Charlottenburg. Der Brotgarten an der Seelingstraße wurde als Kollektiv gegründet. Heute sind neun Gesellschafter und 40 Mitarbeiter für den Betrieb tätig.
Um die Mittagszeit herrscht Hochbetrieb im Brotgarten unweit vom Schloss Charlottenburg. Wer nicht im hauseigenen Bistro nebenan zu Mittag isst, holt sich hier etwas zum Lunch. Bei herbstlich milden Temperaturen lassen sich Tramezzini, Pizza oder Quiche an den Tischen vor der Bio-Bäckerei wunderbar genießen. Die Preise liegen zwischen zwei und 4,50 Euro. Dazu ein Kaffee der Brotgarten-Röstung. Die Schale Milchkaffee für 2,80 Euro. Obwohl es drinnen voll ist, kommt man schnell an die Reihe. Stehen doch gleich zwei bis drei Mitarbeiter am Verkaufstresen. Die Choreografie dahinter läuft reibungslos. Vor allem, wenn Sebastian Simon (34) und Nathan Gernhardt (35) in Aktion sind.
Die beiden sind zwei der vier jungen Gesellschafter von insgesamt neun des Bäckereibetriebs. Eine Besonderheit des Brotgartens, der dieses Jahr sein 40-jähriges Jubiläum feiert. Als eine der ersten Berliner Bio-Bäckereien im Jahr 1978 eröffnet, wurde der Betrieb damals von einem Kollektiv gegründet. Infolge der 68er wollte man seinerzeit Brot und Brötchen ökologisch einwandfrei aus Vollkorn machen.
„Es ging aber auch darum, anders zu arbeiten. Bäcker arbeiteten sonst nachts. Hier haben sie tagsüber gebacken und später geöffnet als üblich“, weiß Sebastian und fügt hinzu: „Damals hieß es, gesunde Arbeit für gesunde Bäcker mit gesundem Brot. So dogmatisch sind wir aber nicht mehr.“

Ein demokratisches Plenum gibt es immer noch. Auch der kollegiale Ton ist locker. Hier duzt man sich. Aber längst schon wird auch nachts gebacken und der Laden in der Früh geöffnet. Zudem gibt es viele Produkte aus biozertifiziertem Weißmehl. Wie die österreichischen Buchteln mit Pflaumenmus oder Himbeermarmelade für 1,80 Euro. „Der Großteil unseres Getreides kommt vom Jahnsfelder Landhof aus Brandenburg. Nach Möglichkeit arbeiten wir regional“, erzählt Nathan. Eine weitere Besonderheit des Brotgartens: Das Korn wird frisch vor Ort in Getreidemühlen gemahlen. „Daher wissen wir genau, was in unseren Produkten drin ist“, betont Sebastian.
"Keine faulen Tricks"
Die Art, wie gebacken wird, unterscheidet den Brotgarten ebenfalls von anderen Bio-Bäckereien. „Beim Roggen- und Dinkelbrot arbeiten wir zu hundert Prozent mit diesem Korn“, verrät Nathan. Also keine Beimischungen von Weizen, wie man sie sonst kennt. „Keine faulen Tricks“, witzelt Sebastian. „Auch nicht bei der Teigführung. Der darf bei uns einen Tag lang arbeiten, bevor er gebacken wird. Wir verwenden auch keine chemischen Zusatzstoffe, die Produkte besser aussehen lassen. Bei uns ist alles von Hand gemacht. Immer von gleichbleibender Qualität. Allerdings sieht es nicht immer gleich aus.“ Ein Roggenbrot von 750 Gramm kostet zivile drei Euro, das 500-Gramm-Dinkelbrot ebenso.

Auf die Idee, industriell hergestellte Backwaren zu konsumieren, kämen die beiden nicht. „Da liest sich die Auflistung der Inhaltsstoffe schon wie der Beipackzettel von Medikamenten“, sagt Sebastian. Und wird von einem strahlenden, älteren Herren unterbrochen: „Der Käsekuchen gestern war ausgezeichnet. Ich habe noch nie einen gegessen, der so gut war“, schwärmt Peter Reuß. Ein Nachbar, der nach eigenem Bekunden ein Fan des Brotgartens ist.
Natürlich kennen Sebastian und Simon ihn. Schließlich sind sie Wand an Wand schräg gegenüber vom Brotgarten in der Seelingstraße aufgewachsen. Beste Freunde seit der Kindheit. Der Vater von Simon war einer der Gründer des Brotgartens im lauschigen Nehringkiez. „In der Jugend haben wir dort unser Taschengeld mit dem Aufrollen von Centstücken und dem Rollen von Energiebällchen aufgebessert“, gesteht Sebastian lachend.
Schon drei Generationen im Brotgarten
Mittlerweile sind sie selbst Familienväter. So ist Sebastians siebenjähriger Sohn Max heute mit dabei. Mal im Laden, mal hinten in der Backstube beim Bäckermeister und Konditor Reinhard Greten, der übrigens den leckeren Käsekuchen gebacken hat.
Hinten steht auch Sarah Dulitz und rollt geschickt Teigdreiecke zu Croissants. Die Bäckergesellin hat im Brotgarten gelernt. Max lässt sich von ihr ein Stück Teig geben und formt eigene Figuren. Früh übt sich, wer mal Meister werden möchte. Sein Vater und Nathan sind jedoch keine Bäcker. „Wir sind Allrounder von Beruf und Mädchen für alles“, scherzen sie. Bei ihnen laufen alle Fäden rund um die Bio-Bäckerei, das Bistro und die knapp 40 Mitarbeiter zusammen. Eine stattliche Belegschaft.

Der Brotgarten ist auf sechs Berliner Märkten vertreten
Aber der Brotgarten ist schließlich auf sechs Berliner Märkten vertreten. Darunter der Markt am Kollwitzplatz und der Ökomarkt an der Akazienstraße. Eine weitere Filiale will das Brotgarten-Team aber nicht eröffnen. Dafür arbeiten Nathan und Sebastian schon am nächsten Projekt. Sie erweitern ihr Sortiment um eigene Feinkost. Zu finden im kleinen Bioladen, der zur Bäckerei gehört. Mit allem, was man für den täglichen Bedarf braucht. Da gibt es auch die hauseigene Kaffee-Röstung aus der Berliner Kaffeerösterei. Das Pfund für 6,20 Euro. Natürlich fair und biologisch. Wie alles im Brotgarten.
Information
Brotgarten, Seelingstr. 30, Charlottenburg, Mo.–Fr. 7–18.30 Uhr, Sbd. & So. 7–17 Uhr