Daheim im Warmen herumlungern und am liebsten pausenlos bedienen lassen: Im Winter führen sich die meisten Tiere im Berliner Zoo auf wie Teenager. Ein Besuch bei ihren Pflegern und Biologen.

6.10 Uhr: Manche Tiere schlafen noch, als Ingeborg Griesbach mit der Zubereitung ihres Kraftfutters beginnt. Sie kippt fünf Fünf-Kilo-Eimer mit Bruchreis in große Kochtöpfe, lässt die Töpfe mit einem Wasserschlauch dreiviertelvoll laufen und stellt den Herd an. „Reiskuchen“ nennen die Mitarbeiter des Zoos die Speise, die nach einem detaillierten Plan in den Häusern verteilt wird. „Fast alles, was unsere Tiere zu essen bekommen, essen auch Menschen – zumindest könnten sie es“, sagt die Tierpflegerin.

7.15 Uhr: Der Wagen, mit dem Christian Toll das Futter ausfährt, hat den Spitznamen „die Eidechse“, was an der grünbraun glänzenden Farbe des Gefährts liegen muss. Der Tierpfleger lädt Kisten voll Salat, Äpfeln und Mais auf. Zum Schluss hebt er vorsichtig eine Transportbox mit lebenden Mäusen auf die Ladefläche. Die Mäuse sind für Schlangen im Aquarium, die nur Lebendfutter akzeptieren. Dann rumpelt „die Eidechse“ über die menschenleeren Wege des Zoos.

8.25 Uhr: Benjamin Ibler, der jüngste Biologe im Zoo Berlin, passiert bei seinem ersten Rundgang des Tages das Wolfsgehege. Die weißen Wölfe tollen herum und heulen auf. Ibler wirft ihnen einen freundlichen Blick zu, geht aber zügig weiter. Er ist für die Huftiere und Wasservögel zuständig: Für ihren Bestand, für ihre Futterpläne und ihre Registrierung. „In jedem Zoo wird gelebt und gestorben. Deshalb müssen wir jeden Morgen schauen, was los ist. Das ist vergleichbar mit der Chefarzt-Visite im Krankenhaus“, sagt er. Ibler geht zu den Flamingos, zählt die Tiere und beobachtet sie eingehend. Keines fehlt, alle wirken gesund.

9.05 Uhr: Der Reis in den Töpfen hat sich in die gewünschte klebrige und zähe Masse verwandelt. Ingeborg Griesbach löst den Reiskuchen aus den Töpfen und zerteilt ihn mit einem großen Messer. Die ersten Besucher zahlen indes am Eingang ihre Karten und machen sich auf den Weg zu den Affen- und Raubtierhäusern.

10.20 Uhr: Für einen Morgen im Februar ist es warm an diesem Vormittag. Die Spitzmaulnashörner stehen in der Sonne und ignorieren Besucher, die sie fotografieren. Carsten Schwend reinigt derweil ihre Ställe. Die milden Temperaturen erleichtern seine Arbeit. „Wenn es richtig kalt ist, gehen sie nicht gerne hinaus“, erzählt er. „Da kann ich nichts machen. Zwei Tonnen Nashorn lassen sich ja schlecht hinausschieben.“ Dann füttert er die Flachland-Tapire, die ebenfalls in dem Haus untergebracht sind, mit Möhren, Äpfeln und Bananen. „Die mögen alles, was süß ist“, sagt der Tierpfleger. „Zum Geburtstag bekommen sie deshalb auch mal eine Tafel Schokolade.“

11.30 Uhr: Viele der Besucher sind Touristen und Dauerkarten-Besitzer. Aber auch Kindergarten-Gruppen bevölkern die Wege. Vor dem Ausgang stehen zwei ermattete Erzieherinnen mit einem Dutzend Kindern. „Wir müssen jetzt wirklich zurück. Es gibt bald Mittagessen“, mahnt eine von ihnen.

