Berlin. Ein Prozent aller Fahrten werden in Berlin mit Autos von Carsharing-Anbietern zurückgelegt. Der Markt wächst seit 2012 sehr dynamisch.

Berlin 2021 - die Serie. Es geht um die Zukunft der Stadt. Was sind die Lösungen für die drängendsten Probleme? Die Morgenpost hat Experten um ihre Meinung gebeten.

Magenta, Türkis, Dunkelblau: Im Straßenbild der Berliner Innenstadt sind die Markenfarben der Carsharing-Dienste allgegenwärtig. Das Teilen von Autos ist in Mode gekommen. „Die Kundenzahl ist in Berlin so stark gewachsen wie in keiner anderen europäischen Metropole“, heißt es bei DriveNow. „Berlin ist für uns die wichtigste Stadt“, heißt es bei Car2Go.

Berliner legen statistisch gesehen im Durchschnitt jeden Tag zwölf Millionen Wege (Arbeit, Einkaufen, Freizeit) zurück. „Etwa ein Prozent davon entfällt auf Carsharing“, sagt Imke Steinmeyer, Verkehrsexpertin der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. „Doch dieser Markt wächst seit 2012 in Berlin sehr dynamisch.“ Das Teilen von Autos werde langfristig eine Bedeutung erhalten, die mit der jetzigen kaum vergleichbar sei. Szenarien besagen, dass der Markt der Anbieter um bis zu 35 Prozent pro Jahr wachsen könnte.

Berlin zählt zu den Pionierstädten des Carsharing. Bereits 1988 wurde Statt­Auto (seit 2006: Greenwheels) gegründet, die Firma vermietet über ein Netz von festen Standorten Fahrzeuge. Mit der zunehmenden Digitalisierung entwickelte sich vor fünf Jahren das sogenannte „Free Floating“, bei dem Fahrzeuge innerhalb eines umgrenzten Geschäftsgebiets „freischwebend“ auf Parkplätzen abgestellt und dort wieder per Smartphone-App minutenweise für eine Tour gemietet werden können. Kunden dürfen mit den Mietautos die Geschäftsgebiete zwar verlassen, müssen die Fahrzeuge aber wieder in diese zurückbringen.

Mittleres Alter, höheres Einkommen

„Free Floating wird vor allem von Menschen mittleren Alters mit höherem Einkommen und höherer Bildung genutzt“, so Steinmeyer. Andere Schichten und Altersgruppen hätten weniger Zugang zu diesem Verkehrsmittel, scheuen die Technik oder nutzen den Dienst nicht, wenn sie in ihrem Umfeld keine Autos auf den Straßen sehen. „Für spürbare Wirkungen müsste der Kundenkreis größer werden“, sagt Steinmeyer. Ebenfalls erforderlich ist nach Einschätzung der Expertin, dass auch neue Wohngebiete der äußeren Stadt von Anfang an von den Angeboten profitieren können.

Die Senatsverwaltung untersucht die Auswirkungen des Carsharing in einem Laborgebiet in Friedenau, wo Stellplätze knapp und die Gründerzeitbebauung dicht ist. „Studien haben gezeigt, dass Anwohner dort ihre Autos abschaffen und deshalb der Stellplatzbedarf sinkt“, sagt Steinmeyer. Dieses Ergebnis beziehe sich aber auf das stationäre Carsharing. Ob sich ähnliche Ergebnisse durch Free-Floating-Angebote einstellen, sei noch unklar. „Es ist noch nicht geklärt, ob diese Angebote ein privates Fahrzeug vollständig ersetzen, oder nur einzelne Fahrten mit Taxi oder BVG.“

Carsharing mit Elektrofahrzeugen, wie es vor allem von Multicity und Drive­Now angeboten wird, könnte zusätzlich einen Beitrag zum Klimaschutz leisten. „Deshalb haben wir auch die Lade­infrastruktur auf 250 Ladepunkte allein im öffentlichen Straßenland ausgebaut und planen bis zu 400 in der laufenden ersten Phase“, erklärt Stein­meyer. Elektrofahrzeuge werden beliebter. Jedes Elektrofahrzeug wird im Durchschnitt sieben Mal täglich gemietet, Autos mit Verbrennungsmotoren acht Mal. Die Kunden haben sogar Spaß daran, die Fahrzeugbatterien zu laden. „Heute werden über 60 Prozent der Ladevorgänge von den Kunden angestoßen“, sagt DriveNow-Geschäftsführer Nico Gabriel. Kunden erhalten dafür je nach Anbieter zehn bis 30 Freiminuten.

