Sie wollen Eishockey, Eiskunstlauf oder knallbunte Ice-Drinks – Die Besucher im Erika-Heß-Stadion könnten unterschiedlicher nicht sein. Die Morgenpost hat sich einen Tag lang auf dünnes Eis begeben.
08:45 Waschbrettbäuche, Muckis und Tattoos: In der Mannschaftskabine des Erika-Heß-Eisstadions an der Müllerstraße machen sich ein paar echte Kerle fürs Eishockeytraining bereit. Beamte von der Bundespolizei treten gegeneinander an.
10:10 Der erste Ansturm von Gästen ist auf dem Eis, es kommen immer mehr Vormittagsfahrer hinzu. Vier öffentliche Laufzeiten gibt es täglich. 3,30 Euro kostet der Eintritt für Erwachsene. Nicht viel, aber selbst das ist einigen zu teuer, weswegen Petra Schels an der Kasse immer wieder Diskussionen auszustehen hat. „Man erlebt so einiges. Ich hatte hier schon 40-jährige Schüler“, sagt sie. Echte Schüler nämlich dürfen ermäßigt für 1,60 Euro hinein. Schels hat es warm in ihrem Häuschen, an dem durchschnittlich 600 Gäste pro Tag abgefertigt werden. Bei gutem Eislauf-Wetter sind es sogar fast dreimal so viele.
11:20 Clifford Busse tankt die Eismaschine voll. Das kantige Gefährt wiegt über fünf Tonnen, der Tank fasst 1000 Liter Wasser. „Davon sind 700 Liter Waschwasser, die während der Fahrt auf die Eisbahn gebracht und dann wieder abgepumpt werden, sowie 300 Liter Aufbereitungswasser.“ Letzteres wird in einem dünnen Film auf der Eisbahn verteilt, sodass sie wieder glatt überfriert. Das funktioniert am besten mit heißem Wasser. „Wegen seiner spezifischen Dichte verbindet sich heißes Wasser besser mit der darunterliegenden Eisschicht“, sagt Busse.
12:00 Dieter Bohlen ist auch dabei. Punkt zwölf Uhr donnern Synthesizerklänge von Modern Talking über die Bahn der Halle. Das Startsignal für eine eingeschworene Gruppe von Eisbahn-Stammgästen. „Bevor die Musik nicht spielt, darfst du nicht auf die Eisfläche, sonst kriegst du Hausverbot“, erklärt einer von ihnen und fängt augenblicklich an, seine Runden zu drehen. Der Erwachsenenlauf ist allen Besuchern über 18 Jahren vorbehalten. Keinen kleinen Kindern, keinen verrückten Jugendlichen. Im Vergleich zu den Laufzeiten im Freien ist der Mittagsdurchgang eine gesittete Profiveranstaltung.
12:45 Mit Tastatur und Joystick sucht Eisbahnchef Michael Grylewicz nach einem Mitarbeiter. In alle Winkel und Ecken kann er sich per Kamera schalten und zoomen. Aber was macht sein Team eigentlich im Sommer? „Da erledigen wir die Inventur und kümmern uns um alle nötigen Überholungsarbeiten“, sagt Grylewicz.
14:05 Für das Vereinstraining des Berliner Eislaufverbandes wird die Öffentlichkeit ausgesperrt. Gleich ist viel mehr Platz auf der Eisbahn. Angelika Höft kann in großen Kurven Fox Movement, Walse Movement und den Palais Glide üben. Mit Argusaugen überwachen Dieter Schrimpf und Kollegin Carolin Matthie ihre Bewegungen. Schrimpf ist Berlins dienstältester Eiskunstlauftrainer. Er hat Schüler schon bis zu Olympischen Spielen gebracht. Außerdem ist das seit Jahrzehnten zu Weihnachten im Stadion aufgeführte „Eismärchen“ seine Idee.
