Berlin. 30 Jahre Mauerfall in Berlin: Am Sonnabend wurde vor dem Brandenburger Tor gefeiert. Die Party endete mit einem echten Hingucker.
Das Bühnenprogramm am Brandenburger Tor zum 30. Jahrestag des Mauerfalls ist am Sonnabendabend mit einem Feuerwerk zu Ende gegangen. Minutenlang waren im dunklen Nachthimmel über Berlin direkt über der Quadriga auf dem Brandenburger Tor bunte Leuchtspuren in Rot, Blau oder Gelb zu sehen. Die Party endete damit krachend laut und mit einem echten Hingucker, für den die Feuerwerker viel Beifall erhielten.
Bei der mehr als zweistündigen Show traten Musiker wie Anna Loos, Trettmann, Die Zöllner und Dirk Michaelis auf, der sein Lied „Als ich fortging“ am Piano sang, das 1989 als „Wendehmyne“ bekannt wurde. Die Staatskapelle Berlin unter der Leitung von Daniel Barenboim spielte Beethovens „Schicksalssinfonie“, das Rapduo Zugezogen Maskulin setzte mit seiner Bühnenshow samt viel Kunstnebel einen deutlichen Kontrapunkt.
Bei der After-Show ging es so laut weiter, wie das Feuerwerk geendet hatte - mit dem Techno-DJ und Elektromusiker WestBam. Viele Besucher waren da allerdings bereits auf dem Weg nach Hause. Und auch in der Nacht sollte noch gefeiert werden: bei der „European Club Night“ in etlichen Berliner Clubs vom Tresor über den Festsaal Kreuzberg bis zum Humboldthain, die dafür jeweils mit einem Club in einem anderen europäischen Land zusammengefunden hatten.
Mauerfall-Feier am Brandenburger Tor: Die besten Bilder
Mauerfall-Feier am Brandenburger Tor: Zehntausende kommen trotz schlechten Wetters
Trotz des schlechten Wetters waren laut Veranstalter mehr als 100.000 Menschen zum Brandenburger Tor gekommen. Bereits vor Beginn kam es zu langen Schlangen vor den Zugängen. Etwa 30 Minuten mussten Besucher ausharren, um auf das Festgelände zu gelangen, meldeten Morgenpost-Reporter. Einmal durch die Sicherheitskontrollen hindurch und auf die Straße des 17. Juni gelangt verteilte sich die Menschenmenge auf dem Boulevard jedoch gut.
Gegen die Kälte half schon vor Beginn der offiziellen Feier die Band Banda International mit ihren warmen Weltmusikklängen. Etliche Bier- und Glühweinbuden, Grill- und Crepesstände sorgen für Volksfeststimmung.
Mit einem Klassiker der DDR-Rockmusik begann die Bühnenshow. Dirk Michaelis (58) präsentierte seine Rockballade „Als ich fortging“. Der im Jahr des Mauerbaus in Chemnitz geborene Sänger und frühere Frontmann der Rockband Karussell hatte das Lied schon als Jugendlicher komponiert und 1987 veröffentlicht. Die Zeile „Nichts ist unendlich, so sieh das doch ein“ bezogen in den letzten Monaten der DDR viele auf die politischen Entwicklungen im Land und auf die Tausenden von DDR-Bürger, die ihm den Rücken kehrten und in den Westen gingen. Das Lied gilt seitdem als „Wendehymne“.
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Party am Brandenburger Tor: Künstler, Bands, Zeitplan - alle Infos
Die Besucher folgten anschließend fast andächtig den Reden des Regierenden Bürgermeisters Michael Müller (SPD) und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Steinmeier sagte: „Die große Mauer, dieses unmenschliche Bauwerk, das so viele Opfer gefordert hat, steht nicht mehr. Diese Mauer ist weg, ein für alle Mal. „Aber quer durch unser Land sind neue Mauern entstanden, Mauern aus Frust, Mauern aus Wut und Hass, Mauern der Sprachlosigkeit und der Entfremdung. Mauern, die unsichtbar sind, aber trotzdem spalten. Mauern, die unserem Zusammenhalt im Wege stehen.“
Brandenburger Tor - Michael Müller: "Wir müssen entscheiden für unsere Werte eintreten"
Michael Müller (SPD) rief dazu auf, die Werte des Friedens, der Freiheit und der Demokratie zu verteidigen. „Populisten, die Hass und Hetze verbreiten, greifen unser Zusammenleben ganz kalkuliert an (...) Wir dürfen sie nicht gewähren lassen, sondern müssen entschieden für unsere Werte eintreten.“ Es gebe „das unschätzbare Glück“, in einem freien und demokratischen Land zu leben. Müller erinnerte zugleich an die Opfer der SED-Diktatur und die Menschen in der früheren DDR, die für ihre Freiheit gekämpft haben. „Wir ehren all jene, die in der DDR gemeinsam ihre Stimmen erhoben haben.“ Die friedliche Revolution sei eine unglaubliche Leistung gewesen, die großen Mut erfordert habe.
