Berliner Perlen

Wie man mit Büroartikeln Stück für Stück die Umwelt schont

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Christine Eichelmann

Foto: Jörg Krauthöfer (3) / Krauthoefer

Als Polly Schmincke nach umweltfreundlichen Bürobedarf fragte, sagte man ihr, so etwas verkaufe sich nie. Jetzt beweist sie mit ihrem Geschäft „Polly Paper“ in Berlin-Mitte täglich das Gegenteil.

Vielleicht hätte es dieses Geschäft nie gegeben, wäre da nicht die Malwut ihrer Kinder gewesen. Groß war der Bedarf an Zeichenpapier, später dann Schulheften, Stiften und Radiergummis. Nicht, dass es in Mitte, wo Polly Schmincke mit ihrer Familie wohnt, keine Schreibwarenläden gab. Was der gelernten Journalistin allerdings fehlte, waren umweltfreundliche Produkte. „Das Sortiment ist in den vergangenen Jahren eher reduziert worden. Dabei reden alle von Umweltschutz“, ärgerte sie sich. Einem Händler legte Polly Schmincke sogar einen entsprechenden Katalog vor und fragte, ob er nicht etwas davon in seine Regale nehmen könne. Nein, das laufe nicht, lautete die Antwort.

Aber es läuft doch. Den Beweis hat Polly Schmincke mit ihrem Geschäft „Polly Paper“ inzwischen selbst angetreten. Monatelang hatte sie, die „eigentlich von kaufmännischen Dingen keine Ahnung hatte“, vor möglichen Ladenstandorten Strichlisten zur Passantendichte geführt, im Internet nach Produkten geforscht und Messen besucht. „Ich war dann selbst erstaunt, wie viele umweltfreundliche Schreibwaren es gibt, wenn man wirklich guckt“, sagt sie.

So erhält man an der Gipsstraße in Mitte nun seit fast zwei Jahren japanische „Bottle to Pen“-Tintenroller, hergestellt aus PET-Flaschen. Ebenso Öko-Klebeband, nachfüllbare Klebestifte, Tinte auf Basis von Naturfarbpigmenten und lösungsmittelfrei Kontaktkleber aus reinen Naturstoffen.

Ökologische Alternativen für fast alles

80 bis 90 Prozent der Artikel bei Polly Paper sind „öko oder zumindest nachhaltig gefertigt“, sagt die Ladeninhaberin. Oft machen Kleinigkeiten den Unterschied. „Warum muss die Rolle beim Klebefilm aus Plastik sein statt aus Pappe wie bei mir?“, sagt Schmincke. Zwar gibt es nicht bei allem Alternativen. Aber im Fall von Notizbüchern, Zeichenblöcken, Druckerpapier, Aktenordnern und Quittungsblöcken ist das Angebot an Artikeln aus Altpapier enorm.

Besonders begeistert ist Polly Schmincke vom Direktrecycling, wie es zum Beispiel aus Dänemark kommt. „Seefahrer müssen laut Vorschrift jedes Jahr neue Seekarten kaufen“, erzählt Schmincke. „Aus den alten werden dann Notizbücher.“ Deren Seiten sind zwar nur einseitig beschreibbar, dafür kann man in Denkpausen im Geiste die Weltmeere bereisen.

Schulhefte in Recyclingqualität sind mit jeder Lineatur erhältlich. Lediglich bei der „rautierten“ Lineatur des DDR-Mathematik-Unterrichts, wie sie in der benachbarten Kastanienbaum-Grundschule noch mancher Lehrer bevorzugt, musste Polly Schmincke ihre Prinzipien aufgeben: „Ich will den Bedarf abdecken, da bin ich nicht dogmatisch.“ Seiden- oder Transparentpapier aus Altpapier fürs Laternenbasteln seien ebenfalls nicht zu bekommen. „Wahrscheinlich hängt das mit den Papierfasern zusammen, die werden bei der Wiederverwertung nämlich immer kürzer“, sagt die 43-Jährige.

Viele Fans nicht nur bei Eltern

Wo die Industrie keine zufriedenstellende Lösung bereithält, sucht Polly Schmincke das nachhaltigste Produkt. „An einem Tintenkiller ist nun mal nichts Ökologisches. Auch Füller gibt es nicht aus Recyclingkunststoff.“ Dafür kommen diese bei ihr von einem Familienunternehmen, das in Deutschland produziert. Vor allem will Schmincke ihren Kunden zeigen, dass Öko nicht unbezahlbar ist. „Natürlich gibt es teure Produkte“, sagt die Geschäftsfrau. Beim Klebebandabroller aus zertifiziertem Holz zahlt man auch die Handarbeit in der Behindertenwerkstatt. „Aber ich bemühe mich, immer preiswerte Alternativen vorzuhalten“, sagt Schmincke.

Was ihr immer noch begegnet, ist das Vorurteil, Öko sei stets unansehnlich und plump. Sicher: Die Bioleder-Schultaschen befriedigen nicht die Rosa-Besessenheit Lillifee-verliebter Erstklässlerinnen. Bunt aber können sie auch sein. Die Hefte beispielsweise werden nicht nur von bedrohten Tieren, sondern wahlweise von Fußballer-Silhouetten geziert. Und für Glitzerfans hat Polly Schmincke Grafitstifte mit funkelnden Minen, deren zertifiziertes schwarzes Holz elegant mit Svarowski-Kristallen besetzt ist.

Noch sind es überwiegend umweltbewusste Eltern, die unter Polly Papers bunten Papierlampenschirmen stöbern. „Aber auch bei den Schülern nebenan habe ich viele Fans“, sagt Schmincke. Und dann ist da noch die Prominenz aus dem Kiez. Schauspielerin Corinna Harfouch kaufte Klemmbinder für Drehbücher, Inga Humpe und Tommi Eckart von der Band 2raumwohnung kommen immer wieder mal vorbei. Besonders gefreut hat sich Polly Schmincke, als neben den vielen anderen Touristen Herbert Grönemeyer den Laden betrat und Geschenkpapier erstand. Für die frühere Bochumerin war das „wie ein Gruß aus der Heimat“.

Polly Paper Gipsstraße 23b, Mitte, Tel. 22 43 55 55, Montag bis Freitag 10 bis 19 Uhr, Sonnabend 12 bis 17 Uhr