Kommentar

republica – Wenn Nerds weitgehend unter sich bleiben

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Jürgen Stüber

Foto: Ole Spata / dpa

5000 Besucher, 470 Redner, 300 Sessions – die Netzkonferenz „republica“ will alle Facetten des Web abbilden. Doch ihre Debatten kommen in der Gesellschaft nicht an. Das Netzwerk bleibt im Netzwerk.

„republica“ – Wörtlich übersetzt bedeutet der zusammengesetzte Begriff „öffentliche Sache“. Meist wird er im Sinne von „Gemeinwesen“ oder „Staat“ verwendet. Dass die Netzkonferenz „republica“ in Berlin diesen Namen schon vor sieben Jahren gewählt hat, ist Programm. Sie will das Internet in allen seinen Facetten zur öffentlichen Sache machen. Sie will das Innere des weltumspannenden Netzwerks nach außen kehren, um es zu analysieren und den Einzelnen im Netzwerk zu verorten, wie das aktuelle Motto der am Mittwoch beendeten Konferenz „In/Side/out“ sagt.

Doch machen wir uns nichts vor: Auch wenn es so scheint, ist das Phänomen Internet noch längst keine öffentliche Sache. Vieles von dem, was auf der „republica“ Thema war und die „Netzgemeinde“ bewegt, ist in der Mitte der Gesellschaft nicht angekommen. Für die breite Masse der Nutzer bleibt das Internet ein unbekannter Kontinent.

Was viele sehen, wenn sie Internet meinen, ist dessen Peripherie. Sie suchen mit Google, teilen ihre Stimmung auf Facebook, posten Links per Twitter und Fotos per Pinterest oder Instagram, kaufen bei Amazon. Dieser Teil des Internet ist zur „republica“ geworden, zur öffentlichen Sache. Und an dieser Stelle endet auch das Interesse derer, für die das Internet nicht mehr als Facebook und YouTube ist.

Empörungsautomatik gegen „Drosselkom“

Erst, wenn eine Veränderung dräut, reibt sich die Weböffentlichkeit irritiert die Augen. Als der Internetfuturist Cory Doctorow auf der „republica“ 2009 vor dem Mehrklassenklassen-Internet warnte und Szenarien für den Verlust von Netzneutralität beschrieb (>> Video seines damaligen Vortrags), hielten ihn viele für einen Spinner.

Und heute? Scheinbar wie ein Blitz aus heiterem Himmel kam für viele die Ankündigung der Deutschen Telekom daher, Internet-Flatrates zu kappen. Das war eines der harmloseren Szenarien, die Doctorow 2009 prognostizierte. Zwar setzte sich die Empörungsautomatik des Internet in Bewegung, ein Jugendlicher wurde mit seiner Kampagne „Drosselkom“, die gegen die Telekom-Pläne polemisiert, zur Berühmtheit. Aber ändern wird sich daran nichts – zu spät.

Die Chance der „Netzgemeinde“, das Thema früher in die politische Öffentlichkeit zu tragen, wurde verpasst. Und das Interesse der Netzpolitiker, sich damit zu befassen, könnte größer sein.

„Das Internet ist das Nervensystem des 21. Jahrhunderts“, sagt Doctorow in diesem Jahr auf der „republica“. „Wir können ein Netzwerk der Freiheit bauen. Es liegt an uns, diesen freiheitlichen Layer zu entwickeln.“

Wichtig, aber auch anstrengend

Wie dringend es ist, das Internet politisch zu gestalten, zeigte die Flatrate-Debatte im Kleinen und einige Veranstaltungen auf der „republica“ im Großen –nämlich die Reden der politisch verfolgten kubanischen Bloggerin Yoani Sánchez, die Gespräche mit oppositionellen Internetaktivisten aus dem Iran und aus Syrien.

Auf der „republica“ blieben die Nerds weitgehend unter sich – in ihrer kirchentagsähnlichen Autosuggestion, in ihrer netzpolitischen Erfolglosigkeit, aber auch in ihrer Aufbruchstimmung, die Welt zum Guten zu verändern. Egal ob sich Modeblogger trafen, Wissenschaftler oder Web-Entrepreneure.

Die dreitägige Veranstaltung mit mehr als 5000 Teilnehmern, 470 Rednern und fast 300 Veranstaltungen ist ein riesiger Markt mit dem Anspruch, alle Facetten des Internet abzubilden. Das macht sie als Netzwerk im Netzwerk wichtig, aber auch anstrengend, wenn man etwas Bestimmtes sucht.

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