Andächtig verfolgt wurden auch die Musikbeiträge auf der Bühne von Bands wie Die Zöllner. Das immer wieder in tiefrotes Licht getauchte Dach aus Tausenden Bändern des Künstlers Patrick Shearn tat ihr Übriges für die Atmosphäre.
Die frühere DDR-Bürgerrechtlerin Marianne Birthler erinnerte an die Menschen, deren Leben durch die SED-Diktatur zerstört wurde oder die ums Leben kamen. „Lassen Sie uns einen kleinen Moment inne halten“, sagte sie am Samstag. Stille legte sich kurz über den Platz am Brandenburger Tor, wo sich Zehntausende versammelt hatten.
Birthler ging in ihrer Rede auf die Menschen ein, die in sowjetische Straflager kamen, denen eine höhere Schulbildung verwehrt wurde, die von der Stasi überwacht, eingesperrt oder verraten oder an der Grenze getötet wurden. Sie denke aber auch an die, die verraten haben und heute unter dieser Last litten, so Birthler, die nach der Wiedervereinigung über Jahre die Stasi-Unterlagen-Behörde leitete.
Nur diejenigen hätten das moralische Recht, sich auf die friedliche Revolution vom Herbst 89 zu berufen, die heute für Offenheit und Freiheit eintreten, unterstrich Birthler. „Wer dagegen seinem Hass freien Lauf lässt und andere mit Worten und Taten bedroht, ist nicht besser als die Stasi, die Menschenleben zersetzte und zerstörte“. Birthler wehrte damit indirekt Versuche der AfD ab, die friedliche Revolution für sich zu vereinnahmen.
Das Rap-Duo Zugezogen Maskulin zertrümmerte im Anschluss die getragene Stimmung regelrecht mit seinem Auftritt. Die beiden reklamierten zunächst den Mauerfall als allein ihre Leistung. Zum Ende ihres Songs „Endlich wieder Krieg“ feuerten Sie dann Nebel aus allen Rohren. Unter lauten Buh-Rufen verließen sie schließlich die Bühne.
Auf die ruhige Feier folgte die wilde Party. Mit wummernden Elektro-Bässen sorgte der DJ Westbam nach dem offiziellen Teil für ausgelassene Stimmung.
Das ZDF übertrug die Feier auch live im Fernsehen. Hier können Sie die Sendung "30 Jahre Mauerfall - Jubiläumsfeier in Berlin - Live vom Brandenburger Tor" nochmal sehen.
Mauerfall-Feier am Brandenburger Tor: Zahl der Gäste auf 100.000 beschränkt
Die Zahl der Gäste war nach Veranstalterangaben aus Sicherheitsgründen auf 100.000 beschränkt. Zahlreiche Besucher hatten sich zuvor bereits die Open-Air-Ausstellung zur Geschichte der Friedlichen Revolution und des Mauerfalls unmittelbar neben dem Brandenburger Tor oder die Kunstinstallation Visions in Motion angesehen.
Rund 30.000 verschiedenfarbige Bänder, auf die Berlinerinnen und Berliner in 140 Zeichen ihre Wünsche und Hoffnungen notiert haben, bewegten sich dabei wie eine große Fahne auf einer Länge von 150 Metern über der nahen Straße des 17. Juni. Seit Beginn der Dunkelheit war die Kunstinstallation wie an den Vortagen bunt illuminiert.