15:15 Die Kompressoren der Kühlanlage machen so viel Lärm, dass Daniel Poser den Maschinenraum, das Herzstück der technischen Anlage, nur mit Ohrenschützern betreten kann. Der Techniker kontrolliert das Prozesswasser. „Die Anlage wurde in den 60er-Jahren gebaut und hat mittlerweile hier und da ihre Wehwehchen.“ Vom Maschinenraum laufen unterirdische Rohre zu den beiden 30 mal 60 Meter langen Bahnen und kühlen sie von unten. „Drinnen haben wir eine Eisstärke von drei bis sechs Zentimetern, draußen von fünf bis acht Zentimetern“, sagt Poser. Unter dem Eis liegen eine Betonschicht und darunter die Rohre. Als Kühlmittel dient Ammoniak.
15:40 Anmutig schwingen Dorina Porsch und Klaus-Dieter Platu im Takt über das Eis. Die beiden sind passionierte Hobby-Eistänzer.
16:30 Über Gummimatten, die die Kufen schonen, kann man vom Eis der Außenbahn zu Barbara Grunkes Imbissluke gelangen. „Die Erwachsenen wärmen sich am liebsten mit Glühwein auf, auch lange nach Weihnachten noch“, sagt Grunke. Kinder haben warme Getränke anscheinend nicht nötig, bei ihnen sind die bunten Slush Ice-Drinks der größte Renner. „Und natürlich Pommes“, sagt Grunke. Sie pachtet den Stand seit 2007 und organisiert das Catering, wenn im Stadion Veranstaltungen und Wettkämpfe laufen. Im Sommer betreibt sie einen Partyservice.
17:20 Pucks, Kufen, Schoner und Schlittschuhe von einfach bis hochmodern stehen in Fred Scheers Vitrine. An seinen Schleifmaschinen gibt Scheer stumpfen Kufen den richtigen Express-, Hockey- oder Spezialschliff. Hauptsächlich verleiht er Schlittschuhe an Gelegenheitsläufer. „Wenn’s sein muss, fädele ich auch Schnürsenkel ein, die sich Kinder versehentlich herausgezogen haben.“ Hunderte Schlittschuhpaare baumeln hinter ihm. „Richtige Turnierschuhe kosten über 1000 Euro“, sagt Scheer. Er weist auf ein weiteres Paar. „Die hier kosten 800 Euro, da ist praktisch Waffentechnik verbaut“, erklärt er und lacht. Scheer schlägt mit einem Hammer darauf. Der Schuh bleibt unbeschädigt.
18:35 Maschinist Frank Grasmann hat es gern kalt. „Je kälter, desto besser“, sagt er und blickt wenig erfreut aufs Thermometer. Auf das Bezirksamt als Betreiber des Stadions kommt in einem anfangs sehr warmen Winter wie diesem eine saftige Stromrechnung zu. „Die gesamte Kühlanlage läuft nämlich mit Strom.“ Grasmann wärmt sich im beheizten Verwaltungstrakt der Eishalle auf.
19:30 Letzte öffentliche Laufzeit. Ob zu aktuellen Pop-Hits, Walzern oder Swing: Zu jeder Musik macht es den Kiezbewohnern offenbar einen Riesenspaß, unter den Flutscheinwerfern ihre Runden zu drehen. Gebaut wurde das Stadion auf dem Gelände einer ehemaligen städtischen Gasanstalt. Besucher kommen wegen seiner günstigen Lage aus westlichen und östlichen Bezirken.
22:20 Wenn im Erika-Heß-Eisstadion gehobelt wird, fallen keine Späne, sondern „Schnee“. Über Förderwellen gelangt er in den Auffangcontainer des Eishobels und wird kurz darauf in die Abwasserwanne gekippt. Zum letzten Mal für heute zieht der rollende Hobel sein zwei Meter langes Messer über das Eis und schabt selbst die kleinste Unebenheit von der Bahn. Zum Frühlauf um 7.30 Uhr ist dann alles wieder spiegelglatt.