Sehenswürdigkeiten in Berlin

Berliner Fernsehturm: Von Ulbrichts Vorzeigeprojekt zum Kult

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Sabine Gundlach
Der Berliner Fernsehturm sollte eigentlich im Grünen stehen

Der Berliner Fernsehturm sollte eigentlich im Grünen stehen

Foto: dpa Picture-Alliance / Jean Claude Castor / picture alliance / zb

1965 begannen die Arbeiten für den Berliner Fernsehturm. Der Bau war Chefsache von Ulbricht und sollte ein Prestigebau der DDR werden.

Schon bei der langwierigen Standortsuche hatte Ulbricht im September 1964 ein Machtwort gesprochen. Beim Treffen der Ost-Berliner Zentrumsplanung stand der Vorsitzende des Staatsrats der DDR mit Stadtplanern vor einem Berlinmodell. Walter Ulbricht zeigte auf den Alexanderplatz und sagte: "Nu, Genossen, da sieht man's ganz genau: Da gehört er hin!"

Die Krone Berlins

Damit war der „Fernseh- und UKW-Turm der Deutschen Post“, so der offizielle und etwas sperrige Name, anders als bei den vorangegangen Planungen, die bis in die 50er-Jahre zurückreichen, plötzlich zur Stadtkrone auserkoren. Auch wenn die Gestaltungsrichtlinien anfangs noch recht vage waren. So heißt es in einem Protokoll der 1. Sitzung des Technischen Rates Fernsehturm vom 16. Oktober 1964: „Der Turm darf nicht wie ein Schornstein wirken. Der Turmkopf soll in der Gestaltung den Charakter einer Krone erhalten, elegante Turmkopfverkleidung.“

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Der Bau war Chefsache

Fest stand von Anfang an: Der Fernsehturm sollte von der Mitte im Osten Berlins weithin zu sehen sein – vor allem auch im Westen der bei Baubeginn schon drei Jahre von einer Mauer geteilten Stadt. Der Fernsehturm als Symbol für die technische Überlegenheit des Sozialismus, so die Devise. Und so überwachte Ulbricht das von ihm selbst als „Sensation“ bezeichnete Großprojekt dann auch höchstpersönlich.

Schließlich wollte die DDR mit ihrem Prestigeobjekt vor 50 Jahren nicht nur im übertragenen Sinne, sondern auch bautechnisch hoch hinaus – auch heute noch gilt der Fernsehturm, der unterdessen samt Antennenspitze 368 Meter misst, als Deutschlands höchstes Bauwerk.

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Ohne Grundsteinlegung

Der politischen Bedeutung des großen Turms entsprechend wurde der mittlerweile denkmalgeschützte Fernsehturm just am 7. Oktober 1969 gefeiert, dem 20. Geburtstag der DDR. Zu diesem Zeitpunkt war keine Rede mehr davon, dass die am 4. August 1965 aufgenommenen Arbeiten in der Mitte Berlins nicht einmal von einer feierlichen Grundsteinlegung begleitet wurden. Niemand konnte damals auch wissen, dass der Funkturm am Alexanderplatz einmal eine echte Erfolgsgeschichte werden würde. Ganz zu schweigen davon, dass das Bauwerk nicht zuletzt dank des sich langsam dreh­­enden Restaurants regelrechten Kultstatus erlangen sollte und nach wie vor genießt.

Hochgeschwindigkeitsaufzüge bringen die Besucher heute in die Panoramaetage auf 203 Metern Höhe. Das darüber gelegene Restaurant in 207 Metern Höhe dreht sich innerhalb einer Stunde einmal um die eigene Achse und bietet nach wie vor den besten Rundblick auf die Stadt. Bislang sollen bereits fast 60 Millionen Besucher diese Aussicht genossen haben. Und das Interesse ebbt nicht ab, bei Berlin-Touristen steht ein Besuch des Fernsehturms ganz oben auf der Liste -- der einstige Vorzeigebau der DDR begeistert seit der Wende Besucher aus aller Welt. Tag für Tag stehen sie Schlange, um dieses angesagte Bauwerk der 60er-Jahre zu besuchen.

Urheberstreit um den Entwurf des Fernsehturms

Der Vorentwurf des schlanken, aufwärts strebenden Turms stammt von dem einstigen Chefarchitekten der DDR Hermann Henselmann (1905 --1995). „Mein Vater war der Ideengeber für dieses Bauwerk, das von mehreren Architekten und Ingenieuren geplant wurde“, erläutert Henselmanns Sohn Andreas. Der Anwalt für Urheberrecht weist darauf hin, dass bei einem Urheberstreit nach dem Tode seines Vaters vor Gericht ein Vergleich geschlossen wurde und seither Hermann Henselmann korrekt als „Ideengeber“ des Bauwerks gilt.