Bundespräsident warnt vor neuen Mauern
Zum 30. Jahrestag des Mauerfalls haben Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) dazu aufgerufen, die 1989 errungene Freiheit gegen neue Anfeindungen zu verteidigen. „Heute Nacht vor 30 Jahren fiel die Berliner Mauer! Welch ein Glück, für uns Deutsche und für ganz Europa“, sagte Steinmeier bei der zentralen Festveranstaltung am Brandenburger Tor. „Diese Mauer, sie fiel ja nicht einfach, die friedlichen Revolutionäre haben sie eingerissen“, so das Staatsoberhaupt. „Sie, die Mutigen in der DDR, haben Geschichte geschrieben.“
Gleichzeitig rief Steinmeier dazu auf, für die Demokratie zu streiten und neu entstandene Mauern in der Gesellschaft wieder einzureißen. „Wir dürfen nicht zulassen, dass Menschen ausgegrenzt und angegriffen werden, dass die Demokratie verhöhnt, dass der Zusammenhalt in diesem Land zerstört wird“, sagte der Bundespräsident.
Ausdrücklich verwies er dabei auf den Anschlag auf eine Synagoge in Halle vor vier Wochen. „Spätestens, allerspätestens nach dem Anschlag von Halle haben hoffentlich alle in diesem Land begriffen: Die Jahre vergehen, die Vergangenheit rückt in die Ferne – aber das ,Nie wieder’, der Kampf gegen Rassenhass und Antisemitismus, diese Verantwortung vergeht nicht.“
Merkel: „Ich erinnere an die, die an der Mauer getötet wurden, weil sie die Freiheit suchten“

Auch Kanzlerin Merkel rief dazu auf, die errungene Freiheit zu verteidigen sowie Hass, Rassismus und Antisemitismus entschlossen entgegenzutreten. Zugleich forderte sie die Menschen auf, sich nicht entmutigen zu lassen. „Keine Mauer, die Menschen ausgrenzt und Freiheit begrenzt, ist so hoch oder so breit, dass sie nicht doch durchbrochen werden kann“, sagte Merkel in der Kapelle der Versöhnung auf dem früheren Todesstreifen an der Bernauer Straße in Mitte.
Merkel würdigte zugleich die Menschen, die sich dem SED-Staat entgegengestellt hatten. „Ich erinnere an die, die an der Mauer getötet wurden, weil sie die Freiheit suchten“, so die Bundeskanzlerin. Sie verwies auch auf rund 75.000 Menschen, die in der DDR inhaftiert waren, weil sie die Freiheit suchten. „Ich erinnere an die, die unterdrückt wurden und ihre Träume begraben mussten“, so die Regierungschefin.
Der 9. November sei ein Schicksalstag der deutschen Geschichte, sagte sie und erinnerte an die Pogromnacht der Nazis am 9. November 1938. Darauf gefolgt seien Menschheitsverbrechen und der Holocaust. Merkel mahnte, für die Errungenschaften eines vereinten Europas einzutreten. Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenwürde müssten immer wieder neu verteidigt werden.
Dies sei in Zeiten tiefgreifender technologischer und globaler Veränderungen aktueller denn je, aber auch schwierig. „Der Beitrag des Einzelnen mag klein erscheinen, doch davon dürfen wir uns nicht entmutigen lassen“, sagte Merkel.
An der Veranstaltung nahmen auch die Präsidenten der Visegrad-Länder Polen, Ungarn, Tschechien und Slowakei statt. Steinmeier und Merkel würdigten deren Anteil am Mauerfall. Der Widerstand in diesen Ländern habe zur Öffnung der Mauer in Deutschland beigetragen. „Ohne den Mut und den Freiheitswillen der Polen und Ungarn, der Tschechen und Slowaken wären die friedlichen Revolutionen in Osteuropa und die deutsche Einheit nicht möglich gewesen“, sagte Steinmeier.
Der Tag hatte mit der zentralen Feier an der Gedenkstätte Bernauer Straße begonnen. Hier gedachten Steinmeier, Merkel, Bundesratspräsident Dietmar Woidke (SPD) und Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) der Mauertoten und steckten zusammen mit den anderen Gästen der Feier Rosen in die Mauerritzen.
„Die Friedliche Revolution bedeutet zuallererst, Verantwortung zu übernehmen, Toleranz zu leben, Demokratie und Menschenrechte zu achten und zu verteidigen und den Traum vom vereinten Europa mit Leben zu füllen“, sagte der Direktor der Gedenkstätten-Stiftung, Axel Klausmeier. Die Bernauer Straße gilt als eines der wichtigsten Symbole der deutschen Teilung. Als die Mauer 1961 gebaut wurde, lag die Häuserfront der Straße im Osten, der Bürgersteig im Westen. Es spielten sich dramatische Fluchtszenen ab, allein hier starben in der Folge fünf Menschen beim Versuch, die Mauer zu überwinden.
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mit dpa