Das Betriebsklima ist ein wertvolles Gut und entscheidet über den Erfolg eines Unternehmens. Gründer von schnell wachsenden Firmen wie Internet-Start-ups wissen das. Ihre Unternehmen sind jung und international. Das Arbeitspensum ist enorm und die hoch gesteckten Ziele sind nur erreichbar, wenn das ganze Team mit voller Kraft mitzieht. Wohlfühl-Manager, sie selbst nennen sich in ihrer internationalen Welt „Feelgood-Manager“, sind dafür verantwortlich, dass das Arbeitsklima stimmt. Immer mehr Unternehmen setzen auf den neuen Trend-Job und eine neue Firmenkultur.
Bei Google entstanden
Beim Internet-Konzern Google ist die Idee entstanden. Die Gründer Sergey Brin und Larry Page sorgten schon kurz nach der Gründung im Jahr 1998 für kostenfreie Verpflegung des Personals. Bald gab es bei Google Spielzimmer mit Billard, Flipper, Darts und Konsolen, Ruheräume für den Mittagsschlaf und Gratis-Massagen für Mitarbeiter. Sie sollen sich wohlfühlen. „Bei uns gibt es allerdings keine Person, die dafür zuständig ist. Es ist Teil der Firmenkultur geworden“, sagt Unternehmenssprecher Stefan Keuchel.
Das findet auch Gitta Blatt. Sie ist als Personalchefin gemeinsam mit fünf Kollegen beim Berliner Spieleentwickler Wooga für das Wohl der 280 Mitarbeiter verantwortlich. „Anfangs wurden wir von anderen Unternehmen belächelt“, erinnert sie sich. „Denn Feelgood-Management passte nicht zur deutschen Mentalität.“ Für Spaß auf Betriebskosten gibt es in den Excel-Tabellen traditioneller Personalbuchhalter keine Spalte.
Raum für Kreativität schaffen
Feelgood-Managern geht es nicht in erster Linie darum, Party zu machen. Vielmehr soll möglichst viel überflüssiger Stress von den Mitarbeitern ferngehalten und Raum für Kreativität geschaffen werden. Für Eltern gibt es bei Wooga einen Babysitter-Express, für neue Mitarbeiter werden 20 Wohnungen bereitgehalten, in denen sie sich sechs Wochen lang an die Stadt gewöhnen können. Ausländische Mitarbeiter werden bei Behördengängen begleitet und beim Ausfüllen von Formularen unterstützt. Heimweh soll keine Chance haben.
Bei Starter-Sessions lernen Neulinge das Management kennen und die Unternehmensziele. Der Mystery Lunch ist ein Geschäftsessen, bei dem die Neuen auf unbekannte Kollegen treffen. „Brown Bag“ und „Five Minutes of Fame“ heißen Vortragsreihen, bei denen Mitarbeiter ihr Wissen mit Kollegen teilen. Beachvolleyball- und Wakeboardgruppen sorgen für eine familiäre Atmosphäre. Gitta Blatts Aufgabe ist es dabei vor allem, den Mitarbeitern zuzuhören und eine Wohlfühlkultur im Unternehmen zu schaffen.
Da stimmt ihr Markus Witte zu, der Gründer der Sprachlernplattform Babbel: „Es geht beim Feelgood-Management nicht darum, Spaß zusätzlich zum Job zu schaffen wie ein Zuckerguss auf etwas ansonsten Ungenießbarem, sondern darum, die Arbeit selbst spannend und angenehm zu gestalten. Das ist gerade in Wachstumsphasen eine Herausforderung.“ Spaß bei Arbeit zu haben, ist bei Babbel oberstes von elf Unternehmenszielen. Deshalb ist Feelgood-Management dort keiner Person zugeordnet, sondern eine Aufgabe, die sich auf viele Schultern verteilt.
Frustrierte leisten weniger
Lea Böhm ist bei Ezeep, einem Anbieter von cloudbasierten Drucklösungen, für das Feelgood-Management zuständig. Sie versteht sich als Vermittlerin zwischen Kollegen, „um Frustpotenzial abzubauen, damit sich jeder verwirklichen kann“, denn frustrierte Mitarbeiter leisten weniger. Böhms Arbeit hat das Ziel, eine gute Firmenkultur zu etablieren, „damit sich die Kollegen auf ihre Arbeit konzentrieren können“. Unternehmensgründer Sascha Kellert sagt: „Man muss Unternehmenskultur früh richtig definieren, sonst gibt es später Probleme.“ Das war für ihn Grund, diese Stelle zu schaffen, obwohl das Unternehmen erst 20 Mitarbeiter hat.