Eine Auswahl der Anbieter

Multicity

Citroën Multicity Carsharing vermietet in Berlin neben den 250 rein elektrischen Citroën C-Zero, die mit Ökostrom geladen werden, auch 100 Citroën C1. Die Elektroautos haben eine Reichweite von rund 150 Kilometern. Die Batterie lässt sich innerhalb von 30 Minuten auf 80 Prozent ihrer Leistung aufladen. Der Standardtarif beträgt 28 Cent pro Minute, der Tageshöchstpreis 39 Euro. Das Berliner Geschäftsgebiet erstreckt sich auf den Bereich innerhalb des Berliner S-Bahn-Rings sowie auf weitere Gebiete in Prenzlauer Berg, Wedding, Weißensee, Friedenau sowie der Messe. Multicity kooperiert mit dem stationsgebundenen Carsharing-Dienst Flinkster der Deutschen Bahn.

Car2Go

Der Carsharing-Anbieter der Daimler AG hat in Berlin 1100 Fahrzeuge, die pro Woche rund 45.000 Mal angemietet werden. Die größten Chancen, ein Fahrzeug zu finden, haben Nutzer in Charlottenburg rund um den Zoo, in Prenzlauer Berg am Kollwitzplatz, in Friedrichshain am Boxhagener Platz, in Mitte an der Friedrichstraße und am Potsdamer Platz. Das Geschäftsgebiet liegt innerhalb des erweiterten S-Bahn-Rings mit Enklaven in Spandau und Adlers­hof. Der Standardtarif beginnt bei 24 Cent pro Minute für einen Smart. Eine A-Klasse kostet 31, eine C-Klasse 34 Cent. Fahrzeuge gibt es auch zu Stundensätzen ab 14,40 Euro und Tagessätzen (79,00 Euro). Für die Flughäfen Tegel und Schönefeld wird eine Extra­pauschale von 4,90 Euro fällig.

DriveNow

Das Joint Venture von BMW und Sixt ist seit fünf Jahren auf dem Markt und betreibt 1150 Fahrzeuge, darunter 140 vollelektrische i3. Fahrten von oder zu Flughäfen (Extragebühr vier bis sechs Euro) werden 2000 Mal pro Woche gebucht. DriveNow ist vor allem im Ost-Teil der Stadt beliebt. Die häufigsten Startorte sind: Rosenthaler, Boxhagener und Zionskirchplatz sowie der Kollwitzkiez und die Zimmerstraße. Die Minutentarife betragen 31 bis 34 Cent. Es gibt Stundenpakete ab 29 Euro und Sparpakete. Das Geschäftsgebiet umfasst den um einige Wohngebiete erweiterten S-Bahn-Ring.

Universal-Apps

Trotz des rasanten Wachstums der Dienste ist die Fahrzeugdichte in Randlagen der Stadt dünn. Deshalb empfehlen sich sogenannte Meta-Apps wie MeMobility oder Carjump. Nutzer bekommen hier Fahrzeugstandorte mehrerer Anbieter angezeigt und können diese direkt buchen. Das Besondere von Carjump ist, dass eine einmalige Registrierung die Anmelde­prozesse bei allen Anbietern ersetzt. Darunter sind auch stationäre Dienste wie stadtmobil Berlin oder Cambio. Durch eine digitale Führerschein- und Personalausweisverifizierung entfällt die persönliche Vor-Ort-Registrierung bei vielen Anbietern.

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