Ich bin ein Berliner

Isabel Engelmann – die Klavierspielerin

| Lesedauer: 5 Minuten
Claudia Becker (Text) und Massimo Rodari (Fotos)

Mehr als drei Millionen Menschen leben in Berlin. Sie alle tragen mit ihrer Arbeit oder einfach nur mit ihrer Art dazu bei, dass das Leben hier so lebendig ist wie in keiner anderen Stadt. Auf Morgenpost Online erzählen sie ihre Geschichte. Wir stellen sie vor.

Sie war schon neun Jahre alt, als sie zum ersten Mal Klavierunterricht bekam. Wirklich jung ist das für eine Anfängerin, die es noch weit bringen sollte, nicht. Doch für Isabel Engelmann war das kein Hindernis. Vielleicht war es sogar ein Vorteil, weil sie schon wusste, was sie unbedingt will: Klavier spielen.

Seit der ersten Unterrichtsstunde konnte sie nicht mehr lassen von dem Instrument, das ihr Leben bestimmen würde. Sie übte. Sie kämpfte. Sie kam immer weiter. Natürlich gab es auch mal Niederlagen, Tränen. Kämpfe mit sich selbst. Aber es hat sich gelohnt, sagt sie: "Das, was mir die Musik gegeben hat an Gefühlen, die ich ausdrücken konnte, das hat mich immer wieder über diese Hindernisse hinweg gehoben."

Dass die gebürtige Berlinerin ihre Leidenschaft zum Beruf machen wollte, das war bald keine Frage mehr. Sie besuchte das Konservatorium in Luxemburg. Sie studierte an der Hochschule für Musik und Theater in Hamburg, die sie 2004 mit Auszeichnung abschloss. Sie absolvierte ein Aufbaustudium an der Akademie für Tonkunst in Darmstadt. Und sie spielte. Schon als Studentin trat sie international in Solo- und Kammerkonzerten auf und gewann mehrere Preise. Seit 2003 lebt sie wieder in Berlin. Sie spielt CD-Aufnahmen ein. Außerdem verleiht sie Fernsehfilmen mit ihrem Klavierspiel musikalische Atmosphäre. Darüber hinaus hat sie sich als Kammermusikpartnerin sowie als Solistin, deren Repertoire alle Epochen umfasst, einen Namen gemacht. Sie möchte, dass die Zuhörer auch etwas über das Leben des Komponisten erfahren. Im vergangenen Jahr, in dem sich Chopins Geburtstag zum 200. Mal jährte, glänzte sie als Interpretin des polnischen Komponisten. Der Schauspieler Stephan Dierichs las dazu aus der Chopin-Biografie von Bernard Gavoty. Isabel Engelmann hatte sich für diese Biografie entschieden, weil sich Chopins Musik so gut mit der Atmosphäre verweben lässt, die aus den Texten spricht.

Aber Isabel Engelmann vermittelt nicht nur Hörgenuss und Musikgeschichte – sie bringt Berliner Mädchen und Jungen das Klavierspiel bei. Sie liebt ihren Beruf. Mit Kindern zu arbeiten, sagt sie, das ist wie in einer Zeitblase zu sein. Sie mag es, sich von den Kindern ausbremsen zu lassen, die Zeit zu vergessen. Das gibt ihr Muße, sagt sie, die fruchtbar ist. Sie hat immer wieder neue Ideen, mit denen sie die Kinder begeistert. Wenn sie merkt, dass ein Kind gar nichts mit dem Instrument anfangen kann, dann macht sie das richtig unglücklich. Das ist selten so. Mit den meisten Schülerinnen und Schülern macht die Arbeit viel Spaß. Die meisten Kinder kommen, sagt sie, weil sie es selber wollen, nicht um den Eltern einen Gefallen zu tun. Das spürt sie. In einigen Berliner Familien unterrichtet sie gleich drei Kinder, und das seit vielen Jahren. Sie ist beliebt, weil die Kinder Fortschritte machen, bei den regelmäßigen Vorspielen außergewöhnliche Leistungen bringen und bei Wettbewerben Preise gewinnen. Sie fordert viel. Nur wer regelmäßig übt, kommt weiter. Das wissen die Kinder. Und das ist vermutlich auch der Grund dafür, dass ihre Schülerinnen und Schüler häufig auch in der Schule gut mitkommen. Arbeit. Kampf. Das hat sie selbst erlebt. Aber auch das tolle Gefühl, Erfolg zu haben. Zu lernen, dass selbst die schwierigsten Passagen zu schaffen sind, wenn man nur will.

Zu hören ist Isabel Engelmann u. a. am 29.5. im Gut Saathain, Saathain, bei einem Chopin-Konzert mit Lesung, (16 Uhr), am 25.6. im Schloss Friedrichsfelde bei einem Liederabend (22 Uhr) oder am 29.10. in der Studiobühne Kreuzberg-Friedrichshain zu einem Klavierduo (16 Uhr). Weitere Konzert-Termine unter www.hooolp.com/Isabel_Engelmann

Mehr als drei Millionen Menschen leben in Berlin. Und alle haben eine Geschichte. Bei Morgenpost Online erzählen sie sie selbst. Wir porträtieren die Metropole und ihre ganz normalen Bewohner, aus der Nähe, persönlich. Berlin hat viele Gesichter. Morgenpost Online zeigt sie und die Überzeugungen, Träume, Hoffnungen, Probleme, Glücksmomente, die das Leben in der Stadt ausmachen. Jede Woche stellen wir eine Person vor.

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