet werden.
Morgenpost Online: Sollen denn die landeseigenen Unternehmen Behala und BSR ihre Hochhauspläne abspecken?
Wolf: Wertverluste für deren Liegenschaften und Buchwertabschreibungen sind nicht akzeptabel. Hier wären die Vorstände verpflichtet, Schadenersatzforderungen zu stellen.
"Ich plädiere für einen Kima-Scheck"
Morgenpost Online: Sie haben 1,3 Prozent Wachstum prognostiziert. Jetzt schwächelt die Konjunktur. Haben sich die Aussichten für Berlin verändert?
Wolf: Ich bleibe bei der Prognose für 2008. Noch sind die Auftragsbücher gefüllt. Aber wir stellen fest, dass die neuen Auftragseingänge zurückgehen. Für 2009 sind die Aussichten schlechter. Deshalb müssen wir nachdenken, wie wir konjunkturelle Impulse setzen.
Morgenpost Online: Wie könnte das geschehen?
Wolf: Zum Beispiel durch Investitionen in energetische Gebäudesanierung. Außerdem plädiere ich für einen Klimascheck. Das auch von dem Mitglied des Sachverständigenrates Bofinger befürwortete Konzept sieht nicht einfach Steuersenkungen vor, wie sie Bundeswirtschaftsminister Glos will und die die Einnahmebasis des Staates dauerhaft schwächen. Sondern jeder Steuerpflichtige bekommt einen Scheck über zum Beispiel 500 Euro. Der kann eingelöst werden für ein zertifiziertes, CO2-sparendes Produkt, etwa einen neuen Kühlschrank oder einen Katalysator für das Auto. Das wäre eine Konjunkturspritze, die jetzt wirkt, wo wir den Abschwung haben, und das Ganze mit Klimaschutz und Energieeffizienz verbindet. In den USA wird das ohne die klimapolitische Komponente bereits gemacht.