Bundespräsident Joachim Gauck hat zu Offenheit gegenüber Zuwanderern aufgerufen. „Wir sind dabei zu begreifen, dass wir ein Einwanderungsland sind“, sagte Gauck am Mittwoch beim Besuch eines Integrationsprojekts im Berliner Bezirk Neukölln. „Wir lernen noch, eine vielfältige Gesellschaft zu sein“, sagte er bei einem Treffen mit Stadtteilmüttern. Lange noch nicht alle hätten begriffen, dass Zukunftsfähigkeit in Deutschland zwingend auch mit Einwanderung verbunden sei.
Mit scharfen Worten warnte Gauck vor einem Rückfall in nationalistische Vorstellungen: „Manche sind sogar so idiotisch, dass sie alte Konzepte von Nationalismus zu neuem Leben erwecken wollen.“ Er selbst wolle „eine Kultur des Miteinander des Verschiedenen mitentwickeln helfen“, betonte der Bundespräsident. „Wir nehmen Zuzug als Gewinn wahr.“
Gauck sagte, er habe nach der Wende erst einmal einen Bogen um den Berliner Stadtteil Wedding gemacht. „Das hat mich verunsichert.“ Als DDR-Bürger sei er nicht darauf eingerichtet gewesen auf „diese unglaubliche Vielfalt nebeneinander“. Die Masse der Ostdeutschen habe damit zunächst Schwierigkeiten gehabt. Heute sei der Wedding gerade deshalb interessant für ihn, weil er so unfertig und lebendig sei. Damals aber habe ihn auch das Schmuddelige im Vergleich zu gepflegten West-Stadtteilen abgeschreckt.
Mit Besuchen in den Berliner Stadtvierteln Kreuzberg, Neukölln und Wedding will sich der Bundespräsident am Mittwoch über die Bemühungen zur Integration von Migranten informieren. Auf dem Programm stehen Gespräche mit Migranten und Bürgerinitiativen. In den drei Stadtteilen leben besonders viele Berliner mit Migrationshintergrund, in Kreuzberg und Neukölln beträgt ihr Anteil rund 40 Prozent.
Thementag „Unterwegs zum Miteinander“
Hier informiert er sich über Erfolge und Hindernisse im Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Herkunft. Dafür sprach Gauck zunächst mit Stadtteilmüttern in Neukölln und ließ sich von ihrer Arbeit mit Familien mit Zuwanderungsgeschichte berichten. Im Wedding trifft der Bundespräsident den deutsch-polnischen Autor Paul Bokowski, in Kreuzberg mehrere interkulturelle Initiativen.
Gauck warb dafür, entschlossener Weichen für eine „wache und aufnahmebereite Gesellschaft“ zu stellen. Dazu gehöre auch die Finanzierung von Projekten wie die Stadtteilmütter. Bei ihnen handelt es sich um ausländische Mütter, die Problemfamilien im Kiez beraten. Solch engagierten Einwanderern müsse man ermöglichen, Verantwortung als Bürger zu übernehmen, sagte Gauck.
Ein musikalisch-literarischer Abend in Schloss Bellevue soll am Abend den Thementag „Unterwegs zum Miteinander“ abschließen.