Seriengründer

Hitfox-Gründer Jan Beckers – Der Mann im Hintergrund

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René Gribnitz

Foto: Reto Klar

Er ist 30 und hat fünf Start-ups gegründet. Mit dem Spielevermarkter Hitfox baut sich Jan Beckers jetzt seinen eigenen Inkubator in Berlin. Gründungsinvestoren wie Hasso Plattner hat er ausgezahlt

300, 400, 500 Prozent. Wer Jan Beckers zu den Wachstumsaussichten seiner Hitfox-Gruppe fragt, bekommt keine definitive Aussage. Dafür wächst der Berliner Spielevermarkter derzeit einfach zu rasant. Konservativ gerechnet, sagt Beckers, dürfte der Umsatz am Ende des laufenden Geschäftsjahres „einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag erreichen“. Tatsächlich erwartet Beckers: mehr. Und bei allem, sagt er, erreiche die gesamte Gruppe schon jetzt ein positives operatives Ergebnis.

Hitfox profitiert vom tiefgreifenden Wandel in der Computerspiele-Industrie. Wer heute spielen will, braucht keine hochgerüsteten Rechner oder kostspielige Konsolen für den Fernseher mehr und erst recht keine teuren DVD. Spiele werden immer seltener im Laden gekauft, stattdessen aus dem Internet geladen – oder gleich komplett Online gespielt. Und das immer öfter auf mobilen Geräten. 40 Prozent der in Deutschland verkauften Spiele wurden 2012 bereits digital vertrieben.

Das befeuert das Wachstum der Spielebranche, die 2010 erstmals in Deutschland mit einem Umsatz von knapp unter zwei Milliarden Euro sowohl die Musikindustrie als auch die Filmbranche hinter sich gelassen hatte. „Physische Produkte wird es weiter geben, aber der Bereich wird zur Nische“, sagt Beckers, „wir haben den Niedergang hautnah erlebt.“

Gestartet als „Groupon für Games“

Seriengründer Beckers hat Hitfoxs 2011 zusammen mit dem Inkubator Team Europe gegründet. Das Unternehmen wollte zum „Groupon für Games“ werden. Hitfox vermarktete Computerspiele und Hardware als Sonderangebote, verschaffte so gleichzeitig Spieleentwicklern gegen Provision neue Kunden. Wie Groupon wuchs das Unternehmen schnell.

Doch wie es eben auch das echte Groupon gerade spürt, hat das Aktions- und Rabattgeschäft Grenzen. „Und in dem Moment, an dem Sie beginnen, sich über Lagerkapazitäten oder mit den Folgen eines Einbruchs ins Lager beschäftigen zu müssen, macht das alles keine Freude mehr.“ Beckers stellte das zuletzt „so okay-laufende“ Endkunden-Geschäft Ende vergangenen Jahres ein und stürzte sich vehement auf das Dienstleistungsgeschäft mit Spieleentwicklern, die auf dem neuen Vertriebsweg Internet Hilfe benötigen. „B2B findet im Hintergrund statt, ist aber deutlich attraktiver“, sagt Beckers.

Den radikalen Schritt erleichtert hat die rasante Entwicklung der anderen Teile der Hitfox-Gruppe. Ad2Games, das vor 14 Monaten zugekaufte Werbenetzwerk, das – ähnlich einer Mediaagentur – für Spieleentwickler Werbeplätze auf Webseiten vermittelt. Oder aber AppLift, das den Spieleentwicklern hilft, die digitalen Spiele im Netz an den Spieler zu bringen. Und das ebenfalls selbstgegründete GameFinder, das Spielebegeisterten mobile Spiele empfiehlt. „Ich habe schon einige Unternehmen gegründet, aber wie schnell sich GameFinder entwickelt, das habe ich noch nirgends erlebt“, sagt Beckers. „Seit das Bezahl-Problem im mobilen Netz gelöst ist, kennt der mobile Spielemarkt nur noch eine Richtung: steil nach oben.“

Die drei Firmen sind unter dem Holding-Dach der Hitfox gebündelt, die Beckers wiederum zu einem Inkubator für Dienstleistungs-Start-ups ausbaut. Jedes Jahr soll aus einer bei Hitfox geborenen Geschäftsidee mindestens eine Firma werden, die einer der Mitarbeiter übernimmt.

Wichtigster europäischer Digital Influencer

Beckers hat bereits fünf marktrelevante Start-ups gegründet, darunter den Marktplatz für Werbung im mobilen Netz, Madvertise, oder die Jobbörse für Studenten und Jungakademiker, Absolventa. Der 30-Jährige ist überdies am Berliner Lieferdienstportal Delivery Hero beteiligt. „Mein Ziel ist es, ein Unternehmen anzuschieben und dann, wenn es funktioniert, das nächstgrößere in der Branche anzugehen“, sagt Beckers, den die Next-100-Jury gerade zum wichtigsten Kopf der europäischen Digitalindustrie gekürt hat.

Hitfox’ Wandel zur Holding und von Beckers betriebenen Geburtsmaschine hat dazu geführt, dass sich die Mitgesellschafter Kite Ventures, Hasso Plattner Ventures und Tengelmann aus dem Unternehmen zurückgezogen haben. Beckers hat die Anteile, die jeweils unter fünf Prozent lagen, zurückgekauft. Damit gehört Hitfox zu 85 Prozent dem Management und großen Teilen der Belegschaft – 60 Prozent der Mitarbeiter sind an dem Unternehmen beteiligt. Die restlichen 15 Prozent teilen sich Team-Europe-Gründer Lukasz Gadowski, Bigpoint-Gründer Heiko Hubertz über seine Investmentgesellschaft Digital Pioniers und Holtzbrinck Ventures.

Der Vorteil der Hauptstadt

Die Gruppe arbeitet mit rund 160 Spieleentwicklern zusammen, vom US-Branchenprimus Electronic Arts bis zum Berliner Mobil-Spezialisten Wooga. Nur 20 Prozent der Umsätze generiert Hitfox dabei auf dem Heimatmarkt. Die meisten Kunden kommen aus den USA. Entsprechend treibt Beckers den Ausbau der Repräsentanz in San Francisco voran. „Da sitzen unsere Geschäftspartner, unsere Multiplikatoren und Wettbewerber.“ Weitere Büros hat Hitfox in der südkoreanischen Hauptstadt Seoul und in Paris.

Die Internationalität des Geschäfts spiegelt sich in der Belegschaft wieder. Mehr als die Hälfte der derzeit knapp 90 Mitarbeiter sind aus dem Ausland nach Berlin gekommen. „Das ist Berlins Wettbewerbsvorteil gegenüber San Francisco“, sagt Beckers, „hierher kommen aus aller Welt gute Leute.“ Für Hitfox allerdings nicht schnell genug. Bis zum Jahresende soll sich die Mitarbeiterzahl verdoppeln. Beckers sagt: „Ich könnte sofort 50 Leute einstellen, wenn ich sie bekäme.“