Berliner Wirte und rauchende Gäste hoffen, dass künftig zumindest in inhabergeführten Einraum-Kneipen die Zigarette zum Bier wieder möglich ist. Doch die meisten Kneipiers halten sich an das neue Gesetz.

Das Nichtraucherschutzgesetz gilt zwar seit Anfang des Jahres, doch in einigen Berliner Kneipen wird der blaue Dunst weiterhin geduldet. Denn wie Sylvia Thimm geht es vielen Wirten in der Hauptstadt. Selbst in manchen Szene-Restaurants, zum Beispiel in Mitte und Prenzlauer Berg, ist das Rauchen im Gastraum nicht strengstens untersagt. Klaus-Dieter Richter, Leiter der Fachgruppe Gastronomie beim Hotel- und Gaststättenverband Berlin, geht davon aus, dass in 80 Prozent der Einraum-Lokale weiterhin gepafft wird. Das betreffe die traditionelle Eckkneipe ebenso wie Bars und Szenelokale. Eine Ausnahme sei die Speisegastronomie.

Hauptgrund ist laut Richter nackte Existenzangst in einer harten Konkurrenzsituation. Viele Lokale, die baulich die Möglichkeit haben, hätten bereits Raucherzimmer eingerichtet und zögen damit die klassische Kneipenklientel an. Leidtragende seien die Gastronomen, die nur einen Raum bewirtschaften und deshalb gesetzlich verpflichtet sind, ein striktes Rauchverbot durchzusetzen. „Als die Gäste weggeblieben sind, haben selbst jene wieder Aschenbecher auf die Tische gestellt, die noch im Januar das Gesetz befolgen wollten.“ Die absurde Folge: Nach Schätzungen des Berliner Gaststättenverbandes wird heute trotz drohender Bußgelder in mehr Kneipen geraucht als zum Jahresbeginn, als die Ordnungsämter noch gar nicht kontrollierten.

Die Unsicherheit ist groß unter den Berliner Wirten: Kippt Karlsruhe das generelle Rauchverbot? Lassen die Richter mehr oder weniger Ausnahmen zu? Lohnt sich ein teurer Umbau, um einen Raucherraum einzurichten? „Alle warten ab, was in Karlsruhe passiert“, sagt Richter. „Wir hoffen natürlich, dass die freie Entscheidung des Wirtes Vorrang hat.“ In jedem Fall gebe es aber eine verbindliche Entscheidung, die das Chaos zwischen verschiedenen Ländergesetzen und einer unterschiedlichen Handhabung in den Berliner Bezirken beende. Theoretisch müssen die Ordnungsämter nämlich seit dem 1. Juli die Einhaltung des Nichtraucherschutzgesetzes kontrollieren und nötigenfalls Bußgelder erheben.

Einraum-Kneipen bislang nicht kontrolliert

Doch nicht jeder Bezirk ist dazu bereit und in der Lage. Wie intensiv die Einhaltung des Nichtrauchergesetztes kontrolliert wird, hängt von den personellen Kapazitäten der zuständigen Bezirksordnungsämter ab. Das Ordnungsamt Charlottenburg-Wilmersdorf hat bisher drei zusätzliche Kontrolleure eingestellt, fünf weitere sollen folgen. „Seit dem 1. Juli haben wir 40 Gaststätten kontrolliert, in zehn davon müssen die Wirte jetzt mit Bußgeldern rechnen“, sagt Wirtschaftsstadtrat Marc Schulte (SPD). Einraumkneipen seien dagegen bisher noch von den Kontrolleuren verschont worden. „Wir warten das heutige Verfassungsgerichtsurteil ab. Danach steht fest, ob wir die Kontrollen auf die Eckkneipen ausdehnen“, sagt Schulte.

In Pankow und Friedrichshain-Kreuzberg haben die Kontrolleure jeweils sieben Verstöße gegen das Nichtraucherschutzgesetz festgestellt. In Friedrichshain-Kreuzberg wurden Einraum-Kneipen bisher nicht überprüft. Angesichts dieser Situation haben viele Wirte bislang kaum etwas an der Rauchpraxis in ihren Gasträumen geändert. „Wir sind in Wartestellung“, sagt Szenekneipen-Inhaber Ulli Kasiske. Der Friedrichshainer ist einer der Hauptaktivisten gegen das Berliner Nichtraucherschutzgesetz. Bei den strengen Kontrollen will er dennoch keine Bußgelder riskieren und schickt deshalb seine Gäste seit dem 1. Juli zum Qualmen vor die Tür. Die Auswirkungen hat er nach eigenen Angaben in den Regentagen der vergangenen Wochen erlebt. „Die Stammgäste laufen mir davon, auf die Nichtraucher warte ich vergebens.“ So bleiben soll das nicht, wenn es nach Kasiske geht.

Volksbegehren gegen Berliner Gesetz

Mit Gästen und anderen Gastronomen hat er schon 2007 die „Initiative für Genuss“ gegründet, die ein Volksbegehren gegen das Ländergesetz betreibt und mit mehr als 23000 Unterschriften die erste Hürde bereits gemeistert hat.

Auch rund um den Helmholtzplatz in Prenzlauer Berg gibt es sie noch, die Kneipen, in denen vor allem abends einfach so im Gastraum weitergeraucht wird. Stellung dazu mögen die Betreiber aber nicht nehmen. Im Internet ist das asiatische Restaurant Song an der Raumerstraße zwar auch noch unter „Raucher-Lokale“ geführt, seit Monatsbeginn ist damit jedoch Schluss. Die Gäste müssen draußen rauchen. „Zwei Gäste haben sich hier vor ein paar Wochen gestritten, das war keine schöne Situation“, sagt Wirt Trieu Duong Vu, der über keinen separaten Raum verfügt. Irgendjemand muss sich beschwert haben, denn er erhielt ein Schreiben vom Ordnungsamt, das auf die Maximalstrafe von 1000 Euro verwies. „Ich verstehe das Gesetz nicht“, sagt Trieu Duong Vu. „Die Leute kommen zum Genießen hierher, und Rauchen gehört dazu.“

Im „Wohnzimmer“ auf der anderen Seite des Platzes haben Raucher mehr Glück. Dort gibt es abgetrennte Bereiche, bereits seit Januar. Bis 18 Uhr raucht man in einem kleinen Separee, abends in einem größeren „Kabinett“. „Das ist meist voller als der Nichtraucherbereich“, sagt eine Mitarbeiterin. Obwohl sie selbst raucht, hat sie nichts gegen das Gesetz, weiß aber, dass viele Gastronomen heute ein Urteil zugunsten der Raucher erwarten.