Der Leiter der Gedenkstätte Deutscher Widerstand, Professor Johannes Tuchel, sagte: "Das ist unangemessen und geschmacklos. Ich bedauere zutiefst die Entscheidung. Eine Hitler-Puppe in der Stadt aufzustellen, in der der Holocaust geplant wurde, finde ich ausgesprochen unmöglich." Er sprach von einer "grandiosen Selbstüberschätzung" der Ausstellungsmacher.
Hajo Funke, Politik-Wissenschaftler an der Freien Universität, dessen Forschungsschwerpunkt der politische Umgang mit dem Nationalsozialismus ist, sagte dieser Zeitung: "Hitler als Wachsfigur zu präsentieren, ist in einer Stadt unangemessen und geschmacklos, in der er den Zweiten Weltkrieg vorbereitet hat. Es ist Ausdruck einer banalen Selbstüberschätzung, wenn man meint, so zur Aufarbeitung der Geschichte beizutragen, wie die Hersteller dieser Wachsfigur behaupten." Eine solche Puppe sei vor allem überflüssig. "Es gibt in Berlin das Holocaust-Mahnmal, das Deutsche Historische Museum und die Orte des Verbrechens", so der FU-Wissenschaftler.
"Faszination des Bösen"
Lala Süsskind, Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, sagte: "Ich hab damals gesagt, als die Figur zum ersten Mal aufgestellt wurde, dass es mir lieber ist, sie steht dort im Kabinett als in den Köpfen der Menschen. Das ist meine persönliche Meinung. Die Jüdische Gemeinde ist natürlich sehr gespalten. Aber ich finde, man sollte sich damit auseinandersetzen - wenn es denn zum Denken anregt, kommt vielleicht was Positives dabei heraus."
Der Zentralrat der Juden in Deutschland hat sich dagegen zurückhaltend über die geplante Rückkehr der Hitler-Nachbildung in die Schau geäußert. "Ich bin nicht unglücklich, wenn die Figur nicht wieder aufgestellt wird", sagte Generalsekretär Stephan Kramer.
In der Senatskanzlei hieß es gestern, dass man die erneute Aufstellung der Hitlerfigur nicht kommentieren wolle. Der Generalsekretär der Berliner CDU, Frank Henkel, fand dagegen deutliche Worte: "Natürlich ist Hitler ein Teil der deutschen Geschichte. Hier geht es aber nicht um die Geschichte, sondern um einen PR-Gag. Die Ausstellungsmacher setzen auf die Faszination des Bösen." Auch Henkel verwies darauf, dass es gerade in der Stadt, in der der Holocaust geplant wurde, "absolut geschmack- und instinktlos" sei, Hitler als Wachsfigur auszustellen. "Und das ausgerechnet in der Nähe des Regierungsviertels", sagte Henkel. "Die Neuaufstellung ist entbehrlich."
Nur im historischen Kontext
Nach Informationen der ARD-"Tagesschau" sollen in dem Kabinett die Sicherheitsmaßnahmen verstärkt werden. Die Berliner Ausstellung hatte Hitler als gebrochenen, alten Mann hinter einem Schreibtisch dargestellt. Das Berühren oder Fotografieren war verboten. In London bei Madame Tussauds und im Hamburger Panoptikum stehen ebenfalls Hitler-Figuren. Die britische Puppe wurde schon oft beschädigt.
In Deutschlands ältestem Wachsfigurenkabinett, dem Panoptikum nahe der Hamburger Reeperbahn, steht derweil seit 60 Jahren eine Hitler-Figur, ohne dass es "tätliche Angriffe" gegeben habe, wie Panoptikum-Chef Hayo Faerber sagte. Auf den Hinweis eines Besuchers hin seien allerdings neben dem Diktator sowie dessen Propagandaminister Joseph Goebbels und NS-Luftwaffenchef Hermann Göring auch die Widerstandskämpfer Hans und Sophie Scholl in die Ausstellung aufgenommen und so die Hitler-Figur in einen Kontext gestellt worden. Bei Madame Tussauds in Berlin war der Diktator allein an einem Schreibtisch im Führerbunker zu sehen gewesen.
Madame Tussauds verteidigte gestern die Wiederaufstellung der Figur. "Madame Tussauds ist unpolitisch und kommentiert oder bewertet weder Personen, die in der Ausstellung gezeigt werden, noch was sie im Laufe ihres Lebens getan haben", hieß es in einer Erklärung. Ausgewählt würden Figuren wegen ihrer Popularität oder ihrer Bedeutung, den Lauf der Geschichte entscheidend beeinflusst zu haben - "im Guten wie im Schlechten."
Ob Madame Tussauds Schadenersatz von dem Kreuzberger verlangen wird, ist noch offen. Die Figur selbst hat nach Angaben der Ausstellungsmacher einen Wert von 200 000 Euro.