Allzu oft kommt es nicht vor, auch nicht bei einem routinierten Veranstalter von Großevents wie der katholischen Kirche, dass eine heilige Eucharistie auf einem Flugplatz gefeiert werden muss, gleich neben der Landebahn. Doch Freiburg hat kein Olympiastadion, der SC spielt vor 25.000 Zuschauern. Einen passenderen Ort indes als jenen, wo man sonst direkt in den Himmel startet, hätte Freiburg eigentlich nicht finden können für den letzten Gottesdienst der viertägigen Reise von Benedikt XVI. durch seine Heimat.
Zum Abschluss seines Staatsbesuchs hatte er die Katholiken in Deutschland mit Blick auf die Forderungen nach Reformen zu Papst-Treue und zur Einheit mit der Weltkirche ermahnt. „Die Kirche in Deutschland wird für die weltweite katholische Gemeinschaft weiterhin ein Segen sein, wenn sie treu mit den Nachfolgern des heiligen Petrus und der Apostel verbunden bleibt“, sagte der Papst vor rund 100.000 Pilgern am Sonntag in Freiburg. Zugleich müsse sich die Kirche mehr von ihrer „Verweltlichung“ lösen. Die Erneuerung der Kirche könne nur durch die Bereitschaft zur Umkehr und einen erneuerten Glauben kommen. Benedikt bedankte sich für „erlebnisreiche und bewegende Tage“ in der Heimat.
Dem südbadischen Universitätsstädtchen, dieser katholischen Enklave mitten im Reformationsland, ist es gelungen, seinen ersten Papstbesuch in 900 Jahren Stadtgeschichte formvollendet über die Bühne zu bringen. Freiburg bescherte dem Papst und der Kirche endlich jenen jubelnden Empfang, jene Euphorie und all die Bilder von applaudierenden Gläubigen und jugendlichen Papstfans, die der 84-Jährige in Berlin und Erfurt schmerzlich vermisst haben dürfte. Schon am Abend seiner Ankunft, beim Nachtgebet (Vigil) mit rund 23.000 überwiegend jungen Menschen, wirkte der Papst lockerer als während der diffizilen Etappen im Osten der Republik. Zufrieden blickte er auf das Meer von Fahnen und seligen Gesichtern. Mancher Teenager wurde vor Aufregung, Benedikt Superstar live zu erleben, ohnmächtig und musste im Malteserzelt versorgt werden.
Papst wirkte regelrecht verjüngt
Am Sonntag schließlich, als Benedikt im Papamobil seinen „Giro“ absolvierte, seine unverzichtbare Tour durch die Menge, als er emsig Babys segnete und 90.000 Gläubigen zuwinkte, da meinte man ihn regelrecht ein halbes Jahrzehnt verjüngt zu erleben. Selbst sein Pressesprecher Federico Lombardi wunderte sich: „Es geht ihm viel besser, als ich erwartet hätte.“ Sogar das Wetter spielte den Baden-Württembergern in die Hand. Es war fast unheimlich, dass es sich bald nach dem Ende der Messe wieder eintrübte.
Ein Grund mehr für Benedikt XVI., dem Freiburger Erzbischof Robert Zollitsch dafür zu danken, dass dieser bei ihm so lange gedrängelt habe, nach Freiburg zu kommen, bis quasi keine Ausrede mehr übrig war. Allerdings gibt es durchaus Bande zu der Stadt. 1978, beim Deutschen Katholikentag, hatte Joseph Ratzinger dort mit Mutter Teresa das Angelusgebet gehalten, was ihm offenbar eine sehr wertvolle Erinnerung ist. Zugleich allerdings gelten die Freiburger Katholiken als besonders liberal, was auch ein Grund dafür sein könnte, dass in einer Region, in der fast vier Millionen Katholiken leben, doch insgesamt nicht mehr als 150.000 zur Papstfeier nach Freiburg gekommen sind. Dabei hatte die Erzdiözese bei ersten Planungen mit doppelt so vielen gerechnet, für 300.000 war auch das Sicherheitskonzept ausgelegt.
Im Gespräch mit dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK), der Laienvertretung also, kritisierte Benedikt XVI. zur Überraschung vieler dann unverblümt die Organisation der hiesigen Kirche: Es gebe „einen Überhang an Strukturen gegenüber dem Geist“. Alle strukturellen Reformen blieben wirkungslos, wenn „wir nicht zu einer wirklichen Erneuerung des Glaubens finden“. Diese Haltung zog sich wie ein roter Faden durch den Freiburger Besuch. Bei der Eucharistie forderte der Papst von den deutschen Katholiken Treue zur römischen Weltkirche, in der Jugendvigil hatte er zuvor betont: „Der Schaden der Kirche kommt nicht von ihren Gegnern, sondern von den lauen Christen.“ Und er betonte, unter den christlichen Kirchen und Gemeinschaften stehe ihm die Orthodoxie am nächsten.
Dass der Papst seine Kritik nicht vor Bischöfen, sondern vor Laienvertretern formulierte, empfand so mancher als Kritik an den mächtigen katholischen Verbänden. Der Bundesverband der katholischen Jugend war entsprechend enttäuscht. „Unsere Strukturen sind kein Selbstzweck, sondern Mittel zum Zweck“, sagte der Bundesvorsitzende Dirk Tänzler.
Und die zur Gebetsnacht angereisten Jugendlichen machten keinen Hehl daraus, dass sie so vieles nicht nachvollziehen können oder wollen. Sie wollen vor allem selbst denken und entscheiden dürfen. Rom? Weit weg. Klatschstangen waren verteilt worden, grüne und rote Lufthüllen, mit denen sich auch prächtig Meinungsumfragen durchführen ließen: Rote Stange hoch heißt Nein, die grüne Stange steht für Ja. Bei der per Lautsprecher vorgetragenen Aussage „Alle Entscheidungen für die Kirche vor Ort sollen zentral in Rom getroffen werden“ gingen fast nur rote Stangen in die Luft.
Am Sonntagabend verließ Papst Benedikt XVI. nach seinem viertägigen Besuch Deutschland wieder. Der Airbus „Regensburg“ der Lufthansa mit dem Heiligen Vater startete vom Flughafen Lahr in Richtung Rom. Am Airport bedankte sich der Papst für die Gastfreundschaft in den vergangenen vier Tagen in Deutschland. Bundespräsident Christian Wulff verabschiedete Benedikt zusammen mit den Spitzen der katholischen Kirche.