Fanmeile am Großen Stern

215.000 Menschen hörten Barack Obama zu

| Lesedauer: 10 Minuten

Mehr als 200.000 Menschen kamen zur Siegessäule gekommen, wo Barack Obama am Abend seine Rede hielt. Der Platz am Auftrittsort selbst reicht nicht aus - die Zuhörer standen die Straße des 17. Juni entlang, fast bis zum Brandenburger Tor. Sie feiern Obama wie einen Popstar.

Barack Obama ist für viele Menschen wie ein Magnet, und seine Anziehungskraft scheint auch in Berlin zu wirken. Bereits Stunden vor der Rede des demokratischen US-Präsidentschaftskandidaten warteten am Donnerstag nervöse Polizisten und Ordner, Journalisten aus aller Welt sowie hunderte gut gelaunte Fans rund um die Siegessäule auf den 46-jährigen US-Senator. Kurz nach 16 Uhr waren bereits 2500 Menschen auf der Fanmeile, kurz vor 18 Uhr 14.000. Schließlich wurden es mehr als 200.000. Das Areal um die Siegssäule herum war, bis auf einen Sicherheitsstreifen, nahezu vollständig gefüllt. Die Menschen standen entlang der Straße des 17. Juni. Vor den Metalldetektoren bildeten sich lange Schlangen.

Gegen 19.00 Uhr fuhr Barack Obama am Hotel Adlon ab, wenige Minuten später traf er mit einem großen Konvoi an der Siegssäule ein. um 19.21 Uhr betrat er dann die Bühne und begann seine einzige öffentliche Rede auf seiner Europareise mit Dankesworten an die Berliner, die Deutschen und die Politiker, die ihn in Berlin empfangen hatten. Der Senator aus Illinois hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) und Berlins Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) getroffen. Nach Berlin will Obama Paris und London besuchen.

Mehr als eine Stunde Warten vor der Kontrolle

Am Ort des Geschehens: Mit fast zwei Meter hohen, blickdichten Wänden ist das Areal rund um ist die Siegessäule nach außen abgeschirmt. Der einzige Zugang zur Obama-Fanmeile: am Brandenburger Tor. Um 16 Uhr werden die Absperrungen das erste Mal geöffnet. Doch kurz nach dem ersten Hindernis folgt das zweite: Die Sicherheitsschleusen. Ein Dutzend gibt es davon, doch drei werden aus unbekanntem Grund kurz nach Beginn des Einlasses wieder geschlossen. Es geht nur sehr langsam voran. Die Taschen werden kontrolliert und dürfen entgegen einiger Vorankündigungen mit hinein genommen werden, wenn sie nicht sehr groß sind. Nur Flaschen und spitze Gegenstände müssen draußen bleiben. Plakate und Transparente sind zudem nicht erlaubt.

Wahlhelfer der Demokraten sind vor und nach der Sicherheitskontrolle damit beschäftigt, Wähler zum Registrieren anzuhalten. In den USA muss sich jeder Wahlberechtigte erst in das Wahlregister aufnehmen lassen, bevor er wählen gehen darf, da es kein zentrales Einwohnermeldesystem gibt. Wer nicht registriert ist, der kann nicht für Obama stimmen – also werben seine Anhänger für die Meldung.

"Das hier ist Geschichte“

Mehr als eine Stunde Wartezeit müssen die meisten hinnehmen, bis sie endlich drin sind. Auf einer Bühne an der Siegessäule steht ein blaues Podest an einem hölzernen Rednerpult, dort soll der Hoffnungsträger der US-Demokraten sprechen. Riesige Lautsprechertürme entlang der Straße des 17. Juni sorgen für die richtige Akustik. Für Zuhörer, die des Englischen nicht mächtig sind, wurde extra eine Radiofrequenz mit Simultanübersetzung eingerichtet. So können deutsche Obama-Fans per tragbarem Radio zuhören. Auf einer zweiten Bühne sorgen vor Obamas Auftritt Musiker aus Berlin und den USA für gute Stimmung.

