Die Kunst des erfolgreichen Onlinehändlers sind zufriedene Kunden, die in seinen Shop zurückkehren. Ein Berliner Start-up hat dazu eine Software entwickelt. Sie weiß, welche Angebote Kunden wünschen.

Amazon-Kunden kennen das: „Kunden, die diesen Artikel gekauft haben, kauften auch ...“. Ein Viertel seines Umsatzes, schreiben Fachblogs, mache der Onlinehandelsriese mit solchen Empfehlungen. Kevin Dykes findet diese Art der Werbung plump. Deshalb hat er zusammen mit David Anderson, Karsten Rieke und Sandy Hathaway RetentionGrid erfunden. In dem Projekt stecken Jahrzehnte an Entwicklererfahrung. Diese Software analysiert große Datenmengen und errechnet daraus die, wie Dykes glaubt, wahren Kundenwünsche.

Kunden wollen betreut sein, aber keinen Werbe-Spam erhalten. „Der Verkäufer muss sie zur richtigen Zeit ansprechen und ihnen auf intelligente Weise Nachrichten senden, die für sie wichtig sind.“ Denn 80 Prozent der Käufer bestellen nur einmal in einem Online-Shop und kehren dann nie wieder dorthin zurück. Deshalb sei es wichtig, eine Beziehung zu den Kunden aufzubauen und ihnen etwas über die Marke und ihre Produkte zu erzählen – Sie sollen das Gefühl haben, zur Familie zu gehören. „Sie wollen keine Verkaufsmails mit Sonderangeboten erhalten.“

Doch was interessiert den Kunden und wann ist sein Interesse an einer Marke am größten? Das errechnet die von RetentionGrid entwickelte Software. Sie analysiert kleinste Informationen, die aus dem Profil und den Käufen eines Kunden abgeleitet werden. Daraus und aus entsprechenden Informationen von anderen Kunden werden Muster und Trends ermittelt, denen ein Kunde voraussichtlich folgt.

SAP als Partner

Um das herauszufinden, bedient sich RetentionGrid einer Datenbanktechnologie des Software-Riesen SAP. Sie ist in der Lage, besonders große Datenmengen schnell zu verarbeiten.

RetentionGrid ist ein Marketing-Werkzeug für kleine Onlineshops. 3000 davon hat Dykes bereits unter Vertrag. Wie zum Beispiel den Laden von Nicole Snow, die seit sechs Jahren irgendwo in den Apallachen (US-Bundesstaat Maine) einen nachhaltigen Onlineshop für Strickwaren betreibt.

17.000 neue Verkäufe

Sie teilte das Schicksal vieler Händler im Netz: Die meisten Kunden schauen einmal vorbei und bleiben dann sehr lange weg. „Nicole ist es mit unserer Software innerhalb von vier Monaten gelungen, 17.000 Dollar Umsatz zusätzlich zu machen, die Zahl ihrer Einmalkunden von 81 auf 73 Prozent zu senken und den Anteil der Anschlussbestellungen von 28 auf 46 Prozent zu erhöhen.“

Die Software wurde für Laien entwickelt. Sie soll dank der einfachen Visualisierung ohne Vorkenntnisse verstanden werden. Die unterschiedlichen Kundentypen werden in einer Übersichtsgrafik verschiedenfarbigen Vierecken zugeordnet. Im grünen Feld stehen die unproblematischen Stammkunden. Erstkäufer, die besonderer Pflege bedürfen, werden mit anderen Farben hervorgehoben. „Die Software soll verständlich auch für Nutzer ohne technische Kenntnisse sein“, sagt Dykes.

Künstliche Intelligenz

Der Onlinehändler erhält von der Software dreimal pro Woche eine automatische Nachricht, die ihm auf bestimmte Kundengruppen zugeschnittene Marketingaktionen vorschlägt – und vor allem den richtigen Zeitpunkt für die Werbeaktion nennt.

Das ist erst der Anfang. „Unsere Mission ist es, solche Prognosen auch für Kunden zu treffen, die erst einmal in einem Onlineshop eingekauft haben und von denen es wenig Daten gibt“, sagt Dykes. Ferner will er seiner Software künstliche Intelligenz einhauchen, so dass sie von alleine lernt und sich in ihren Vorhersagen von Mal zu Mal verbessert.

Soundcloud-Gründer als Investoren

Die Gründer der Berliner Musikplattform Soundcloud, Eric Wahlforss und Alexander Ljung, waren vom RetentionGrid-Konzet so überzeugt, dass sie gemeinsam mit anderen Kapitalgebern im Herbst des vergangenen Jahres eine halbe Million Euro in das Start-up investierten. Ferner konnten sich die Gründer von RetentionGrid für das Start-up-Focus-Programm des Software-Unternehmens SAP qualifizieren. RetentionGrid ist nicht der einzige Anbieter in diesem rasant wachsenden Geschäftsfeld. Optimove bietet eine vergleichbare Lösung an, die nach Dykes’ Worten aber teurer sei. RetentionGrid kostet je nach Shopgröße zwischen 80 und 1000 Dollar – im Durchschnitt 249 Dollar pro Monat.