Die Berliner Fotoplattform EyeEm wächst monatlich um eine Million Nutzer und gewinnt zunehmend auch industrielle Kunden, die Fotos von EyeEm für Marketingkampagnen nutzen. Smartphone-Fotografen können damit ihr Hobby zu Geld machen. Jetzt hat das Unternehmen von internationalen Investoren sechs Millionen Dollar (4,6 Millionen Euro) erhalten und kann damit neue Märkte erschließen.
Nutzer teilen mit der EyeEm-App Smartphone-Fotos, die sie mit Ortsangaben (Geo-Tags) und Themen versehen, bei Interesse auch kommentieren oder mit Effekten und Rahmen verfremden. Wer die Plattform als Betrachter besucht, sieht den Fotostream von anderen Fotografen, denen er wie beim Kurznachrichtendienst Twitter folgt, sowie Bilder von Themen, zu denen er selbst auch schon Fotos gespeichert hat.
EyeEm will kein zweites Instagram sein, bei dem die überwiegend banalen Bilder mit Filtern editiert werden und nach dem Teilen im digitalen Nirvana verschwinden. Die Plattform versteht sich vielmehr als Datenbank. Das Start-up hat sich zum Ziel gesetzt, den Markt der Stockfotografie neu zu erfinden – das sind Fotos, die von Agenturen für eine spätere kommerzielle Verwendung online bereitgestellt werden.
Smartphone-Fotos als Milliardenmarkt
Jason Whitmire, Partner des EyeEm-Hauptinvestors Earlybird, beziffert diesen Markt mit einem Volumen von fünf Milliarden Dollar, an dem praktisch jeder Smartphone-Besitzer partizipieren kann. Denn immer mehr Unternehmen nutzen Fotos aus dem Internet für Marketing-Kampagnen, will sie in Echtzeit verfügbar sind und weil ihr Angebot und ihre Qualität exorbitant steigen. Eine Fluglinie, die neue Ziele in Brasilien vermarkten will, findet in einer Online-Fotocommunity wie EyeEm schneller ein extravagantes Bild als in herkömmlichen Quellen. Zum Beispiel ein Foto mit Mädchen, Palme und Strand in Rio, das nach 2 Uhr nachts und vor Weihachten aufgenommen wurde. „Solche Bilder sind auf herkömmlichen Plattformen nicht erhältlich“, sagt Gründer Florian Meissner.
Die App ordnet Fotos automatisch Schlagworten zu. Sie sind mit Hilfe einer Suchmaschine leicht zu finden. Dieser Marktplatz soll noch im Laufe des Jahres veröffentlicht werden. Unternehmen wie Lufthansa, Red Bull und das Magazin Vice haben den Service bereits genutzt, um über „Missions“ Zugang zu authentischen und deshalb hochrelevanten Fotos für ihre Marketing-Kampagnen zu erhalten und Fotos von EyeEm-Fotografen gekauft.
Gewinnanteil für Fotografen
Die Bilder wurden dabei erfolgreich über EyeEm mit einem Gewinnanteil für die Fotografen verkauft. Hier unterscheidet sich EyeEm von Instagram. „EyeEm-Fotografen behalten die Rechte an ihren Bildern“, sagt Meissner. Instagram-Nutzer verschenken ihre Urheber- und Nutzungsrechte an das Unternehmen beziehungsweise die Konzernmutter Facebook.
Der Boom der mobilen Fotografie hat einen neuen Fotografentyp hervorgebracht. Sie sind keine ausgebildeten Profis und auch keine halbprofessionellen Amateure mit teuren Ausrüstungen. „No-Togs“ werden sie genannt. Sie fotografieren mit Smartphones, die sie stets mit sich führen. Allein auf Instagram werden täglich 45 Millionen Fotos veröffentlicht. Die Nutzerzahl ist auf 130 Millionen gewachsen.
Nächstes Ziel: 25 Millionen Nutzer
Auch die Technik der Smartphone-Kameras wird immer besser. Die Auflösung der Foto-Chips hat Dimensionen erreicht, die vor Jahresfrist nur in professionellen Kameras verfügbar war. Zuletzt sorgte der finnische Hersteller Nokia für Aufsehen, als das Unternehmen das Fotohandy Lumia 1020 mit einer 41-Megapixel-Kamera vorstellte.
„Immer mehr Amateurfotografen nutzen Smartphones“, sagt Earlybild-Investor Jason Whitmire, dessen Unternehmen in sieben Berliner Start-ups investiert hat. „Es ist ein riesiger Pool von semiprofessionelles Fotografen entstanden, die ihre hochwertigen Bilder verkaufen wollen. Längst habe sich ein Markt für mobile Fotografie entwickelt. Er hofft, dassEyeEm bald „die kritische Masse von 25 Millionen Nutzern erreicht“.
Investor vom Team begeistert
Stefan Glänzer, der zu den ersten EyeEm-Investoren zählt, nennt das „sensationelle Team“ als Hauptgrund für sein finanzielles Engagement in das Unternehmen. „Florian Meissner ist ein wirklicher Leader, Ramzi Rizk ein Back-End-Hero, Gen Sadakane liebt das Design, Lorenz Aschoff ist ein perfekter Produktmanager. Und alle sind leidenschaftliche Fotografen.“ Diese Mischung sei bei Start-ups in Europa selten, sagt Glänzer, der sich nie hätte vorstellen können, in eine Fotosharing-App zu investieren, bis er die vier EyeEm-Gründer traf.