Problemkiez

Bürgermeister kämpft gegen Absturz Neuköllns

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Eine vom Bezirk beauftragte Studie hat ergeben, dass sich die soziale Situation in Neukölln weiter verschlechtert hat. Bürgermeister Buschkowsky will die Negativentwicklung stoppen - auch gegen den Widerstand in der eigenen Partei. Er fordert Kindergartenpflicht, geringere Klassengrößen und Ganztagsschulen.

Dem Gegenwind aus seinen eigenen politischen Reihen zum Trotz greift Neuköllns Bürgermeister Heinz Buschkowsky (SPD) jetzt durch. Nachdem ein im Auftrag des Bezirksamtes erstelltes Gutachten zu dem Schluss kommt, dass sich die soziale Situation in Neukölln weiter verschlechtert hat, hat Buschkowsky einen Katalog von Maßnahmen und Forderungen aufgestellt, um die negative Entwicklung zu stoppen.

Sein Konzept hat er am Mittwoch im Rathaus Neukölln präsentiert. Ziel des Bezirksbürgermeisters ist es, alle Schulen in Nord-Neukölln und dem Britzer Norden in Ganztagsschulen umzuwandeln. Die Stärke der ersten Klassen soll wieder auf 20 Schüler gesenkt werden. Alle Grundschulen, an denen mehr als 40 Prozent der Kinder nichtdeutscher Herkunft sind, müssen nach Ansicht von Buschkowsky mit einer Schulstation ausgestattet werden.

Das Gutachten, das von einer Autorengruppe um Sozialwissenschaftler Hartmut Häußermann von der Humboldt-Universität erstellt wurde, hat Neuköllner Kieze über einen Zeitraum von 2001 bis 2006 untersucht. Betrachtet wurden unter anderem die Bevölkerungswanderung, der Anteil ausländischer Kinder und die Arbeitslosigkeit.

Kindergartenpflicht notwendig

Die Studie belegt, dass sich die sozialen Verhältnisse in den weitgehend von Zuwanderern geprägten Teilen von Neukölln seit 2001 deutlich verschlechtert haben. Inzwischen gehört auch Britz-Nord zu den Problemzonen mit weiter steigendem Ausländeranteil und hoher Langzeitarbeitslosigkeit. Zahlen zur Kinderarmut, die seit 2001 von 18,9 Prozent bis 2006 auf 54,5 Prozent gestiegen sind und in Nord-Neukölln Werte bis zu 73,5 Prozent erreichten, nannte Buschkowsky erschreckend. 60 Prozent der unter 25-Jährigen im Norden Neuköllns beziehen laut Studie Sozialleistungen nach Hartz IV.

Als Konsequenz sprach sich Buschkowsky dafür aus, in Neukölln-Nord und im Britzer Norden flächendeckend ein Quartiersmanagement einzurichten. „Auch um eine Kindergartenpflicht kommen wir nicht herum“, sagte der Bürgermeister. In vielen Fällen hätten Eltern aus Zuwandererfamilien nicht die soziale Kompetenz, ihre Kinder in die Integration zu begleiten.

Laut Bezirksamt fehlen an den Neuköllner Hauptschulen 22 bis 27 Prozent der Schüler mehr als 21 Tage im Jahr. Buschkowsky bekräftigte seine Ansicht, dass regelkonformes Verhalten auch mit Sanktionen durchgesetzt werden sollte. „Kommt das Kind nicht in die Schule, kommt das Kindergeld nicht auf das Konto“, nannte Buschkowsky ein Beispiel.

Häußermann nahm Buschkowsky gegen Vorwürfe in Schutz, ein „Alarmist“ zu sein. Es müsse verhindert werden, dass in Neukölln eine Unterschicht entsteht, die in zehn bis 15 Jahren nicht mehr integrationsfähig sein könnte. Der Sozialwissenschaftler erinnerte an seine Idee, Kinder aus Einwandererfamilien per Schulbus auf alle Schulen Berlins zu verteilen. Doch gegen diese Idee gebe es erhebliche Widerstände. „Eltern haben Angst vor Migrantenkindern“, beklagte Häußermann.

( kla/mim/dpa )