Im Publikum finden sich vor allem Amerikaner aber auch viele Deutsche nicht nur aus Berlin, sowie Touristen etwa aus Belgien und Frankreich. Sie alle sind gut zwei Stunden vor dem Beginn der Rede noch guter Dinge. „Ich möchte ihm wirklich nahe kommen“, sagt Gentry Brownie. In den USA geboren, ist er heute extra aus Saarbrücken angereist. „Das hier ist Geschichte“, ist sich der 39-Jährige sicher. Die ganze Welt blicke an diesem Abend auf Berlin.

Lily Turner-Carpenter hat ihre Europa-Reise für die Obama-Rede unterbrochen und ist entgegen ihrer ursprünglichen Pläne nach Berlin gekommen. Von der langen Fanmeile, den mit US-Flaggen geschmückten Essens- und Getränkeständen sowie den Großbildleinwänden ist die US-Bürgerin aus Colorado beeindruckt: „Es ist verrückt.“ Ihr Landsmann Wolfgang Niederhoffer ist vor allem gespannt auf die Rede Obamas: „Ich habe Obama bereits in Portland im Vorwahlkampf gesehen und weiß, dass er gut reden kann.“

Auch Marc Patterson, der den Besuch auf Morgenpost Online von Washington D.C aus verfolgt, ist von Obamas Rethorik überzeugt und glaubt, dass der Senator als Präsident frischen Wind in die US-Politik bringen könnte. „Der Mann kann reden!“, schreibt er. „"Und noch dazu ist er ein guter Redner. Es wäre schön, das erste Mal nach 12 Jahren einen Mann als Präsidenten zu haben, den man bewundern kann." Aber sicherlich sei es übertrieben zu erwarten, dass Obama als Präsident alle Probleme des Landes lösen könnte. „Ein Grund, warum die Leute zu begeistert von Obama sind, ist ganz einfach, dass er nicht Bush ist“, meint Patterson. Aber Bush habe die Messlatte auch nicht hoch gelegt. „Ich denke Obama begeistert wegen Bush als Vorgänger mehr Menschen, als er es getan hätte, wenn er zu einem anderen Zeitpunkt angetreten wäre.“

Ein bisschen, als wenn Michael Jackson vorfährt

Zu den Menschen mit besonders hohen Erwartungen an Obama gehört Brigitte Kremmin aus Berlin. Sie sei zur Fanmeile gekommen, „weil ich den tollsten Menschen sehen will, den die Politik in den letzten Jahren hervorgebracht hat", sagt sie. Von seiner Rede erwarte sie Charisma und „Feeling" sagt sie, von seiner Politik, dass er alles entscheide und alles besser mache.

Auch Rolf Will findet den ganzen Aufwand rund um einen US-Senator, der noch nicht einmal Präsident ist, nicht komisch. „Das ist eine tolle Sache für die Stadt“, sagt der 61-jährige frühere DDR-Bürger. „Wir haben den USA viel zu verdanken." Er erinnert sich noch lebhaft an die Kennedy-Rede vor dem Schönberger Rathaus: „Das war ein toller Mann.“ Dabei war er damals jedoch nicht. „Schöneberg war für uns soweit weg wie der Mond.“

Ein paar Meter weiter, zwischen Siegessäule und Brandenburger Tor, verkaufen junge Deutsche Obama-T-Shirts. Sie haben sich über ein Forum auf der Internetseite von Barack Obama kennengelernt und eine deutsche Fan-Gruppe gegründet. Das Ganze sei „ein bisschen, wie wenn Michael Jackson oder ein anderer Popstar vorfährt“, sagt Polizeisprecher Michael Bengsch. „Das ist schon stark.“

„Wir erwarten einige klare Aussagen zu Fragen der Zusammenarbeit mit Europa“, beschreibt Michael Steltzer von den US-Demokraten im Ausland seine Erwartungen an die Rede. Mit Obama könnten sich die Menschen identifizieren, wie einst mit dem früheren US-Präsident John F. Kennedy, der 1963 in Berlin sprach.

