Zwölf Stunden

Lauter gute Nachbarn auf dem Pfefferberg in Prenzlauer Berg

| Lesedauer: 6 Minuten
Sebastian Blottner

Foto: Sergej Glanze / Glanze

Kochen, Ausbilden und Behinderte integrieren: Auf dem Areal des Pfefferbergs zeigt sich Berlin von seiner besten Seite. Sogar die Tradition des Bierbrauens wurde wieder aufgenommen.

11:10 Der Pfefferberg ist ein riesiges, in diverse Häuser gegliedertes Areal an der Schönhauser Allee in Prenzlauer Berg. Und diese wiederum ist das Kapital der Stiftung Pfefferwerk. Vorstand Margitta Haertel sitzt in ihrem Büro in Haus 10 und schreibt an dem Bericht über die verschiedenen Projektförderungen, den die Senatsverwaltung jährlich einfordert. Die Stiftung muss sich arbeitsmarktpolitisch engagieren, dafür bewilligte die Stadt einst Gelder zum Kauf des Areals. „Nicht gerade die schlechteste Investition, die das Land gemacht hat“, sagt Haertel mit Blick auf die Erfolge.

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11:55 Paul Landmann ist Teilnehmer am Integrationsbetrieb für Menschen mit geistiger Behinderung und wienert gewissenhaft die Kupferkessel im „Pfefferbräu“. Darin wird die Maische für das gleichnamige Bier angesetzt, das in der Hausbrauerei über den Tresen geht. Bereits 1841 wurde auf dem Pfefferberg eine Brauerei eröffnet, 1893 dann die Schankhalle errichtet, in der nun wieder gebraut wird. Nach einer fast einhundertjährigen Pause. 1921 war vorerst Schluss gewesen mit der Bierproduktion.

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12:40 Es dampft und brutzelt. und Die Azubis Kevin Pfeiffer und Jasmin Heuer drapieren Berner Rösti, grünen Spargel und Geschnetzeltes vom Jungschwein auf den Tellern. Von 12 bis 15 Uhr wird im Ausbildungsrestaurant „Das Pfeffer“ serviert. Küchenchef Christian Donges leitet das Team an und hat ein Auge darauf, dass alles perfekt gelingt. „Es gibt täglich zwei Gerichte, davon ein vegetarisches“, sagt Donges, „und natürlich kochen wir alles selbst“. Die Tische besetzt, den Gästen schmeckt es ausgezeichnet.

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13:50 Die Woesner Brothers sind Zwillinge, Schauspieler und seit kurzem auch Theaterbetreiber. „Ein eigenes Theater zu führen, ist ein selten erfüllbarer Traum für freie Künstler wie uns“, sagt Ingo Woesner, „Hier auf dem Pfefferberg haben wir die Chance bekommen“. 254 Plätze hat der charmante Saal, in dem die Woesners so viel Bausubstanz wie möglich erhalten haben. Zusammen mit ihrem Kompagnon Eduard Bruza stehen sie heute Abend als die berühmte dänische Olsenbande auf der Bühne. Tagsüber wird aber längst für die Mai-Premiere „Drei Mütter vom Kollwitzplatz“ geprobt, ein virulentes Kiezthema.

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14:25 Wedeln, wischen, wechseln: René Fölski und Christian Otremba sind ein eingespieltes Team und machen klar Schiff in den 40 Zimmern des „Pfefferbetts“. Das Hostel mit seinen 180 Betten im ehemaligen Haus 6 ist gut besucht und ebenfalls ein Integrationsbetrieb. Geschäftsführer Ralf Möller-Flohr legt Wert darauf, dass Menschen mit Behinderung hier mitten im Arbeitsleben stehen und nach ihren Fähigkeiten eingesetzt werden. „Sie sind hier alle, wie üblich, auf dem ersten Arbeitsmarkt angestellt. Und wir sehen, dass ihnen das gut tut.“

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15:00 Der Tigerkäfig ist fertig. Anne Hölck ist eine von elf Künstlern im Atelierhaus „Meinblau“. Die Vorlage für ihre Arbeit fand sie im Alfred-Brehm-Haus des Tierparks Friedrichsfelde. Das Modell soll bei einer Ausstellung im Tieranatomischen Theater der Charité gezeigt werden. „Ich habe mich schon während meines Studiums mit dem Thema Zooarchitektur beschäftigt“, sagt Hölck. Dabei sind der Bühnenbildnerin gestalterische Prinzipien wie Zentralperspektiven oder bewusst verwendete Komplementärfarben zu Tierfellen aufgefallen. „Wie bei Bühnenbildern im Theater.“ Beim Transport über den Hof geht ihr Bernhard Draz zur Hand.