Diesen Schritt hat das Unternehmen Jimdo längst hinter sich, ein Hamburger Anbieter von Tools zum Bauen von Webseiten mit inzwischen 170 Mitarbeitern. Jimdo gilt als einer der Wegbereiter der Feelgood-Kultur in Deutschland und ist sehr darauf bedacht, das WG-Gefühl in dem zum global agierenden Unternehmen gewachsenen Start-up zu erhalten.
Mitgründer Fridtjof Detzner sagt in einem Video: „Erfolg hängt nicht am Produkt, sondern an den Menschen“. Und wenn man Spaß habe und zusammen arbeite, entstehe Unternehmenskultur. „Wir wollten einfach das Gefühl nicht verlieren, sich jeden Tag auf die Arbeit und auf seine Kollegen zu freuen“, sagt er. Dafür Sorge zu tragen ist Aufgabe von Feelgood-Managerin Magda Bethge. Sie verschafft neuen Mitarbeitern einen guten Start.
Vizepräsidenten kümmert sich um Unternehmenskultur
Eine ähnliche Position gibt es auch beim Berliner Forscher-Netzwerk ResearchGate sowie bei der Audiostreaming-Plattform Soundcloud. Dort ist es mit Caoimhe Keogan, die sich im Rang einer Vizepräsidentin um die Unternehmenskultur kümmert. Beim Spielevermarkter Hitfox kümmert sich Sarah Hoffmann um das Wohlbefinden des Teams und organisiert Events. Sie spricht regelmäßig mit allen Mitarbeitern um sicherzustellen, dass die Work-Life-Balance stimmt und generell gute Stimmung herrscht.
Ein Berufsbild für den neuen Job des Feelgood-Manager gibt es noch nicht. Viele sind Quereinsteiger: Lea Böhm von Ezeep hat Volkswirtschaft, Politik und Soziologie studiert. Magda Bethge von Jimdo ist Sporttherapeutin und Pädagogin. Gitta Blatt ist Wirtschafts- und Kommunikationswissenschaftlerin. Die Branche ist fest in Frauenhand.
Feelgood-Management ist für die Start-up-Branche wichtig, um Mitarbeiter an die Unternehmen zu binden. Denn der Wettbewerb ist hart und die Experten sind gefragt. „Wir brauchen die besten Leute aus aller Welt“, sagt Gitta Blatt von Wooga. Für qualifizierte Bewerber sei das Gehalt allein nicht mehr der Hauptgrund, um eine neue Stelle anzutreten. „Sie wollen etwas schaffen, einen Fußabdruck im Unternehmen hinterlassen und damit erfolgreich sein“, sagt die Personalchefin. Das Umfeld, der Umgang der Kollegen untereinander, die Freiheiten und die Frage, ob Verantwortung gelebt werde, seien wichtige Kriterien für eine Jobwahl geworden.
Feelgood als Exportartikel
Immer mehr Unternehmen erkennen die positiven Effekte von Feelgood-Management. Für die Kreuzberger Innovationsagentur Dark Horse ist die eigene Erfahrung auf diesem Gebiet sogar zum Exportschlager geworden.
Das Unternehmen wurde Mitte 2009 von 32 Absolventen der HPI School of Design Thinking gegründet. Das hierarchiefreie Unternehmen, in dem es auch keine Chefs gibt, unterstützt Konzerne wie Volkswagen, Otto, DHL und die Bahn beratend bei Innovationsprojekten. Mitgründerin Lisa Zoth erklärt, dass das Unternehmen Anleihen bei der Organisationsstruktur von Klöstern genommen hat, in welcher die funktionierende Gemeinschaft das oberste Gut darstellt und der Abt lediglich eine ausgleichende Instanz darstellt.
Mehrere Mitarbeiter kümmern sich bei Dark Horse im so genannten Gemeinschaftsamt – einer Art Feel-Good-Management – um das Betriebsklima. „Es geht darum, ein empathisches Bauchgefühl für die Kollegen zu entwickeln, das Grummeln zu hören und Probleme anzusprechen“, sagt Lisa Zoth. Alle Entscheidungen fallen in dem hierarchiefreien Unternehmen nach dem soziokratischen Konsentprinzip. In dieser Organisationskultur bildet das Gemeinschaftsamt einen wesentlichen Bestandteil.
„Das führt dazu, dass wir so schlagkräftig sind und so gut miteinander auskommen.“ Diese Kultur auf andere Unternehmen zu übertragen, ist für Dark Horse zu einem neuen Geschäftsmodell geworden. Firmen mit gewachsenen Strukturen fordern Berater an und wollen die Feelgood-Atmosphäre von Dark Horse importieren.