In Volker Oppmanns kleinem Büro in der Kreuzberger Oranienstraße herrscht Chaos. Zum einen, weil sein Ein-Mann-und-ein-Praktikant-Verlag „Onkel & Onkel“ gerade erst hergezogen ist. Zum anderen, weil eines seiner Produkte zum Verkaufsschlager avanciert ist. Das Geschäft mit dem „Führerquartett“, das die übelsten Diktatoren von der Antike bis in die Neuzeit in einem 32-blättrigen Kartenspiel versammelt, läuft prächtig.
Die ersten 2000 Exemplare sind nun ausverkauft. Jetzt legt Oppmann nach. Noch im August soll die zweite Auflage in die Läden kommen. Dass das schwarzhumorig gemeinte Produkt so erfolgreich sein konnte, liegt vor allem daran, dass Oppmann mit sehr genau gezielter Provokation den Verkauf anheizte. Und dabei hatte er Hilfe, indirekt unter anderem von einem Ex-Polizisten, der dem Wachs-Hitler bei Madame Tussauds in Berlin den Kopf abriß.
"Lustige Dinge, die man nicht machen darf"
Oppmanns Humor ist schwarz, und so sind auch die Erzeugnisse seines Verlags: Im Programm hat der Bücher mit Titeln wie „Lustige Dinge, die man aber nicht machen darf“ oder „Gemeine Antworten auf Kinderfragen“. Und eben das umstrittene Spiel: Wo beim Quartett früher Hubraum und Zylinder von Monstertrucks verglichen wurden, treten im „Führerquartett“ linke gegen rechte, antike gegen moderne Bösewichte an. Berlins Innensenator Ehrhardt Körting nannte das Spiel "geschmacklos".
Hitler steht dabei als A1 der ersten Vierergruppe „Schwarz-Braun ist die Haselnuss“ vor, zu der noch Mussolini, Franco und der portugiesische Diktator Salazar gehören. Insgesamt gibt es acht Gruppen mit je vier schwarzen Petern der Weltgeschichte. Neben den üblicherweise verdächtigen Tyrannen wie Stalin, Dschingis Khan oder Pol Pot umfasst das Spiel auch Che Guevara und Alexander den Großen.
Erfolg mit der Wachs-Hitler-Attacke
Dazu hat auch Oppmanns Vermarktungsstrategie beigetragen. Im Frühjahr kam das "Führerquartett" auf den Markt. Dass viele das Spiel gar nicht komisch fanden, bekam der Kleinstverleger früh zu spüren. Als er im März sein neuestes Produkt erstmals auf einer Messe vorstellte und es Buchhändlern anbot, waren die Reaktionen vorausssehbar geteilt: Viele Händler waren entsetzt, andere begeistert.
Ein Erfolg aber war das "Führerquartett" da noch nicht. Das dauerte, bis der Juli kam. Am 5. Juli riss der Altenpfleger und Ex-Polizist Frank L. kurz nach der Eröffnung von Madame Tussauds Berlin dem dort ausgestellte Wachs-Hitler den Kopf ab. Die folgende Debatte nutzte Oppmann für sich und seinen Verlag.
Mao, Franco und Milosevic loswerden
Er verschickte eine Pressemitteilung unter der Überschrift "Hitler sticht“, zitiert darin den jüdischen Schriftsteller Rafael Seligmann („Ein Meilenstein auf dem Weg zur Normalisierung“) ebenso wie Körting ("geschmacklos") und einen entsetzten Internetkommentar aus den USA, in dem die Verbrennung des Spiels gefordert wird. Oppmann erreichte sein Ziel: Die Verkaufszahlen schossen in die Höhe. Das freut den Verleger immer noch: "Dass es so gut klappt, habe ich mir in meinen kühnsten Träumen nicht ausgemalt.“
Er frage sich allerdings, sagt Oppmann, ob diejeingen, die das "Führerquartett" ablehnen, das Spiel wirklich gesehen haben: „Es würde mich reizen, mit Körting eine Partie Führerquartett zu spielen und zu hören, was er dann sagt.“ Jedem müsse doch klar sein, dass es nicht um einen ernsthaften Umgang mit der Thematik gehe. Das werde etwa durch die Kategorie "Abführmittel“ klar, die Bezeichnung für den Umstand, der den jeweiligen Diktator zu Fall brachte. Und auch gehe es ja nicht darum möglichst viele Maos, Francos oder Milosevice anzuhäufen. Sondern man muss sie loswerden. Und das, findet Oppmann, mache seine Botschaft durchaus deutlich.
Diktatoren-Konkurrenz aus Hamburg
Die Idee aber, mit Adolf Hitler als Trumpf Geld zu verdienen, die hatten auch andere. Oppmann sagt, der Einfall für das umstrittene Kartenspiel sei ihm während des Germanistikstudiums gekommen. Da befasste er sich mit deutscher Exilliteratur und stieß er auf "das echte Führerquartett“: Ein nationalsozialistisches Spiel, das berühmte Personen aus der Heeresleitung darstellte. Das ursprüngliche Propagandainstrument als Vorlage zu nutzen und aus Menschheitsverbrechern Schwarze Peter zu machen, fand Oppmann witzig.
Die Konkurrenz sitzt in Hamburg. Jürgen Kittel und Jörg Wagner brachten nur drei Monate nach Oppmann im Rahmen der Quartettreihe „Geißeln der Menschheit“ - die auch ein „Seuchenquartett“ enthält - das „Tyrannenquartett“ auf den Markt. Und sie sagen, ihnen sei die Idee schon 1996 gekommen, am Stammtisch. Oppmann wiederum findet die Aufmachung des Konkurrenzproduktes "geschmacklos“. Denn im "Tyrannenquartett“ werden nicht nur Kategorien wie Regierungsdauer, Nachkommenschaft oder Bildung verglichen, sondern auch die Zahl der Todesopfer des jeweiligen Despoten.
Quartett aus dem Internet
Von einer solchen Kategorie habe er sich absichtlich distanziert, erklärt Oppmann. Ihm sei es darum gegangen die jeweiligen Führer von ihrem Ikonensockel zu stürzen. „Das Leid untereinander zu vergleichen, würdigt es herab.“ Den Vorwurf weist der Hamburger Konkurrent Kittel zurück: "Nicht zuletzt werden solche Leute als Tyrannen definiert, weil sie Leid verursachen oder sich schamlos bereichern – und nicht, weil sie kinderlos blieben oder 'nur' Volksschulabschluss haben.“
Nur in einer Sache sind sich die Quartett-Macher aus Hamburg und Berlin einig: Das Diktatorenquartett des dänischen Verlages „Sune Watts“, das es im Internet zum Herunterladen, Ausdrucken und Selberbasteln gibt, das sei nun wirklich schlecht recherchiert. Denn, dass die Dänen in ihrem Kartenspiel in den Kategorien „Gier“ und „Bosheit“ Quoten für die einzelnen Diktatoren angeben, finden die beiden Extrem-Quartett-Verleger, dass sei nun doch ganz schön subjektiv in der Bewertung.