Schrecksekunde am Morgen: Während sich Zehntausende Katholiken am Samstagmorgen zum Erfurter Domplatz aufmachten, um dort gemeinsam mit Papst Benedikt XVI. einen Gottesdienstes zu zelebrieren, schoss ein Mann knapp 400 Meter Luftlinie entfernt auf Mitarbeiter eines privaten Sicherheitsdienstes. Die Schüsse gab der Mann aus einem Dachgeschossfenster heraus ab, verletzt wurde niemand. Bei der Waffe soll es sich um ein Luftgewehr gehandelt haben.
Insgesamt vier Mal soll der 30-Jährige nach Polizeiangaben am frühen Morgen aus einem Fenster im Dachgeschoss auf die Mitarbeiter gefeuert haben, die an einer Personenschleuse im äußeren Bereich der Erfurter Altstadt eingesetzt waren. Die Schüsse fielen bereits gegen 7 Uhr am Morgen, erst zwei Stunden später meldete die Firma den Vorfall den Behörden.
„Die Polizei hat den Vorfall sehr sorgfältig geprüft und die betreffende Wohnung ausfindig gemacht. Dann wurde telefonisch Kontakt zu dem Mann aufgenommen“, sagte ein Polizeisprecher. Der Versuch, mit dem Schützen zu reden, sei allerdings gescheitert.
Erst nach dem Ende des Gottesdienstes auf dem Domplatz gegen 11 Uhr entschlossen sich die Beamten schließlich zum Zugriff. Sondereinsatzkräfte brachen die Tür auf, stürmten die Wohnung. Der mutmaßliche Schütze wurde vorläufig festgenommen. Von den Gläubigen in der Erfurter Altstadt blieb der Vorfall völlig unbemerkt. Gegen den Mann wird nun wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung ermittelt. In einer ersten Vernehmung bestritt er die Tat. Der gebürtige Erfurter, der in Berlin lebt, ist nach Polizeiangaben nicht vorbestraft. Er soll am Wochenende zu Besuch bei einem Freund gewesen sein.
Gespräch mit dem Altkanzler
Vatikansprecher Federico Lombardi hat die Luftgewehrschüsse als „absolut unbedeutend“ dargestellt. Der Zwischenfall habe keinerlei Auswirkungen auf den Ablauf der Reise, sagte Lombardi in Radio Vatikan. „Es war ein völlig marginales Ereignis vor der Messe, abseits vom Platz, ziemlich weit entfernt und ohne jeden Schweregrad.“ Es habe praktisch niemand den Vorfall bemerkt. Am Samstagmorgen hatte Benedikt bei der Messe auf dem Erfurter Domplatz den Mut der Katholiken in DDR-Zeiten gewürdigt.
Mit begeisterten „Benedetto“-Rufen und weiß-gelben Fähnchen ist Papst Benedikt XVI. in Freiburg empfangen worden. Am Samstagabend fand ein auf dem Messegelände eine Gebetsvigil mit 30.000 Jugendlichen statt, am Sonntag eine Messe auf dem Flugplatz mit 90.000 Gläubigen.
Am Nachmittag traf der Papst den früheren Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) zu einer päpstlichen Privataudienz. Der 84-jährige Benedikt und der 81 Jahre alte Kohl kamen im Priesterseminar der Erzdiözese Freiburg zu einem 25 Minuten dauernden Gespräch zusammen. Begleitet wurde der im Rollstuhl sitzende Kohl von seiner Ehefrau Maike Kohl-Richter.
Das Gespräch fand hinter verschlossenen Türen statt. Die Begegnung kam auf Einladung des Papstes zustande, sagte der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Freiburgs Erzbischof Robert Zollitsch. „Es war der Wunsch des Heiligen Vaters, dem Kanzler der Einheit zu begegnen.“ Der Papst habe schon früh bei den Planungen seiner Deutschlandreise diesen Wunsch geltend gemacht. Mit dem Treffen würdige der Papst die Leistung des Altkanzlers für die deutsche Einheit und für Europa. Kohl wollte sich nicht äußern. Der Altkanzler verstehe das Treffen mit dem Papst als Privatangelegenheit, teilte sein Büro auf Anfrage mit. Der Sekretär der Deutschen Bischofskonferenz, Pater Hans Langendörfer, sagte am Samstag: „Der Papst hat ganz am Anfang der Reiseplanung einige Ideen geäußert. Und er hat den Wunsch geäußert, eine Person auf jeden Fall treffen zu können: Das war Altkanzler Kohl.“ Kohl hat das sehr gerne angenommen. „Helmut Kohl ist der Mann, der sich in die deutsche Geschichte eingegraben hat, der gleichauf mit Johannes Paul II., dem polnischen Papst, an der Überwindung der Teilung Europas politisch gearbeitet hat“, sagte Langendörfer. „Bei dieser Reise spielt die Freiheit eine große Rolle. Was liegt da näher, als diesen Mann hier in Deutschland zu treffen.“
Bei dem Treffen mit Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) fragte Benedikt XVI. überraschend nach dem aktuellen Stand des Bahnprojekts Stuttgart 21. In der ARD sagte Kretschmann, der Papst habe den Konflikt sogar mit dem Streit in der katholischen Kirche verglichen. Er habe dem Papst geschildert, wie er sich bemühe, dass der Konflikt nicht die Gesellschaft spalte. „Ja, das Problem habe ich auch, wie ich eine pluralistisch werdende Kirche zusammenhalte“, habe der Papst geantwortet. Kretschmann hatte die katholische Kirche vor dem Treffen in einem Interview kritisiert und Reformen verlangt. Bei seinem Gespräch mit Benedikt habe er dies aber nicht angesprochen, sagte Kretschmann, der Mitglied im Zentralkomitee der deutschen Katholiken ist.
Papst Benedikt XVI. beendet am Sonntag seinen viertägigen Deutschlandbesuch. Zunächst feiert er mit 90.000 Gläubigen eine Heilige Messe auf dem Freiburger Flugplatz. Dort wurde hinter der Rollbahn eine Altarbühne aufgebaut, für die Besucher stehen Bänke bereit. Nach der Messe steht ein Mittagessen mit den Mitgliedern der Deutschen Bischofskonferenz auf dem Programm. Am Nachmittag trifft Benedikt Bundesverfassungsrichter im Freiburger Priesterseminar und engagierte Katholiken im Konzerthaus, wo er eine Rede hält. Am Abend reist der Papst, der zuvor Berlin und Thüringen besucht hatte, zurück nach Rom.