Vor dem Geschäft mit dem schwarz-weißen Reklameschild aus den 80er-Jahren steht eine 650er Yamaha, Baujahr 1977. Damit fährt Friedrich Bischoff, wenn das Wetter und die Auftragslage es zulassen, gern eine kleine Tour. „Da ist so gut wie kein Plastik dran“, sagt der Uhrmachermeister. Das Fortbewegungsgefährt passt zu dem 62-Jährigen, der sein Haar halblang über die Ohren trägt und einen Zehn-Tage-Bart mit Schnauzer, sozusagen Oldschool-Hippie-Stil.
Bischoff ist ein Mann mit Prinzipien. Nur mechanische Uhren hängen an den Wänden, stehen in Hinterzimmern, liegen als Armband- und Taschenuhren in unzähligen Vitrinen, Schubladen und Kästen. Emaille-Reklameschilder alter Marken wie Doxa oder Junghans zieren ebenfalls die Wände. Hinter dem Tresen öffnet sich eine riesige Werkstatt.
Zwei Welten in einer Uhr
„Die Kunden sollen sehen, was wir machen“, erklärt Bischoff. An einem zweiten Arbeitsplatz sitzt Pamela Mattow. Mit einer Lupe am rechten Auge reinigt sie eine IWC-Armbanduhr aus den 40er-Jahren. „Ein seltenes Werk, es ist tonnenförmig, nicht rund“, sagt die Uhrmacherin, die seit 30 Jahren mit Friedrich Bischoff zusammenarbeitet. Aus dem Radio klingt „Black Magic Woman“ von Santana. „Wir hören StarFM, auf der alten AFN-Frequenz“, erklärt Bischoff.
Den amerikanischen Soldatensender hat er als kleiner Junge im Sauerland gehört. Bereits als Steppke habe er Stunden in der Uhrmacherwerkstatt seines Onkels gesessen. „Die Leute brachten alte bergische und westfälische Standuhren und Schweizer Taschenuhren zur Reparatur.“ Gleich nach der Schule begann er eine Lehre als Uhrmacher, die er als nordrhein-westfälischer Landesbester abschloss. Es folgten zwei Jahre an der Fachoberschule für Technik und Feinmechanik.
Mit Quarzuhren wollte er nie etwas zu tun haben
1975 kam er zum ersten Mal nach West-Berlin und war auf Anhieb begeistert von den Kreuzberger Nächten. „Kurz danach zog ich um und begann bei Uhren Krämer an der Neuen Kantstraße. Das war unglaublich, da arbeiteten 15 Leute in der Werkstatt.“ Ein Jahr später war Bischoff Werkstattleiter. Doch er hatte andere Pläne und legte seine Uhrmachermeisterprüfung in Hildesheim ab. „Damals erreichte der Quarzuhrenboom gerade seinen Höhepunkt. Ich wollte damit nichts zu tun haben“, berichtet Bischoff. Am 1. Januar 1980 eröffnete er in der Droysenstraße sein Geschäft nur für mechanische Uhren. Acht Jahre später zog er an den heutigen Standort.
Der hat mehr als 130 Quadratmeter Ladenfläche, ein Lager, eine Holzwerkstatt, und eine Küche. Wenn man die Einrichtung mit unzähligen alten Vitrinen, Schubladenschränken und Regalen sieht, versteht man gut, dass bei Bischoff schon viele Filme gedreht wurden. „Auch mal ein Tatort“, aber er erinnert sich nicht mehr, welcher. Vor drei Jahren wurde das Geschäft tatsächlich zum Tatort. Zwei bewaffnete Männer überfielen Bischoff und räumten den Tresor aus. „Einer wurde geschnappt. Er hat fünf Jahre Gefängnis bekommen. Die Uhren sind niemals mehr aufgetaucht. War ein herber Schlag“, sagt Bischoff.
Die Uhrmacher aus Berlin
Ein Kunde betritt den Laden und holt eine Wanduhr aus dem 19. Jahrhundert ab. „Da mussten die Ankerwelle und einige Zapfen neu gemacht werden“, sagt der Uhrmachermeister. „Hatten Sie keine Teile?“, fragt der Endsechziger. „Nein, mussten wir selbst fertigen.“ Als der Kunde den Preis hört, schluckt er kurz. „Macht ja keiner so gut wie Sie“, murmelt er. Es folgt ein Viertelstündchen Fachsimpeln.
Biedermeier-Stand- und -Wanduhren seien out, gefragt wären hingegen Art-Deco- und Jugendstil-Zeitmesser, auch bei jungen Leuten. Die meisten jedoch gingen ungenau. Bischoff erklärt, dass es kaum noch Uhrmacher gäbe, die sie reparieren könnten. Höchsten drei machten derzeit in Berlin eine Lehre. Der Kunde raisoniert über den anhaltenden Boom bei mechanischen Armbanduhren. „Hätte ich vor 30 Jahren doch ein paar Stahl-Rolex gekauft. Die kosteten damals 1400 Mark. Heute liegen die bei 5000 Euro.“ Bischoff sieht kurz auf. „Ja, hätte“, sagt er.
Luxusmarken kosten soviel wie ein Oberklasse-PKW
Wenn Kunden eine Beratung für einen Kauf als Geldanlage wünschen, steht er mit seinem Know-how zur Verfügung. Bis 2000 Euro empfiehlt er Mittelklasseuhren wie eine Constellation oder Seamaster von Omega aus den 70- und 80er-Jahren, nach oben gibt es kaum Grenzen. Luxusmarken, etwa Patek Philippe oder Rolex, bieten Modelle mit ewigem Kalender, Mondphase oder als Chronografen (mit Stoppfunktion) zum Preis eines Oberklasse-PKW an.
Die meisten Kunden bringen Uhren vorbei, die nicht mehr funktionieren. „So weit sollte es eigentlich gar nicht kommen, denn dann wird es in der Regel teuer. Regelmäßig mit dem guten Stück vorbeikommen, reinigen lassen, einen Tropfen Öl ins Werk, das hilft viel.“ Zehntausende Ersatzteile lagern in Schubladen, Kisten, Tüten. Oder er stellt sie selbst her. Zum Beispiel mit einer Zahnradfräsmaschine von 1830. Weitermachen will Friedrich Bischoff noch so lange, „wie die Hände und die Augen mitmachen“.
Uhren Bischoff Pestalozzistraße 54, Charlottenburg, Tel. 323 21 63, Mo.–Fr. 13–18 Uhr, Sbd. 10–13 Uhr, www.uhren-bischoff.de