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Digitaler Wandel: Nur Snapchat gab Berlin einen Korb

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Dominik Bath
Ansiedlungen von Digital-Einheiten in Berlin

Ansiedlungen von Digital-Einheiten in Berlin

Der digitale Wandel hilft der Stadt im Wettbewerb um Ansiedlungen von Unternehmen. Davon profitieren viele.

Berlin.  Snapchat sagte am Ende doch ab. Mehrere Monate lang hatte Stefan Franzke um den Messaging-Dienst aus Kalifornien gebuhlt – Snapchat sollte sein europäisches Hauptquartier in Berlin aufbauen. Franzke, oberster Wirtschaftsförderer der Hauptstadt und Geschäftsführer von Berlin Partner, hatte Klinken geputzt. Die vielen Digital-Unternehmen in Berlin wären ein perfektes Umfeld für das milliardenschwere Technologie-Unternehmen aus den USA, dachte Franzke. Doch im Januar vor einem Jahr versendete Snapchat die Absage an den Chef von Berlin Partner. Danach verkündete das US-Unternehmen, seinen europäischen Firmensitz in London aufbauen zu wollen. Was den Digital-Konzern nach Großbritannien zog, ist noch immer nicht ganz klar. Womöglich spekulieren die Amerikaner aber auf niedrigere Steuersätze nach dem Austritt der Briten aus der EU.

8197 neue Arbeitsplätze, 557 Millionen Euro Investitionen

Ein Jahr später sitzt Stefan Franzke in einem Konferenzraum in Berlin-Charlottenburg. „Snapchat hätte ich gerne in Berlin gehabt“, sagte er. Allerdings: Die deutsche Hauptstadt wird das „Nein“ der amerikanischen Digitalfirma verschmerzen können. Denn die Stadt boomt. Allein die 272 von der Wirtschaftsfördergesellschaft Berlin Partner begleiteten Projekte hätten im vergangenen Jahr für 8197 neue Arbeitsplätze und 557 Millionen Euro Investitionen in der Stadt gesorgt. Viele Unternehmen hätten „Ja“ zu Berlin gesagt, betonte Franzke. 2743 neue Jobs seien durch Neuansiedlungen in der Stadt entstanden.

Berlin kann, so wie von Franzke auch im Snapchat-Fall vermutet, mit seinem digitalen Umfeld punkten. Der Wirtschaftsförderer: „Immer mehr Unternehmen entwickeln in Berlin die Geschäftsmodelle von morgen“, sagte er. Anderswo würden deswegen aber keine Arbeitsplätze abgebaut. „Mit den neuen Ideen aus der Hauptstadt stärken die Unternehmen ihre anderen Standorte“, erklärte Franzke, der seit 2014 Geschäftsführer von Berlin Partner ist. Im vergangenen Jahr haben unter anderen Bayer, Google, Microsoft, Pfizer und Volkswagen neue Digital-Einheiten in Berlin eröffnet.

Von den starken Zahlen profitiere die Stadt direkt, betonte Franzke. Die Wirtschaftsförderer haben berechnet, dass die Investitionen und neu geschaffenen Arbeitsplätze zwischen 2017 und 2019 zusätzliche Wirtschaftskraft in Höhe von 1,5 Milliarden Euro in die Stadt bringen. Auch für den Senat klingelt die Kasse: Im selben Zeitraum fließen aus den Projekten von Berlin Partner zusätzliche 200 Millionen Euro in den Landeshaushalt. Hinzu kommen 5000 zusätzliche Arbeitsplätze, die etwa bei Zulieferern oder Dienstleistern entstehen. Berlin Partner habe seine Aufgabe 2017 erfolgreich umgesetzt, betonte am Mittwoch auch der Staatssekretär aus der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Christian Rickerts (parteilos). „Die Wirtschaft in der Hauptstadt entwickelt sich dynamisch und wirkt als Jobmotor“, sagte Rickerts.

Berliner Firmen werben mehr Drittmittel ein

Verlassen kann sich Berlin dabei auch auf die Unternehmen, die bereits in der Stadt sind: Von den fast 8200 neuen Arbeitsplätzen sind 5186 von Firmen geschaffen worden, die seit einem oder mehr Jahren am Standort tätig sind. „Die Erwartungshaltung, die wir aufgebaut haben, scheint sich bewahrheitet zu haben“, sagte Stefan Franzke. In den kommenden Jahren geht er von weiteren Investitionen aus. Die Innovationskraft der Unternehmen wird zudem von den eingeworbenen Drittmitteln beflügelt, die etwa für Forschungsprojekte verwendet werden können. 118,2 Millionen Euro seien im vergangenen Jahr innerhalb der Projekte von Berlin Partner und den beteiligten Firmen eingeworben worden. 2016 wurden nur rund 49 Millionen Euro eingesammelt. Dies sei ein Anstieg um 141 Prozent, so Franzke. 2017 seien allein für das Projekt WindNODE rund 35 Millionen Euro für Berlin bewilligt worden. Im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums sollen Firmen und Forscher jetzt an der Digitalisierung des Energiesektors arbeiten.

Doch nicht nur im Wettbewerb um Forschungsgelder kann Berlin punkten. Auch im Buhlen um die klügsten Köpfe hat die Stadt häufig die Nase vorn: Immer mehr Unternehmen würden die Hilfen nachfragen, die Berlin Partner bei der Suche nach Fachkräften aus dem Ausland anbiete, so Franzke. 2017 halfen die Wirtschaftsförderer 511 ausländischen Mitarbeitern, den Papierkram mit den Berliner Behörden zu erledigen. 297 Firmen hätten den Service von Berlin Partner in Anspruch genommen, 2015 seien es 181 gewesen. Die Hauptstadt sei ein Ort für Talente und profitiere dabei von den Krisen in der Welt. „Die klugen Köpfe lieben Freiheit und Innovationen. Genau dafür steht Berlin“, sagte er.

Baustellen sieht Franzke noch bei der Vernetzung zwischen Start-ups und etablierten Unternehmen. Auf weniger Bewegung dürfte der Berlin-Partner-Chef hingegen in seinem eigenen Haus hoffen: 2017 hatten sowohl Co-Geschäftsführerin Andrea Joras als auch der Aufsichtsratschef Andreas Eckert ihre Posten räumen müssen.

Berlin Partner:

Entwicklungshelfer: Die Wirtschaftsfördergesellschaft hilft Unternehmen bei der Suche nach einem Standort in der deutschen Hauptstadt. Gleichzeitig unterstützt Berlin Partner auch die etablierten Firmen in der Stadt, informiert über Fördermittel und sorgt für Vernetzung – zwischen den Firmen, aber auch mit der Wissenschaft.

Geldgeber: Berlin Partner gehört zu je einem Drittel der landeseigene Investitionsbank Berlin (IBB), der Technologiestiftung Berlin und dem Firmen-Netzwerk „Partner für Berlin“.

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