Wer sich am 17. Mai in der Nähe des Brandenburger Tors aufhält, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit auf eine Menge Klappradfahrer treffen, die in absonderlichen Anzügen, mit Schnauzer im Gesicht und Riesling in der Hand kräftig in die Pedale treten. Bei diesem Panoptikum handelt es sich um eine ordentlich angemeldete Sportveranstaltung. Am Vortag des Jedermann-Radrennens Garmin-Velothon am 18. Mai wird der World-Klapp stattfinden: eine Meisterschaft im Klappradfahren, die jeden Teilnehmer zum Tragen eines Oberlippenbartes verpflichtet. Als Rennstrecke ist ein 1,2 Kilometer langer Rundkurs vorgesehen, der über die Straße des 17. Juni und die Scheidemannstraße dreimal an Brandenburger Tor und Regierungsviertel vorbeiführt.
„Ein bisschen Klamauk, viel Stil“
„In der Spitze sicherlich großer Sport, in der Breite große Satire“, charakterisiert Stephan Fahrig das Event. Er ist Vorsitzender der anständigen Hauptstadtvertretung des Pfälzer Klappvereins, also des Veranstalters. „Ein bisschen Klamauk, ein bisschen Folklore. Und viel Stil.“
Der Ursprung dieses skurrilen, in der Pfalz verwurzelten Rennens geht auf eine Wallfahrt vor 24 Jahren auf den Kalmit im Schwarzwald zurück, die sich, jährlich wiederholt, mittlerweile zum deutschlandweit größten Klappradrennen etabliert hat, an dem etwa 400 Sportler teilnehmen. Beim zweitgrößten Rennen, dem World-Klapp, werden dieses Jahr 128 Klappradler starten.
Fahrig selbst, seit 13 Jahren Wahlberliner, nahm vergangenes Jahr erstmals teil und berichtet stolz, dass er als Siebter von 111 Teilnehmern mit Bravour über die Ziellinie fuhr. Einen Platz vor Udo Bölts, dem 13-fachen Tour de France-Teilnehmer, der durch sein legendäres, an Jan Ullrich 1997 gerichtetes „Quäl dich, du Sau!“ bereits vor seiner Klappradkarriere in die Radsportannalen einging. Ob denn auch beim World-Klapp heftig gedopt werde? „Bei uns ist nur Riesling erlaubt“, verrät Stephan Fahrig.
Oberlippenbart und Klapprad als Grundvoraussetzung
Trotz seines Namens sei der World-Klapp, der in Ludwigshafen begann und nun erstmals in Berlin stattfindet, keine Weltmeisterschaft, betont Stephan Fahrig. „Da muss man immer aufpassen, wie man sich benennt“, sagt der gebürtige Rheinländer aus Bad Honnef. In England findet auch ein Klappradwettbewerb statt, „allerdings mit Geschäftsanzügen und modernen Rädern mit Gangschaltung“. Fahrig sagt das voller Abneigung. Solche Sitten seien beim World-Klapp undenkbar.
Was wie eine Schnapsidee eines bunten Haufens freizeitorientierter Chaoten anmutet, weist ordentlich Struktur auf – das umfangreiche Reglement erfüllt den Leser mit Ehrfurcht. Vor Rennbeginn prüft eine Wahrheitskommission jeden einzelnen Teilnehmer auf Herz und Nieren. Grundvoraussetzungen sind ein Oberlippenbart und ein mindestens 30 Jahre altes Klapprad ohne Gangschaltung, mit 20-Zoll-Rädern und Originallenker. Vor allem muss der Klappmechanismus funktionieren, Schweißpunkte sind „bis auf den Achselbereich des Fahrertrikots“ verboten.
Allein die Oberlippenbartverordnung des Pfälzer Klappvereins umfasst fünf Seiten, die Form, Länge und Stärke des Schnauzers festlegen. Damen und mit geringem Bartwuchs ausgestattete Herren können sich vorab eine Bartunfähigkeitsbescheinigung ausstellen lassen.
„Team Klappstulle“ und „Klapp mi am Mors“ nehmen teil
Laut der penibel geführten Starterstatistik auf der Webseite sind unter anderem 18 Kaiser-Wilhelm-Zwirbelbärte und 15 „Pornobalken“ angemeldet, sechs Damenbärte sowie zwei Bartunfähigkeitsbescheinigungen.
Zu Recht fragt sich da User „Klaptoman“, ob sich unter den zehn angemeldeten Damen zwei „Wunder der Schöpfung“ befinden. Denn auf falsche Bärte stehen empfindliche Geldstrafen. Außerdem müssen Teilnehmer die offizielle Hymne „Kennst Du Ludwigshafen?“ auswendig vortragen, deren Heimatromantik sich in Zeilen wie „Wir wohnen links vom Rhein und atmen Chemieluft ein“ äußert.
Angemeldet beim Kampf um den „Oberlippenbär“ sind 32 Vierermannschaften mit Namen wie „Team Klappstulle“ oder „Klapp mi am Mors“, was das Team „aus Jugendschutzgründen“ nicht übersetzen möchte. International kann sich der Cup auch schimpfen: Für Sizilien treten die „Quattro Klappioni“ an. Am stärksten sind die Schwaben vertreten, und Berlin geht mit 16 Sportlern an den Start.
Ein König aus Ghana als Schirmherr
Einen prominenten Schirmherrn hat die Veranstaltung gefunden: König Bansah herrscht über einen Stamm in Ghana, arbeitet aber als Kfz-Meister in Ludwigshafen. Stephan Fahrig erzählt, wie Céphas Bansah eher unfreiwillig nach dem Tod seines Großvaters ins königliche Amt berufen wurde, da sowohl sein Vater als auch sein Onkel es als Linkshänder nach geltendem Stammesrecht nicht ausüben durften.
„Er konnte sein Volk überzeugen, seine Aufgaben von Ludwigshafen aus, wo er wohnte, besser wahrnehmen zu können.“ Eine Geschichte, die dem World-Klapp in Skurrilität in nichts nachsteht. Zu den Aufgaben des Schirmherrn zählt auch die Abnahme des Eids von jedem Teilnehmer, den Bart nicht bereits am Sonntag zu entfernen.
Eröffnen sollte die Veranstaltung die Bundeskanzlerin, die aus Zeitgründen ablehnte, ebenso wie Kulturstaatssekretär Tim Renner. Auch Hartmut Mehdorn wurde angefragt, „damit er 2014 etwas zu eröffnen hat“, erklärt Fahrig. Mehdorn zeigte sich ebenfalls unpässlich, trotz des Entgegenkommens des Pfälzer Klappvereins. Fahrig sagt: „Wir haben ihm auch eine Teileröffnung der Startrampe angeboten.“