12.10 Uhr: Benjamin Ibler steht in der Fasanerie und untersucht mit Tierpfleger Christian König den Kiwi Ao. Der Biologe streicht über das Gefieder und misst den Schnabel aus. Das Tier macht einen gesunden Eindruck. „Im Moment wirkt er ganz ruhig – aber nachts dreht er manchmal so richtig auf“, sagt König.

13.05 Uhr: Im Tropen-Affenhaus beobachtet eine Besucherin seit Minuten verzückt das Klammeraffen-Weibchen Adina, das vor ihr sitzt und sie mit sanften Augen anschaut. Als Burkhard Grüneberg mit Reiskuchen-Würfeln und Bananen-Stücken vor dem Gitter auftaucht, ist die idyllische Begegnung beendet. Aus respektvollem Abstand reicht der Tierpfleger dem Affen das Futter. Geht er auch manchmal in das Gehege? Grüneberg lacht: „Das macht man nur einmal. Die sind blitzschnell und nehmen einen sofort auseinander. Sie können mit Armen, Beinen und ihrem langen Schwanz zupacken. Außerdem haben sie ein scharfes Gebiss.“ Die Klammeraffen gehen im Winter nur ins Freie, wenn es nicht allzu kalt ist. Die Haubenlanguren aus dem Gehege nebenan dagegen zieht es auch bei Kälte nach draußen. „Da muss man immer ein wenig aufpassen, dass sie sich nicht auskühlen.“

13.20 Uhr: Dutzende von Gummibäumen verbreiten exotisches Flair im Flusspferdhaus. „Jetzt wuchern sie fast bis zur Decke, deshalb müssen wir sie stutzen“, sagt Gärtner Stephan Vogel, der von einer Galerie aus mit einer Astschere Zweige abknipst. Den Besuchern bleibt sein Tun verborgen. Nur wenn man ganz genau hinschaut, sieht man, dass sich die Blätter im Hintergrund bewegen.

13.40 Uhr: Die Okapis gehören zur Familie der Giraffen. Die meisten Besucher halten sie aber wegen ihres dunklen, gestreiften Hinterteils für Verwandte der Zebras. „Ein wunderbares Fell haben sie“, sagt Tierpfleger Thomas Messinger. Er streichelt das Muttertier Batouri und lässt es gemeinsam mit dem Jungtier Bashira ins Freie. Zum Mittagessen bekommen die beiden ein trockenes Bündel Robinienzweige. „Frische Äste mögen sie natürlich lieber, aber jetzt im Winter nehmen sie mit den Resten vom Sommer vorlieb“, sagt Messinger.

14.25 Uhr: Tierpfleger Mario Grüßer ist für jene Exoten zuständig, die kaum ein Mensch in freier Natur zu Gesicht bekommt. Im Nachttierhaus können Besucher bei Dämmerlicht einen Blick auf die scheuen Tiere werfen. Grüßers Lieblinge sind die Erdferkel, die ihn freudig begrüßen, wenn er ihnen Avocados als Nachmittagssnack vorbei bringt. Das jüngste und frechste Erdferkel ist der vierjährige Karl-Heinz. Es schnüffelt begeistert an den Füßen des Tierpflegers und kratzt mit seinen großen Pranken an den Schuhen. „Die haben ordentlich Kraft: In der Natur können sie einen Kubikmeter Erde in einer Minute umgraben“, sagt Grüßer.

15.15 Uhr: Der Wasservogel-Kindergarten ist ein schlichter Kasten mit einer Wärme-Lampe, in der sich ein Dutzend Seidenhuhn-Küken sowie eine junge Hawaiigans tummeln. „Hühner können von Geburt an picken, Gänse müssen es erst lernen. Die Küken bringen es hier der jungen Gans bei“, sagt Auszubin Elisabeth Jacob, während sie die Aufzuchtstation reinigt.

16.50 Uhr: Die Häuser schließen, die letzten Besucher machen sich auf den Weg zum Ausgang. Dunkelheit legt sich über den Zoo. Nur im Nachttierhaus geht das Licht an. Aber auch dort schlafen die Tiere bald.