Das Planungsbüro des VEB Industrieprojektierung um Fritz Dieter und Günter Franke überarbeitete den Entwurf. Auch der damalige Präsident der Deutschen Bauakademie, Gerhard Kosel, entwickelte Ideen für die Gestaltung – und schlug unter anderem Gold als Farbe für die Kugel vor. Sie sollte an die sowjetischen Sputnik-Satelliten erinnern

Die damalige Gesamthöhe von 365 Metern war keinem baulichen Ehrgeiz geschuldet, sondern der Funktechnik und damit der geforderten Reichweite. Denn die wenigen Funkfrequenzen, die der DDR damals zugesprochen worden waren, bereiteten den Verantwortlichen Kopfzerbrechen: Nur ein hoher Funkturm konnte, so die damaligen Überlegungen, die DDR-Hauptstadt flächendeckend mit einem zuverlässigen Fernsehempfang versorgen. Schließlich wollte man verhindern, dass die Ostbürger wegen Empfangsschwierigkeiten zum Westfernsehen umschalten.

Erst Müggelberge, dann Volkspark Friedrichshain

Die besten Voraussetzungen für die geplante Sendeanlage sah die Hauptverwaltung Funkwesen zunächst bei einem Grundstück auf den Berliner Müggelbergen gegeben. Die höchste Erhebung Berlins galt den Planern als ideal. Zumal der anfangs nur als Zweckbau geplante Fernsehturm fern außerhalb des innerstädtischen Zentrums städtebaulich nicht weiter störte.

Doch die anfänglichen Pläne scheiterten: Die Bauarbeiten für den ersten Standort auf den Müggelbergen wurden 1956 gestoppt. Man hatte festgestellt, dass der Standort nur acht Kilometer vom Flughafen Berlin-Schönefeld entfernt lag und durch seine Höhe am Rande der Einflugschneise den Flugbetrieb zu gefährden drohte. Mitten in die Planungen für den Ersatzstandort, den heutigen Volkspark Friedrichshain, platzte 1962 eine Wirtschaftskrise – unter anderem wegen der enormen Kosten des Baus der Berliner Mauer. Das Projekt Fernsehturm in Friedrichshain wurde zunächst auf Eis gelegt, der Standort dann aber endgültig aufgegeben. Und die Suche nach dem besten Platz für das Vorzeigeprojekt ging weiter.

Ersatz für Zentrales Hochhaus

Vielen Parteifunktionären der DDR erschien der Fernsehturm als geeigneter Ersatz für das nicht realisierte Zentrale Hochhaus, das bei der sozialistischen Umgestaltung des Ost-Berliner Zentrums anstelle des abgerissenen Berliner Stadtschlosses gebaut werden sollte.

Im Zusammenhang mit einem Architekturwettbewerb Ende der 50er-Jahre hatte Hermann Henselmann vorgeschlagen, einen 300 Meter hohen „Turm der Signale“ zu errichten. Auf 230 Metern Höhe sollte eine Restaurant- und Aussichtskugel aus leuchtendem Rubinglas mehrere Etagen enthalten und von einer schlanken Spitze abgeschlossen werden. Ulbricht entschied, einen Turm dem geplanten zentralen Hochhaus vorzuziehen und wählte am 22. September den Standort für den Funkturm am Alexanderplatz.

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In Kletterbauweise errichtet

Für den Bau des Fernsehturmes kam nur eine Methode in Frage: die sogenannte Kletterbauweise. Dabei wächst das Gerüst mit. Das innen liegende Stahlgerüst wuchs immer etwas schneller als der äußere Betonschaft, der um das Stahlgerüst herum errichtet wurde. Der Turm verjüngt sich von unten 16 Meter Durchmesser auf neun Meter in der Höhe.

Eine ingenieurstechnische Herausforderung war die Montage der Kugel in 200 Meter Höhe. Das tragende Stahlgerüst dafür wurde am Boden vorgefertigt. Mit Kränen hievte man die Segmente hinauf und befestigte diese an der ringförmigen Plattform, die den Abschluss des Betonschafts bildet. Anschließend wurde die Kugel an Zugbändern aufgehängt, was für den Betrachter den Eindruck verstärkt, dass die Kugel zu schweben scheint.

Dass die Segmente der Kugel aus rostfreiem Edelstahl der Südwestfalen AG bei Sonnenlicht ausgerechnet in den Westteil Berlins ein unübersehbares Kreuz darstellen, und dieses christliche Symbol auf dem Bauwerk erstrahlt, bezeichneten Spötter als „Rache des Herrn für Ulbricht“.. 50 Jahre nach Baubeginn ist das Geschichte, der Fernsehturm aber weiterhin eins der kultigsten Wahrzeichen von ganz Berlin. (mit AFP)

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