„Es war so ein Gefühl“, erinnert sich Monika Schoenfelder, „hier will ich mein Leben verbringen.“ Als sie von ihrer Geburtsstadt Wuppertal mit einer Freundin nach Berlin zog, war sie gerade einmal 19 Jahre alt. Beide wollten Straßenbahnschaffnerin werden, zu dem Zeitpunkt wurde die letzte Straßenbahnlinie in West-Berlin eingestellt. Aus der Traum. Also stellte sie sich in dem Schneiderartikelgeschäft „Siebenhandel“ an der Ludwigkirchstraße vor. „Damals war ich ziemlich unbedarft“, sagt sie. Trotzdem bekam sie den Job. Seit mehr als 50 Jahren ist sie dem Geschäft mit den Knöpfen treu.
Sobald man die Glastür von „Knopf und Schnalle“ öffnet, ertönt ein metallisches Klirren. Die Ladeninhaberin kommt in ihrem dunkelgrünen Kleid hinter dem Ladentisch hervor, eine Kundin wünscht „etwas Fetziges“. Einige Minuten stehen sie vor der Knopfwand, die aus drei Holzregalen mit unzähligen Schachteln und Schubfächern besteht. Darin lagern Monika Schoenfelders Schätze. Knöpfe aus Perlmutt, Metall, Hirschhorn, Büffelhorn, Steinnuss und Strass ergeben ein buntes Farbspektrum. Die Kundin wird fündig, es wird gelacht und geduzt. Die Designerin kennt sie seit Jahrzehnten.
„Die Nachbarschaft verändert sich kaum, das ist noch so eine Art Kiez hier“, sagt Schoenfelder. Männer, Frauen, Jugendliche und Prominente wie Ilka Bessin, bekannt als „Cindy aus Marzahn“ oder Harald Glööckler standen auch schon in dem Wilmersdorfer Traditionsgeschäft. „Jeder verliert mal einen Knopf“, so die Ladeninhaberin. Ob berühmt oder nicht, auf die Expertise der gelernten Schneiderin können ihre Kunden zählen. Neben Knöpfen findet man dort Borten, Spitzen, Stickgarn, Futterstoffe und alles Weitere, was das kreative Herz begehrt.
Älteste Knöpfe aus den 50er-Jahren
Zwar hat Schoenfelder den Beruf Schneiderin gelernt, arbeiten wollte sie in dem Bereich aber nie. Das überlässt sie dann lieber ihrer Kundschaft. Sie freut sich jedes Mal, wenn diese mit ihren fertigen Jacken, Kleidern oder Pullovern in ihr Geschäft kommen und sie die passenden Knöpfe dazu verkaufen kann. Wenn es nach ihr geht, müssen es besonders schöne sein. „Langweilig kann ja jeder“, findet Schoenfelder. Einen Trend gebe es nicht, auffällig sei nur, dass entweder zu schlichten oder auffälligen Knöpfen gegriffen wird.
Wie viele es mittlerweile sind, kann sie nicht sagen. Dafür kann sie zu jedem Knopf etwas erzählen und weiß genau, welches Kästchen sie herausziehen muss, wenn sie nach einem bestimmten Exemplar gefragt wird. Die Ältesten sind aus den 50er-Jahren. Rund, eckig oder tropfenförmig – so vielfältig wie die Farben sind auch die Formen. Die Ladeninhaberin holt einen mit Strass besetzten Knopf aus einer Schatulle. „Eine Nachbildung von einem, den Elizabeth Taylor trug“, sagt die Ladeninhaberin. In der Glitzerwelt kennt sich die Knopf-Verkäuferin aus.
Im Januar 1974 lernte sie den Schauspieler und Synchronsprecher Friedrich Schoenfelder kennen. Er war durch seine Rollen in Edgar-Wallace-Filmen bekannt und trat ab 1961 mehr als 1200 Mal in dem Musical „My Fair Lady“ im Berliner Theater des Westens auf. Trotz hämischer Kommentare aus der Presse schlug sie dem 30 Jahre älteren, durch seine Rollen als Gentleman berühmten Friedrich Schoenfelder nach fünf Jahren Beziehung die Heirat vor. Die Ehe hielt 37 Jahre. „Ich war immer diejenige, die die Entscheidungen getroffen hat“, erinnert sich die Witwe des Schauspielers, der im Jahr 2011 verstarb.
Als junge Frau stand sie einmal kurz davor aufzuhören, als die Miete ihres ersten Geschäfts „Siebenhandel“, das sie von ihrem damaligen Chef übernahm, verdoppelt wurde. Im letzten Moment entschied sie sich gegen den Vorschlag ihres Mannes. Stattdessen zog sie in ihr heutiges Geschäft, auf die Unterstützung Schoenfelders konnte sie trotz seiner anfänglichen Zweifel bauen. Er befestigte ein Metallschild, darauf steht: „Dieses Geschäft macht keinen Gewinn, aber es macht Spaß.“
Spezialitäten wie Spitzenkragen und Federboas
Die Knopfwand, die Regale und den Ladentisch hat sie damals aus dem „Siebenhandel“ mitgenommen. Heute findet man in dem Knopfgeschäft die gleiche Ordnung wie vor 50 Jahren wieder. „Die muss auch sein“, so Schoenfelder, „sonst kriegt man Zustände auf so engem Raum.“ Im hinteren Teil des Ladens, den ein Kronleuchter schmückt, steht ein Regal mit vielen Aufbewahrungsboxen. Darin finden sich Wäscheknöpfe, Spitzenkragen und Federboas. Ob alles noch Verwendung findet? „Manches liegt da ganz gut in den Kartons“, so die Verkäuferin, „aber das wird ja nicht schlecht.“
Auch Stoffe aus den Anfangsjahren, als sich das Schneiderartikelgeschäft noch auf den Verkauf von „Anzugzutaten“ für Herrenschneider konzentrierte, hängen aufgewickelt in einer Ecke des Raumes. Über dem Schreibtisch im Büro hängen Familienfotos. Am 1. Mai feierte Monika Schoenfelder ihren 70. Geburtstag. Ruhestand ist aber noch lange kein Thema. „Solange ich mich bewegen, in die Hocke gehen und wieder hochkommen kann, mache ich auch weiter“, sagt die Ladeninhaberin, „es gibt keine Veranlassung, aufzuhören.“
Knopf und Schnalle Uhlandstraße 56, Wilmersdorf, Tel. 883 84 73, Mo.-Fr. 9-18 Uhr, Sbd. 10-14 Uhr