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15:35 Maxim Schulz telefoniert mit der Presse. Er will ein Annonce für die nächste Ausstellung schalten. Ab Mitte April werden im „Museum für Architekturzeichnung“ der Tchoban Foundation aktuelle Neuerwerbungen gezeigt. Im Schauarchiv zieht Schulz einige der wertvollen Exponate heraus. Darunter sind Zeichnungen von Architekt Daniel Libeskind oder beeindruckend detaillierte Architekturfantasien von Artur Skizhali-Veis. Das modern verschachtelte Gebäude an der Christinenstraße ist der erste fertig gestellte von insgesamt drei geplanten Neubauten auf dem Pfefferberg-Gelände. Das Museum beherbergt die Sammlung des russischstämmigen Berliner Architekten Sergei Tchoban, der auch das Domaquaree oder das Großkino Cubix am Alexanderplatz gebaut hat.

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16:15 Beim Telefonieren läuft Galeriemitarbeiter Eise Frederiksen gern auf und ab. Gerade steht er vor einem riesigen 15.000-Euro-Gemälde des von der Elfenbeinküste stammenden Künstlers Aboudia und verhandelt mit einem interessierten Sammler. Die Galerie Mikael Andersen zeigt die erste Soloschau des Künstlers in Deutschland. Das Großformat ist noch zu haben, das Bild daneben bereits verkauft. „Die kleineren fangen bei ungefähr 6000 Euro an“, sagt Frederiksen.

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16:55 Während der Kaffeepause im ICI Kulturlabor Berlin wird Englisch gesprochen. „Wir sind ein internationales Forschungsinstitut mit Stipendiaten aus aller Welt, von Australien bis Amerika“, sagt Koordinatorin Claudia Peppel. „Hier läuft alles auf Englisch.“ Eine der Wissenschaftsgruppen beschäftigt sich mit sozialen und politischen Konzepten Europas. Wer ein Stipendium für den Aufenthalt in Berlin ergattern kann, darf sich glücklich schätzen. Die geräumigen Etagen bieten ihren „Fellows“, den Stipendiaten, eine moderne Bibliothek, eigene Büros und Arbeitsplätze. Und natürlich gibt es Unterstützung in allen Alltagsfragen.

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18:20 Im Veranstaltungssaal von Haus 13 richtet Lydia Kenawi das Licht für den „Cirque Bizarre“ die Gruftie-Veranstaltung des kommenden Tages aus. Sie hat im Verein „Pfefferwerk Stadtkultur“ ihre Ausbildung absolviert und ist nun als Fachkraft für Veranstaltungstechnik gefragt.

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20:30 „Alles fertig für die Party“, sagt Restaurantleiter Benni Holz und übergibt die Regie der Pool Lounge den Veranstaltern. Der Charme alter Kellergewölbe passt wunderbar ins Berliner Nachtleben, weswegen die ehemaligen Lagerräumen für Bierfässer gern gebucht werden. Holz hat Abenddienst und überwacht die Vorbereitungen. Die Diskokugeln drehen sich bereits, gleich trifft sich hier die HipHop-Gemeinde zur Rap-Battle.

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23:40 Endlich beginnt im Club „Bassy„ die Live-Band. Die „Caveman V“ aus Lyon spielen Garage Rock der alten Schule. Das ist kein Zufall, in dem kultigen Club läuft zumindest am Wochenende nur Musik aus den Jahren vor 1969, wie Jonas Etzold vom Club erklärt. „Live oder von Vinyl. Und das bis sieben Uhr früh.“