Obama: Keine Wahlkampfveranstaltung

Im Vorweg hatte Obama gesagt, seine Rede an der Siegessäule sei keine US-Wahlkampfveranstaltung. Vielmehr wolle er substanzielle Aussagen über seine Vorstellung von den künftigen Beziehungen zwischen Europa und den USA machen: „Zweifellos, ich will unter anderem auf beiden Seiten des Atlantiks auf das enorme Potenzial hinweisen, dass wir ein Gefühl des Miteinanders wiederherstellen können.“

Berlin habe er vor allem wegen seiner symbolischen Bedeutung als erste europäische Station ausgewählt, sagte Obama. Die Stadt stehe für den „außergewöhnlichen Erfolg“ der Anstrengungen nach dem Zweiten Weltkrieg, Europa, den Westen und schließlich West und Ost zu vereinen. Auf die Frage, ob er sich den früheren Präsidenten John F. Kennedy mit seinem legendären Satz „Ich bin ein Berliner“ zum Vorbild genommen habe, sagte Obama: Er wolle seine Rede nicht mit dem Kennedy-Auftritt oder der Ansprache von Ronald Reagan in Verbindung bringen. „Sie waren Präsidenten, ich bin Bürger.“

Die ersten Reihen sind für das US-Fernsehen reserviert

Dass er mit seiner Rede aber doch nicht nur die Deutschen, sondern auch die heimischen Wähler überzeugen will, wird im Pressebereich deutlich. Während deutsche Journalisten auf Bierbänken in der freien Sonne Platz nehmen dürfen, wartet auf die US-Medienvertreter ein bequemes Zelt im Schatten. Auch die ersten Reihen auf der Pressetribüne sind für die Kameras der US-Fernsehsender reserviert. Mit der Rede wolle Obama seine außenpolitische Referenzen aufpolieren, meint CNN-Korrespondentin Christiane Amanpour. Genau hier hatte ihm die Opposition Schwächen vorgeworfen.

Da passte es, dass Obama tagsüber im Kanzleramt wenig Lust auf die Fotografen zu haben schien – er wollte nach wenigen Sekunden weiter gehen, blieb aber aufgrund der Proteste der Fotografen. Ein Bild aus dem deutschen Kanzleramt dürfte in den USA wenig Wirkung haben. Eines in einer Menschenmenge vor der Siegessäule dürfte schon viel besser wirken.

Festnahme kurz vor der Rede

Kurz vor Beginn der Rede gab es für die Polizei – rund 700 Polizisten waren rund um die Siegessäule im Einsatz – noch etwas zu tun, wovon die Besucher der Fanmeile aber nichts mitbekamen. Zivilbeamte nahmen kurz nach 19 Uhr in der Nähe der Siegessäule den bereits seit längerem polizeibekannten Berliner Roland B. in Gewahrsam. B. ist bereits häufiger als Störer politischer Veranstaltungen aufgefallen. Unter anderem sorgte er für Aufregung, als er im Herbst 2007 bei einem Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem französischen Staatspräsidenten Nikoals Sarkozy in einer Reinickendorfer Schule plöztlich auf die beiden hohen Besucher los stürmte und erst im letzten Moment von der Polizei gestoppt werden konnte. Seine Festnahme vor dem Obama-Auftritt sei "aufgrund unserer bisherigen Erfahrungen mit dem Herren rein vorsorglich" erfolgt, sagte ein Polizeisprecher. Nach Ende der Veranstaltung an der Siegessäule habe man B. wieder auf freien Fuß gesetzt.

(mit dpa/afp)

( mzl/sh )